Beatrix Novy: In dieser Woche nimmt sich "Kultur heute" täglich die Krise vor. Wie wirken sich Sparpakete, Sparkonzepte, Sparzwänge aus auf die Ausgaben für die kulturellen Einrichtungen?
Heute reden wir mal übers Theater, mit Rolf Bolwin, dem Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins. In einem Land, das so stolz ist wie wir auf das Netz von Stadttheatern, das in Deutschland einzigartig ist, so stolz, dass Deutschland dieses System sogar von der Unesco schützen lassen wollte, was wiederum auf die Bedrohtheit dieses Systems schließen lässt: In so einem Land ist doch die Nachricht, dass ein beliebtes und weit über die Stadt hinaus bekanntes Theater geschlossen werden soll, vernichtend. Wuppertal war aber so ein Fall in jüngster Zeit. Frage an Rolf Bolwin: Werden wir solche Drohungen in nächster Zeit denn noch öfter zu hören bekommen?
Rolf Bolwin: Nun, ich glaube eigentlich, dass wir es nicht öfter hören werden, denn eines hat doch die Diskussion über das Schauspielhaus in Wuppertal ausgelöst: eine breit angelegte Debatte über die Kultur in der Stadt, über die Bedeutung von Theater und Musik in der Stadt. Was wird aus der Stadt, wenn es diese Kultureinrichtungen nicht mehr gibt. Und insoweit war vielleicht dieser Anstoß aus Wuppertal sogar ein bisschen hilfreich, denn ich bin der festen Überzeugung, dass wir in dieser Zeit eine Diskussion darüber brauchen, wie es mit der Stadt weitergeht, wie es mit der Kultur in der Stadt weitergeht. Und ich bin sicher, wir werden dabei feststellen, Städte ohne Kultur sind keine Städte.
Novy: Ja, dem würde sich sicher jeder anschließen. Aber in den neuen Ländern oder im Ruhrgebiet haben die Städte ja gravierende Probleme, die dann eben einfach zu diesen Sach- und Zugzwängen führen. Und nun ist ja auch schon viel gespart worden: Spartenwegfall hier, Zusammenlegung dort. Was kann man sich denn noch vorstellen?
Bolwin: Es hat ja eine ganze Reihe an Sparmaßnahmen stattgefunden. Wir haben ungefähr 7.000 Arbeitsplätze in den letzten 15 Jahren abgebaut. Wir haben viele Haustarifverträge abgeschlossen, mit denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Teile ihrer Vergütung verzichtet haben. So wird es natürlich nicht weitergehen können. Irgendwann sind die Arbeitsplätze so unattraktiv, dass keiner mehr Schauspieler, Sänger oder Tänzer werden möchte.
Es ist ja richtig: Die Kommunen befinden sich in einer schwierigen finanziellen Situation. Man darf aber auf der anderen Seite nicht vergessen: Die Kultur kostet in der Bundesrepublik Deutschland der öffentlichen Hand acht Milliarden Euro. Das sind 0,8 Prozent aller öffentlichen Ausgaben. Und so schwierig es in einer Stadt, oder in der anderen Stadt, sein mag: Man wird nicht in die Situation kommen, über diese Beträge die Haushalte der öffentlichen Hand zu sanieren. Die Kultur steht da nicht an erster Stelle und sie hat ja auch diese Krise in den Kommunalfinanzen nicht ausgelöst.
Novy: Der große Teil des Problems liegt ja in der Benachteiligung der Kommunen bei der Verteilung der Gelder. Vielleicht können Sie in wenigen Sätzen sagen, was sich grundlegend ändern müsste bei dieser Verteilung.
Bolwin: Wir haben ein Verteilungsproblem. Die Kommunen müssen relativ viel bezahlen. Bei ihnen kommt die Ausführung von gesetzlichen Bestimmungen an, die Geld kosten, ohne dass ihnen das Geld zur Verfügung gestellt wird, und daran müssen wir etwas ändern. Das heißt, wir müssen sehen, dass bei denen, für die wirklich das Leben der Menschen die bedeutende Gebietskörperschaft ist, nämlich die Kommune, die Stadt, dass dort das Geld ankommt. Damit die Stadt auch ihre soziale und kulturelle Infrastruktur aufrecht erhalten kann. Und wir sind erst mal ganz zufrieden, dass diese Überlegungen auch bei der Bundesregierung etwa angekommen sind. Man hat ja immerhin beim Bundesfinanzministerium eine Kommission eingerichtet, die sich mit diesen Fragen befassen soll. Sie muss auch zu einem Ergebnis kommen. Aber es gibt keinen Zweifel, das Ergebnis muss sein: Die Kommunen müssen stärker am Steueraufkommen der öffentlichen Hand beteiligt werden.
