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Städtischer Hitzestress

Umwelt. - Der Rekordsommer in Mittel- und Osteuropa vor vier Jahren kostete viele Menschen das Leben. Besonders hart trifft es die Bevölkerung von Großstädten, denn heiß wird es vor allem dort. Grund ist der so genannte "städtische Wärmeinsel-Effekt". Jetzt suchen Wissenschaftler neue Wege gegen den urbanen Glutofen.

Von Volker Mrasek | 06.08.2007
    "Kurzwellig Nord: 0,2. Minus 0,1. Und 111,7. Kurzwellig Süd und Ost brauchen wir noch."

    "Meine Kollegin stellt den Strahlungssensor so ein, dass wir die Sonnenstrahlung messen können, die aus östlicher Richtung kommt."

    Es ist ein seltsames Gefährt, das Jutta Holst durch das Gelände der Freiburger Uni-Klinik zieht. Ein Bollerwagen, bestückt mit zwei Alu-farbenen, meterhohen Messmasten aus Metall. Daran befestigt: Strahlungssensoren, Thermometer und Windgeschwindigkeits-Messer.

    "Jetzt sind wir an dem zweiten mobilen Messpunkt. Richtung Süden haben wir jetzt ein kleineres Gebäude und nicht mehr einen Baum. Vorher waren wir unter einem Baum."

    Der aufgemotzte Bollerwagen ist eine mobile Wetterstation. Damit erfasst die Arbeitsgruppe aus dem Meteorologischen Institut der Universität Freiburg die thermischen Verhältnisse unterschiedlicher Stadt-Architekturen. Wie heiß wird es im Hochsommer in tiefen Straßenschluchten? Wie sieht es bei flacher Bebauung aus? Wie groß ist der Abkühlungseffekt durch Bäume? Die einzelnen Messpunkte repräsentieren dabei unterschiedliche urbane Strukturen. Wichtig ist aber auch: Wie stark empfinden Menschen den thermischen Stress? Wo ist er größer, wo kleiner? Parallel zu ihren Messungen befragen Jutta Holst und ihre Kollegen deshalb auch noch Passanten.

    "Maximum, was wir jetzt in den Messkampagnen hatten an Oberflächentemperatur waren 61 Grad Celsius. Das war über einem frisch asphaltierten Belag."

    Die Messungen laufen im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes namens Klimes. Finanziert wird es vom Bundesforschungsministerium. Projektleiter ist Helmut Mayer, Professor für Meteorologie und Klimatologie an der Freiburger Hochschule:

    "Dieses Verbundprojekt hat eigentlich als Schlussziel die Erstellung eines Leitfadens für den Klimawandel-gerechten Städtebau. Hitzeperioden, die werden zukünftig länger andauern, treten häufiger auf und werden intensiver werden. Da sollen Strategien empfohlen werden, mit denen man den zukünftigen Wärmestress möglichst reduzieren kann."

    Es geht um die neuralgischen Zonen in unseren Städten. Um Quartiere, die besonders hitzeempfänglich sind:

    "Eine typische Stadtstruktur mit einer großen Sensitivität gegenüber Hitze ist eine Struktur, in der etwa der Luftmassenaustausch stark eingeschränkt ist. Da wird Grün wenig oder gar nicht vorkommen. So dicke Blockbebauungsbereiche etwa. Während etwa jetzt so, sag’ ich mal, so Plattenbausiedlungen, die sind vielleicht ästhetisch hässlich. Aber die zeichnen sich immer noch dadurch aus, dass die Belüftung relativ gut ist. Zwischen den einzelnen Plattenbauten, da ist relativ viel an Freiraum."

    Unter klimatologischen Aspekten sei es deshalb nicht empfehlenswert, Grünflächen oder andere urbane Freiräume zu bebauen, sagt Mayer. Genau das aber ist häufig zu beobachten: Stadtplaner schaffen neue Wohnungen, indem sie den Gebäudebestand noch weiter verdichten. Die Absicht der Klimatologen dagegen ist es, den thermischen Stress für die Bevölkerung nicht noch größer werden zu lassen:

    "Diese Strategien, die werden sicherlich sehr viel mit Grün zu tun haben. Für alle Fragestellungen, die jetzt den thermischen Komfort von Menschen betreffen im städtischen Freiraum, da ist die bedeutendste meteorologische Größe die Strahlungswärme. Drum: Abschattung der direkten Sonnenstrahlung, das weiß man auch schon, das ist eigentlich das Non plus ultra."

    Zunächst aber erstellen die Forscher ihre Thermostress-Steckbriefe für verschiedene Freiburger Viertel. Sie sollen allgemeingültig sein, anwendbar auf die Bebauung in vielen Städten. Auch Computermodelle kommen beim Klimes-Projekt zum Einsatz. Simuliert wird mit ihnen, wie es mit dem Hitzestress erst im Jahr 2050 aussehen könnte.

    "Dann können wir sagen: Es hat die und die Auswirkungen auf den thermischen Komfort von Menschen. Und da muss man jetzt versuchen, dass man stadtplanerisch eingreift, um diese negativen Auswirkungen zu reduzieren. In der letzten Konsequenz ist natürlich ein Stadtumbau angesagt."