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Städte zum Hören

Zwar ist viel geschehen auf dem Weg zu einer Barriere freien Welt für eingeschränkte Menschen, doch noch immer bestehen viele Lücken in der Unterstützung von Behinderten. Jetzt verspricht ein neues System, Sehbehinderte sicher durch fremde Städte zu geleiten.

Von Holger Bruns |
    Hinweistafeln mit Blindenschrift und plastisch dargestellten Fluren finden sich heutzutage in vielen öffentlichen Gebäuden, zum Beispiel auf dem Campus der Universitäten Bremen und Oldenburg. Offenbar inspirierend, denn in Bremen und Oldenburg haben sich Informatiker mit der Entwicklung eines Stadtplans für Blinde beschäftigt. Wilko Heuten von der Universität Oldenburg hatte die Idee.

    "Was man also jetzt sieht, ist eine akustische Karte. In diesem Fall von Brüssel. Bestimmte Objekte werden mit bestimmten natürlichen Klängen versehen. Zum Beispiel ein See ... hört man so ... oder ein Park."

    Die Vögel zwitschern in den Bäumen. Ein akustisches Symbol, sozusagen ein Piktogramm für Blinde. Der akustische Stadtplan soll seinen blinden Benutzern die Orientierung in fremden Städten erleichtern, beinahe so, als wenn ein sehender Mensch seinen Reiseführer aus der Tasche packt. Der Oldenburger Informatiker Wilko Heuten hat jedoch ein Grafiktablett und hält einen Stift in der Hand. Er malt damit unsichtbare Linien, die ein Computer als Reiseroute versteht, oder eben als Wanderweg, je nach Laune.

    "Wenn ich jetzt zum Beispiel im dem See einmal herumwandere, dann hör ich das erst von der rechten Seite, weil ich mich jetzt links davon befinde. Wenn ich mich jetzt aber rechts vom See befinde, dann hör ich das von der linken Seite. Und so kann sich nach und nach der Blinde durch Bewegen dieses virtuellen Hörers ein Bild von der Umgebung machen."

    Der virtuelle Hörer ist in Wirklichkeit ein vom Grafiktablett gesteuerter Mauszeiger, der auf Objekte im Stadtplan zeigt. Für sehende Menschen wird dieser Stadtplan auch auf einem Monitor dargestellt. Zwar können Blinde mit einem Monitor nicht viel anfangen, aber die von einer Soundengine erzeugte Akkustik macht diesen Nachteil offenbar wett, meint Wilko Heuten, der blinde Tester in sein Labor einlud.

    "Also, vor allen Dingen gefällt den Blinden erstmal, dass das System sehr einfach zu bedienen ist. Wenn man berücksichtigt, was Blinde sonst so für Geräte benutzen. Zum Beispiel die Braille-Zeile. Die sind erstmal sehr teuer und erfordern viel Lernaufwand. Und bei der akustischen Karte kann man im Prinzip sofort loslegen. Wir haben Partner, die sind auch daran interessiert, so was eben zu vermarkten und weiterzutreiben und möchte eben solche Prototypen, die wir entwickelt haben, auch an den Blinden ranbringen."

    Programmiert wurde das alles wie üblich, nämlich in C++. Zu den Besonderheiten zählt jedoch die Verwendung der Geographic Markup Language, kurz GML, einer Modellierungssprache für den Austausch geographischer Daten über das Internet. Wilko Heuten:

    "Und gerade diese Daten, die können im Prinzip von normalen visuellen Stadtplänen gewonnen werden. Zum Beispiel kann man an so einen visuellen Stadtplan einscannen, von diesem Stadtplan textuelle Informationen und Rauschen wieder entfernen und dann anhand der Farben bestimmte geographische Objekte erkennen. Die werden dann innerhalb dieser GML gespeichert und können dann mit dem akustischen Frontend im Prinzip wieder dargestellt werden für den Blinden."

    Auf eine solche Idee muss man erstmal kommen. Immerhin ist sie tragfähig genug, um an zwei Universitätsinstituten gleichzeitig entwickelt zu werden, dem Technologiezentrum Informatik an der Universität Bremen und dem Offis an der Universität Oldenburg. Es sind zwei Institute, die sich zusammentaten, um die Informatik in Norddeutschland wissenschaftspolitisch zu stärken. Der akustische Stadtplan ist das erste gemeinsame Forschungsprojekt. Weitere dieser Art sollen bald folgen, sagt Jochen Meyer, im Offis zuständig für Multimedia und Internet-Informationsdienste.

    "Das schönste Beispiel ist an der Stelle das Auto, das ja auch sehr, sehr computerisiert ist, und wo ja auch andere Formen der Informationsvermittlung gefunden werden müssen. Und auch hier lassen sich solche Systeme, die eben nicht visuell, sondern akustisch oder haptisch oder taktil abarbeiten, sehr, sehr gewinnbringend einsetzen."

    http://www.offis.de/