Novy: Welche Rolle spielt für das Theater das private Geld, also Sponsoren, Mäzene, Stiftungen? Die öffentliche Hand wird ärmer, Privatvermögen legen eher zu. Gibt es von daher neue Aussichten?
Bolwin: Nein. Ich glaube, das Prinzip ist eigentlich doch weitgehend in den Ländern, die Kultur öffentlich finanzieren – das ist ein großes Land wie Frankreich, das ist Deutschland, das sind die nordeuropäischen Länder -, das Prinzip ist immer so, dass die öffentliche Hand die gesamte Infrastruktur finanziert. Das Geld wird ja auch nicht zur Verfügung gestellt, damit die Theaterkarte billiger wird, sondern das Geld wird zur Verfügung gestellt, damit wir erst mal Schauspieler, Sänger, Tänzer und alle anderen Mitarbeiter, die wir brauchen, für die Produktion engagieren können. Und dann geht es ans Produzieren. Und das Geld, was wir brauchen, um zu produzieren, das wird dann verdient. Das wird natürlich zu einem großen Teil an der Abendkasse verdient – deswegen sind die Zuschauer für uns so wichtig -, aber es wird natürlich auch verdient dadurch, dass Sponsoren sagen, wir haben hier eine gewisse Summe Geld zur Verfügung und mit der wollen wir euch helfen, dass ihr ein bestimmtes Projekt realisieren könnt. Nehmen Sie ein mittleres Stadttheater; das kann beispielsweise Wagners Ring nicht stemmen, ohne dass hier auch zusätzliche Mittel fließen, und die fließen auch dann. So wird es auch bleiben und ich denke, das Engagement der Wirtschaft – die sieht schon, welche Rolle Kultur auch als Standortfaktor für sie hat -, diese Rolle der Wirtschaft wird erhalten bleiben, auch wenn es der ja nicht immer nur besser geht, sondern auch dort manche finanzielle Probleme existieren.
Novy: …, die auch schon dazu geführt haben, dass Gelder mal abgezogen worden sind?
Bolwin: Ja, die auch dazu geführt haben, dass Gelder mal abgezogen worden sind. Das ist aber mehr – und das war natürlich auch schmerzhaft – in den kleineren und mittleren Bereichen geschehen. Sehen Sie, ein mittelständisches Unternehmen, was sich immer geleistet hat, vor Ort eine kulturelle Initiative, ein Theater oder ein Orchester oder bestimmte Projekte zu fördern, das hat natürlich gewisse Schwierigkeiten, wenn es auf der anderen Seite jetzt sagen muss: Wir müssen Kurzarbeit anordnen, weil wir im Augenblick eine Ertragslage haben, die eine volle Beschäftigung nicht zulässt.
Novy: Die Lage der Theater in Deutschland – das war Rolf Bolwin, der Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins.
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Zukunft Wuppertal - Wie geht es weiter mit der Tanzkompanie und dem Archiv der Pina Bausch
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Rolf Bolwin: Nun, ich glaube eigentlich, dass wir es nicht öfter hören werden, denn eines hat doch die Diskussion über das Schauspielhaus in Wuppertal ausgelöst: eine breit angelegte Debatte über die Kultur in der Stadt, über die Bedeutung von Theater und Musik in der Stadt. Was wird aus der Stadt, wenn es diese Kultureinrichtungen nicht mehr gibt. Und insoweit war vielleicht dieser Anstoß aus Wuppertal sogar ein bisschen hilfreich, denn ich bin der festen Überzeugung, dass wir in dieser Zeit eine Diskussion darüber brauchen, wie es mit der Stadt weitergeht, wie es mit der Kultur in der Stadt weitergeht. Und ich bin sicher, wir werden dabei feststellen, Städte ohne Kultur sind keine Städte.
Novy: Ja, dem würde sich sicher jeder anschließen. Aber in den neuen Ländern oder im Ruhrgebiet haben die Städte ja gravierende Probleme, die dann eben einfach zu diesen Sach- und Zugzwängen führen. Und nun ist ja auch schon viel gespart worden: Spartenwegfall hier, Zusammenlegung dort. Was kann man sich denn noch vorstellen?
Bolwin: Es hat ja eine ganze Reihe an Sparmaßnahmen stattgefunden. Wir haben ungefähr 7.000 Arbeitsplätze in den letzten 15 Jahren abgebaut. Wir haben viele Haustarifverträge abgeschlossen, mit denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Teile ihrer Vergütung verzichtet haben. So wird es natürlich nicht weitergehen können. Irgendwann sind die Arbeitsplätze so unattraktiv, dass keiner mehr Schauspieler, Sänger oder Tänzer werden möchte.
