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Stadtplanung und Ökologie

Es gibt inzwischen zahlreiche Beispiele, wie beim Bau öffentlicher Gebäude darauf geachtet werden kann, dass beim anschließenden Betrieb so wenig Energie wie möglich verbraucht wird. In so gut wie jeder deutschen Stadt gibt es entsprechende Vorzeigeprojekte - vom Bürokomplex über das Bankgebäude bis hin zur Fertigungshalle. Nur, das sind eben Vorzeigeprojekte. In der Regel dominieren dann doch wieder riesige Glasflächen zum Beispiel die Fassade - mit der Folge, dass diese Gebäude mit entsprechendem Energieaufwand im Winter geheizt und im Sommer gekühlt werden müssen. Und oft genug werden in den Städten und Gemeinden vorrangig an die Bau- und dann erst an die Folgekosten gedacht. Wie lässt sich das ändern? Um diese Frage ging es auf einer international besetzten Podiumsdiskussion von Architekten und Städteplanern in Hamburg.

Von Verena Herb |
    Wer konkrete Antworten auf die Fragen "Was ist Green Architecture und wie macht man die?" erwartet hatte, wird enttäuscht an diesem Abend. Die Podiumsdiskussion über nachhaltiges Bauen in der ehemaligen Kaffeebörse in der Speicherstadt ist eher eine Mea-Culpa-Veranstaltung der Architektenzunft.

    "In Wahrheit hat auch die Architekturdisziplin versagt, das muss man auch so deutlich sagen."

    Dieser Meinung ist Jörn Walter, der Oberbaudirektor der Hansestadt, der gemeinsam mit den Stararchitekten Stefan Behnisch und Mathias Sauerbruch auf dem Podium sitzt. Und beide stimmen dem Städteplaner zu: Das Thema der ökologischen Architektur, das nachhaltige Bauen - viel zu lange hat es keine Rolle gespielt:

    "Und ich kenne nun endlose Gebäude, ob nun hier in Hamburg oder in anderen Städten, aus den 90er Jahren, auch aus diesem Jahrzehnt, der 1. Hälfte dieses Jahrzehntes, die sich überhaupt nicht um diese Frage gekümmert haben und gebaut worden sind. Aus ästhetischen Gründen, aus vielen Gründen - die haben das nicht zum Thema gemacht."

    Stefan Behnisch, schwäbischer Stararchitekt mit einer Gastprofessur an der Yale University in den USA, hat auch eine ganz einfache Erklärung dafür:

    "Früher - wenn man sich mit dem Thema beschäftigt hat, und ich bin jetzt seit 20 Jahren in dem Geschäft -, da hatte man immer ein bisschen den Ruch des Birkenstock-Charakters, ja wenn man sich mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Es war immer so eine Hippie-Ecke."

    Heute habe sich das geändert, da sind sich die Experten einig. Doch längst ist das ökologische Bauen, respektive das Entwerfen nachhaltig orientierter Bauprojekte kein Massenphänomen, sondern immer noch eine Nische. Diese Nische haben gerade die großen Architekturbüros für sich entdeckt, wird an jenem Abend klar. Der grüne Aspekt spielt eine immer größere Rolle:

    "Bei den meisten Wettbewerben wird das jetzt gefordert, und bei vielen Projekten ist es da. Aber die machen wahrscheinlich noch nicht mal ein Promille des Bauvolumens aus","

    so Stefan Behnisch. Sein Kollege Matthias Sauerbruch, der Büros in London und Berlin unterhält, ist vollkommen d'accord. Wenngleich er bereits eine Veränderung im gesellschaftlichen Bewusstsein bemerkt, gerade bezüglich des Energieverbrauchs, nachdem das Haus gebaut wurde:

    ""Für den Bau eines Gebäudes brauchen Sie 15 Prozent der Energie des Lebenszyklus, während etwa 80 oder 75 Prozent im Unterhalt, im Betrieb des Gebäudes verbraucht werden. Und da hat sich schon unheimlich viel verändert. Also in der ganzen Gebäudetechnologie, in der Haustechnik hat sich unheimlich viel verändert in den Standards. Das ist natürlich teilweise der Gesetzgebung geschuldet, jetzt nicht unbedingt der Einsicht der Architekten, das gebe ich gerne zu. Aber da hat sich schon einiges getan."

    Es bedarf weiterer gesetzlicher Regularien, um den Prozess des nachhaltigen Bauens weiter voranzubringen, macht Oberbaudirektor Jörn Walter deutlich. Und ein ökonomischer Anreiz müsse gegeben sein:

    "Wenn es einen ökonomischen Anreiz gibt, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten, dann war das in aller Regel ein erfolgreiches Unternehmen."

    Welche konkret er meint, bleibt sein Geheimnis. Kurz wird auf das Thema der innovativen Entwicklung von Baustoffen eingegangen, wenngleich mit ernüchterndem Ergebnis:

    "Wo stehen wir hier in Hamburg im Hinblick auf die Frage: Produktion von Ziegeln. Ist da in den letzten 20 Jahren irgendwas Innovatives passiert? Was? Obwohl wir alle wissen, dass zehn Prozent zum Gesamt-CO2-Ausstoß dieser Welt durch die Herstellung von Baustoffen beitragen. Haben wir da was gemacht? Haben wir in den letzten 20 Jahren gedrängt die Leute, dass sie da forschen müssen, dass sie da arbeiten müssen. Haben wir die Industrie aufgefordert, laut genug? Mal ganz offen: Haben wir nicht getan."

    Ob sie es tun werden, bleibt zu hoffen. Behnisch und Sauerbruch gehören mit ihrer Arbeit zur Elite der deutschen Architektur - und haben wohl das Thema der Green Architecture für sich entdeckt. Weniger jedoch aus ökologischer Überzeugung, als vielmehr als kreative Herausforderung. Mathias Sauerbruch scheint gar resigniert, wenn er den Anteil seiner Arbeit an der Green Architecture bewertet:

    "Wenn wir davon ausgehen können, dass wir über nachhaltige Energien, also Solarenergie, Tiefenbohrung, geothermische Anlagen, Windenergie und so weiter und so fort, die Grundlagen so korrigieren können, dass diese Balance wiederhergestellt ist, dann ist letztendlich die Technologie, mit der wir uns im Augenblick gerade so rumschlagen - also sollte das Fenster jetzt drei oder vier Scheiben haben oder sollte der Fensterrahmen thermisch getrennt sein oder nicht -, im Grunde genommen eigentlich irrelevant."

    Gerade wenn man die globale Entwicklung ansieht: Indien wird durch den neuen Nano-Kleinwagen motorisiert, China ist schon längst auf diesem Weg, sodass Sauerbruch zu dem Schluss kommt:

    "Dass wir Architekten hier im Westen eigentlich im Sandkasten spielen, während hinter uns eigentlich Krieg geführt wird."