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Stahl - fest und doch formbar

Ingenieurwissenschaften. - In einem DFG-Förderprogramm haben Wissenschaftler verschiedener Institute nach neuen Wegen gesucht, Metalle zu formen und die klassischen Grenzen der Werkstoff-Nutzung zu erweitern. Ein Schwerpunkt war dabei der Stahl. Mit Hilfe neuartiger Verarbeitungsmethoden kann der Traditionswerkstoff aber weiterhin seine Stärken ausspielen.

Von Matthias Hennies |
    Nehmen wir eine Leitplanke: Daran lassen sich die Grenzen herkömmlicher Stahl-Verarbeitung klar machen. Eine Leitplanke wird im "Walz-Profilieren" hergestellt: Das hochfeste Stahlblech wird zwischen Walzen so gebogen, dass es die charakteristischen Rundungen bekommt, das "Profil", das zusätzliche Stabilität bietet. Festigkeit und Biegsamkeit sind aber grundsätzlich widersprüchliche Eigenschaften: Ein hochfester Stahl lässt sich zwar formen, wenn man ihn erwärmt - doch dabei verändert sich das Gefüge der Kristalle und das Material verliert Festigkeit.

    In dem DFG-Forschungsschwerpunkt zur Metall-Umformung haben Wissenschaftler einen Ausweg aus diesem Werkstoff-typischen Dilemma gesucht. Sie haben versucht, gezielt nur einzelne Stellen des Blechs zu erwärmen - nämlich die, die gebogen werden sollen:

    " Das Ziel der lokalen Erwärmung ist, das Formänderungsvermögen des Werkstoffs zu erhöhen durch die Erwärmung. Man erweicht also sozusagen den Werkstoff in einem ganz bestimmten Bereich. Der Laser ist hier deswegen sinnvoll, weil man das Ganze sehr schnell tun kann und durch die nur kurzzeitige Erwärmung die Beeinflussung des Werkstoffs nach Möglichkeit vermeiden will."

    Weniger als zehn Sekunden lang richten Andreas Otto und seine Kollegen an der Universität Erlangen den Laser auf ausgewählte Stellen des Blechs. Ergebnis: Unter Temperaturen von knapp 800 Grad Celsius kann der Stahl viel stärker gebogen werden als in kaltem Zustand. Das heißt, man braucht erheblich weniger Kraft, um die Leitplanke zu formen. Die Forscher rechnen mit einer Einsparung von bis zu 40 Prozent. Da die Laser-Behandlung so kurz ist, verliert das Blech nur in der erwärmten Zone etwas Festigkeit.

    Allerdings ist ein Hightech-Werkzeug wie ein Laser für die Produktion einfacher Profile wie Leitplanken oder Fensterrahmen zu teuer. Andreas Otto muss in die Walzprofilierstraßen der Stahlfirmen eine andere Wärmequelle integrieren - sein Kollege Professor Peter Groche aus Darmstadt dagegen hat eine Technik optimiert, bei der sich sogar ein Laser rechnet. Groche wendet den Trick der lokalen Erwärmung auf ein anderes verbreitetes Umformverfahren an: das Tiefziehen von Stahlblechen.

    " Das Tiefziehen ist ein Verfahren, bei dem man aus einem ebenen Blech einen Hohlkörper formt, also in großen Dimensionen sind das Dinge wie ein Kochtopf, wenn man in kleine Dimensionen reingeht, können das Dinge sein wie Endkappen von Widerständen oder noch kleinere Sensorik, die man etwa im Automobilbau einsetzt."

    Auch beim Tiefziehen tritt das Stahl-typische Dilemma auf: Das Blech wird in der Mitte nach unten gedrückt, die Ränder verformen sich. Also müssen die Ränder formbar sein, aber die Mitte, der Boden des Topfes, soll sehr fest bleiben. Groches Team hat nun gezielt den Rand des Blechs mit einem Laser erwärmt. Dadurch wird das Material so gut formbar, dass die Produktion erheblich schneller abläuft.

    Ein anderes klassisches Problem des Stahls ist sein Gewicht. Gerade im Autobau sind Stahl-Bleche seit vielen Jahren immer dünner geworden - doch vielfach ist die Grenze erreicht, weil sonst die Stabilität leidet. Nur im kleinen Maßstab lässt sich jetzt noch Gewicht einsparen. Deshalb versucht der Aachener Professor Reiner Kopp, die Blechstärke innerhalb einzelner Bauteile zu variieren:

    " Es sind alle maßgeschneiderten Produkte im Automobilbereich, alle diese Bauteile haben unterschiedliche Belastungen. Das heißt, da gibt es Stellen, die sehr stark belastet sind, und welche, die weniger stark belastet sind. Dementsprechend passen wir die Stärke an. Eine andere Anwendung liegt im Baubereich. Man könnte sich Träger vorstellen, die auf Biegung belastet sind und gewichtsoptimiert sein müssen, man könnte sich irgendwelche Felgenräder vorstellen, es gibt im Prinzip überall Anwendungen, wo wir Gewicht reduzieren müssen."

    Das Team um Professor Kopp an der TH Aachen erprobt etwas ganz Neues: Bisher kommt jedes Stahlband in einer einheitlichen Stärke aus der Walzstraße. Will man die Stärke innerhalb des Bandes variieren, müssen mehrere Walzen nebeneinander darüber laufen: Jede hat einen anderen Druck - also wird das Stahlblech auch unterschiedlich stark. Gleichzeitig kann man in das Band Rillen und Kanten einarbeiten und ihm ein definiertes Profil geben. Daher heißt das Verfahren "Bandprofilwalzen". Die Aachener testen jetzt der Prototyp der Walzstraße, denn die Industrie hat bereits Interesse an der Neuheit angemeldet.