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Stahlbau-Wiki für Ingenieure

Auf der Bildungsmesse Learntec wird in diesem Jahr das E-Learning-Projekt "Stahlbau-Wiki" vorgestellt. Im Karlsruher Studiengang Bauingenieurwesen wird es dazu genutzt, Wissen zu möglichst vielen Themen zu generieren – ähnlich wie bei Wikipedia, allerdings fachlich zugespitzt.

Von Klaus Herbst |
    Das elektronische Lernen, das E-Learning, unterstützt an der Technischen Universität Darmstadt die Lehre.

    ""Es gibt immer noch die Professoren, die 15 Jahre lang ihre gleichen Lehrveranstaltungen gehalten haben, und die sich ihre E-Mails von der Sekretärin ausdrucken lassen. Aber es gibt auch die jungen Professoren, die einfach ungeduldig sagen, was kann ich denn alles mit dem Medium machen?”",

    sagt Michael Hartle vom E-Learning-Center der Technischen Universität Darmstadt. Im hauseigenen Intranet erstellen Studentinnen und Studenten des Faches Bauingenieurwesen zusammen mit ihrem Dozenten Jörg Lange seit knapp drei Jahren das sogenannte Stahlbau-Wiki. Ähnlich der bekannten Internet-Enzyklopädie Wikipedia sind neben Fotos viele Informationen zu lesen, die für das Studium wichtig sind und das Studieren auflockern sollen. Der Ingenieur Jörg Lange nutzt die Möglichkeiten der Informationstechnologie an der Hochschule.

    ""Es ist der Kern unseres Lehrkonzepts, mit dem wir ein bestimmtes Thema im Stahlbau unserer Lehre den Studentinnen näher bringen wollen, und wir wollen damit die Studenten aktivieren, mehr selber zu machen, nicht nur im Hörsaal zu sitzen und zuzuhören, sondern ins Thema einzugreifen und mitzuarbeiten.”"

    Vorbild für das Stahlbau-Wiki ist die Wikipedia-Enzyklopädie, die es seit dem Jahr 2001 gibt. Eine weltweite Verbreitung wird das Stahlbau-Wiki jedoch wohl kaum erreichen - das will es auch gar nicht. Beispielsweise stellen Langes Studentinnen und Studenten den Darmstädter Hauptbahnhof ins Wiki, die Haltestellen seines Vorplatzes oder ein beliebig ausgesuchtes Stahlbauwerk aus der Heimat.

    ""Das geht so los, dass die Studierenden mehrere Fotos von dem Bauwerk oder mehrere Fotos des Bauwerks einstellen, und dann von uns noch einige Fragen vorgegeben bekommen, sie sollen zum Beispiel den Kraftfluss darstellen, also wie wirken die Kräfte, wie werden die Kräfte abgetragen.”"

    Das Stahlbau-Wiki ist keine Spielerei, sondern fester Bestandteil des Studiums. Wie beim großen Wikipedia-Vorbild gibt es jedoch auch schwach gestaltete Wiki-Seiten mit manchen Fehlern - und aber auch exzellente Beispiele. Lange nennt ein positives:
    ""Wir hatten - ganz toll - eine Fußgängerbrücke, die von den Studenten sehr schön beschrieben wurde. Die haben schöne Fotos gemacht, und haben dann in die Fotos hineingezeichnet mit farbigen Linien, wo treten Druckkräfte auf, wo treten Zugkräfte auf, mit anderen Farben, welche Kräfte treten auf? Also haben wir das Tragwerk sehr schön grafisch dargestellt und analysiert.”"

    Lange nennt sein persönliches Lieblingsobjekt: eine Schaukel. Erst im vergangenen Jahr sei das Spielgerät bearbeitet worden. Sehr schön sei zu sehen, dass man auch an einer einfachen Stahlbau-Konstruktion Lasten und Kräfte anschaulich und verständlich im Wiki erklären könne. Die Fotos für das Stahlbau-Wiki werden heute oft mit modernen Smartphones aufgenommen, die den Aufenthaltsort des Besitzers erkennen. So weist die Stahlbau-Wiki-Zukunft in Richtung mobiler Anwendungen.

    ""Wo wir diese ganze Oberfläche mit den Bauwerken stärker im Sinne von Location Based E-Learning bearbeiten wollen. Dass also ein Studierender mit seinem Fotoapparat mit GPS-Koordinaten oder mit seinem iPad oder was immer, Smartphone, was wir alles haben, vor Ort das Bauwerk fotografiert, eingibt, aber dann auch vor Ort schon sieht, was es an Informationen schon gibt.”"

    Das hat Vorteile: Wer mit dem Smartphone eine Stahlbrücke fotografiert, erfährt gleichzeitig nützliche Zusatzinformationen, zum Beispiel über Verkehrsflüsse und über das aktuelle Verkehrsaufkommen. Der Informationstechnologe Michael Hartle:

    ""Es ist ein hervorragendes Beispiel. Deswegen ist es ja auch an der TU Darmstadt mit dem E-Teaching-Award prämiert worden. Es ist ein hervorragendes Beispiel dafür, was man mit E-Larning machen kann. Welche Reichhaltigkeit. Was Sie an E-Learning-Veranstaltungen ergänzend zur Lehrveranstaltung machen können, welche Flexibilität Sie da auch haben. Und dass Sie ganz spezifische Lernziele erreichen können.”"

    Auch andere Fachbereiche an der TU Darmstadt folgen dem Stahlbau-Wiki und entwickeln eigene Lösungen.