Es ist ja richtig: Die Kommunen befinden sich in einer schwierigen finanziellen Situation. Man darf aber auf der anderen Seite nicht vergessen: Die Kultur kostet in der Bundesrepublik Deutschland der öffentlichen Hand acht Milliarden Euro. Das sind 0,8 Prozent aller öffentlichen Ausgaben. Und so schwierig es in einer Stadt, oder in der anderen Stadt, sein mag: Man wird nicht in die Situation kommen, über diese Beträge die Haushalte der öffentlichen Hand zu sanieren. Die Kultur steht da nicht an erster Stelle und sie hat ja auch diese Krise in den Kommunalfinanzen nicht ausgelöst.
Novy: Der große Teil des Problems liegt ja in der Benachteiligung der Kommunen bei der Verteilung der Gelder. Vielleicht können Sie in wenigen Sätzen sagen, was sich grundlegend ändern müsste bei dieser Verteilung.
Bolwin: Wir haben ein Verteilungsproblem. Die Kommunen müssen relativ viel bezahlen. Bei ihnen kommt die Ausführung von gesetzlichen Bestimmungen an, die Geld kosten, ohne dass ihnen das Geld zur Verfügung gestellt wird, und daran müssen wir etwas ändern. Das heißt, wir müssen sehen, dass bei denen, für die wirklich das Leben der Menschen die bedeutende Gebietskörperschaft ist, nämlich die Kommune, die Stadt, dass dort das Geld ankommt. Damit die Stadt auch ihre soziale und kulturelle Infrastruktur aufrecht erhalten kann. Und wir sind erst mal ganz zufrieden, dass diese Überlegungen auch bei der Bundesregierung etwa angekommen sind. Man hat ja immerhin beim Bundesfinanzministerium eine Kommission eingerichtet, die sich mit diesen Fragen befassen soll. Sie muss auch zu einem Ergebnis kommen. Aber es gibt keinen Zweifel, das Ergebnis muss sein: Die Kommunen müssen stärker am Steueraufkommen der öffentlichen Hand beteiligt werden.
Novy: Welche Rolle spielt für das Theater das private Geld, also Sponsoren, Mäzene, Stiftungen? Die öffentliche Hand wird ärmer, Privatvermögen legen eher zu. Gibt es von daher neue Aussichten?
Bolwin: Nein. Ich glaube, das Prinzip ist eigentlich doch weitgehend in den Ländern, die Kultur öffentlich finanzieren – das ist ein großes Land wie Frankreich, das ist Deutschland, das sind die nordeuropäischen Länder -, das Prinzip ist immer so, dass die öffentliche Hand die gesamte Infrastruktur finanziert. Das Geld wird ja auch nicht zur Verfügung gestellt, damit die Theaterkarte billiger wird, sondern das Geld wird zur Verfügung gestellt, damit wir erst mal Schauspieler, Sänger, Tänzer und alle anderen Mitarbeiter, die wir brauchen, für die Produktion engagieren können. Und dann geht es ans Produzieren. Und das Geld, was wir brauchen, um zu produzieren, das wird dann verdient. Das wird natürlich zu einem großen Teil an der Abendkasse verdient – deswegen sind die Zuschauer für uns so wichtig -, aber es wird natürlich auch verdient dadurch, dass Sponsoren sagen, wir haben hier eine gewisse Summe Geld zur Verfügung und mit der wollen wir euch helfen, dass ihr ein bestimmtes Projekt realisieren könnt. Nehmen Sie ein mittleres Stadttheater; das kann beispielsweise Wagners Ring nicht stemmen, ohne dass hier auch zusätzliche Mittel fließen, und die fließen auch dann. So wird es auch bleiben und ich denke, das Engagement der Wirtschaft – die sieht schon, welche Rolle Kultur auch als Standortfaktor für sie hat -, diese Rolle der Wirtschaft wird erhalten bleiben, auch wenn es der ja nicht immer nur besser geht, sondern auch dort manche finanzielle Probleme existieren.
Novy: …, die auch schon dazu geführt haben, dass Gelder mal abgezogen worden sind?
Bolwin: Ja, die auch dazu geführt haben, dass Gelder mal abgezogen worden sind. Das ist aber mehr – und das war natürlich auch schmerzhaft – in den kleineren und mittleren Bereichen geschehen. Sehen Sie, ein mittelständisches Unternehmen, was sich immer geleistet hat, vor Ort eine kulturelle Initiative, ein Theater oder ein Orchester oder bestimmte Projekte zu fördern, das hat natürlich gewisse Schwierigkeiten, wenn es auf der anderen Seite jetzt sagen muss: Wir müssen Kurzarbeit anordnen, weil wir im Augenblick eine Ertragslage haben, die eine volle Beschäftigung nicht zulässt.
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