Da war der gelernte Tischler 23 Jahre alt und gewissermaßen schon am Ende seiner Karriere. Denn in Europa wird Breuer praktisch nur mit seinen Möbeln in Verbindung gebracht, während er in Amerika, wohin er 1937 emigrierte, vor allem als Architekt in Erinnerung bleibt.
Die Möbel sind jetzt in der Schau zunächst zu sehen, praktisch die komplette Kollektion: rund 60 originale Stühle, Sessel, Tische oder Liegen, nicht nur aus Stahlrohr, sondern auch aus Aluminium, Massiv- und Schichtholz. Und natürlich ist auch Breuers "heiliger Stuhl" dabei, der bis heute produzierte "Wassily", sichtlich gealtert wie all die anderen Modelle: das Gestänge nackt und angerostet, mit dem Charme einer alten Wasserleitung. Alt, aber authentisch.
Doch Breuer wollte nicht auf seinen Stühlen sitzen bleiben. Er wollte bauen und sich systematisch den Raum erobern, sagt Kurator Mathias Remmele:
Es gibt von ihm ja einen Brief an Ise Gropius, Anfang der 30er Jahre, wo er schreibt, er hätte sich irgendwann mal so einen Entwicklungsplan zurechtgelegt: Er wollte also mit kleinen Einheiten, beginnen, also mit Möbeln, mit Stühlen etc. und dann Schritt für Schritt zu größeren Einheiten, also zu Häusern und zu Großbauten sich entwickeln.
An einer Reihe von Wohnhäusern hatte Breuer zunächst seine technologisch inspirierten Prinzipien erprobt: hängende Wände etwa oder horizontal gestreckte Baukörper, die private und öffentliche Funktionen in zwei Zellen trennen, aber leider auch zersiedeln – Wohnen und Schlafen, Arbeit und Freizeit. Und als wolle er die Grenzen der Statik ausloten, lässt er wie beim Freischwinger aus Stahlrohr enorme Balkone in den Raum ragen oder schiebt, 1969 in den französischen Alpen, ein Skihotel wie eine Schanze über den Felskamm – eine auch ökologisch waghalsige Extremarchitektur, als gelte es, die Natur durch Stahlbeton zu bezwingen.
Wie Skulpturen stehen zwölf imposante Modelle im Maßstab 1:50 in den Ausstellungsräumen: kühne Konstruktionen mit raffiniert gestaffelten und scharfkantig gefalteten Betonkulissen, von denen sich vermutlich auch Frank Gehry etwas abgeschaut hat. Breuer hat die plastischen Möglichkeiten des Stahlbetons genutzt wie kaum ein anderer: mit schlanken Stelzen und parabolisch gewölbten Dächern, und er hat die Wucht der Fassaden immer wieder durch netzartige Waben oder Raster aus Beton gebrochen. Das Whitney Museum in New York hat er entworfen, das UNESCO-Gebäude in Paris und daneben auch eine Reihe spektakulärer Sakralbauten.
Er wolle den "Saft der Steine" schmecken", den "Duft der Dimensionen" atmen und "den Geschmack des Raumes auf der Zunge spüren, sagte Breuer einmal über seinen späten Schwergewichtsexpressionismus. Der ist ja in der Tat ganz appetitlich anzusehen, und so gelingt es der Ausstellung in Weil am Rhein, Breuer aus dem Schatten seiner Stühle hervorzuholen und das Werk des Architekten zu einer Neubewertung auszuschreiben, die eigentlich schon lange fällig war.
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1921.html
Die Möbel sind jetzt in der Schau zunächst zu sehen, praktisch die komplette Kollektion: rund 60 originale Stühle, Sessel, Tische oder Liegen, nicht nur aus Stahlrohr, sondern auch aus Aluminium, Massiv- und Schichtholz. Und natürlich ist auch Breuers "heiliger Stuhl" dabei, der bis heute produzierte "Wassily", sichtlich gealtert wie all die anderen Modelle: das Gestänge nackt und angerostet, mit dem Charme einer alten Wasserleitung. Alt, aber authentisch.
Doch Breuer wollte nicht auf seinen Stühlen sitzen bleiben. Er wollte bauen und sich systematisch den Raum erobern, sagt Kurator Mathias Remmele:
Es gibt von ihm ja einen Brief an Ise Gropius, Anfang der 30er Jahre, wo er schreibt, er hätte sich irgendwann mal so einen Entwicklungsplan zurechtgelegt: Er wollte also mit kleinen Einheiten, beginnen, also mit Möbeln, mit Stühlen etc. und dann Schritt für Schritt zu größeren Einheiten, also zu Häusern und zu Großbauten sich entwickeln.
An einer Reihe von Wohnhäusern hatte Breuer zunächst seine technologisch inspirierten Prinzipien erprobt: hängende Wände etwa oder horizontal gestreckte Baukörper, die private und öffentliche Funktionen in zwei Zellen trennen, aber leider auch zersiedeln – Wohnen und Schlafen, Arbeit und Freizeit. Und als wolle er die Grenzen der Statik ausloten, lässt er wie beim Freischwinger aus Stahlrohr enorme Balkone in den Raum ragen oder schiebt, 1969 in den französischen Alpen, ein Skihotel wie eine Schanze über den Felskamm – eine auch ökologisch waghalsige Extremarchitektur, als gelte es, die Natur durch Stahlbeton zu bezwingen.
Wie Skulpturen stehen zwölf imposante Modelle im Maßstab 1:50 in den Ausstellungsräumen: kühne Konstruktionen mit raffiniert gestaffelten und scharfkantig gefalteten Betonkulissen, von denen sich vermutlich auch Frank Gehry etwas abgeschaut hat. Breuer hat die plastischen Möglichkeiten des Stahlbetons genutzt wie kaum ein anderer: mit schlanken Stelzen und parabolisch gewölbten Dächern, und er hat die Wucht der Fassaden immer wieder durch netzartige Waben oder Raster aus Beton gebrochen. Das Whitney Museum in New York hat er entworfen, das UNESCO-Gebäude in Paris und daneben auch eine Reihe spektakulärer Sakralbauten.
Er wolle den "Saft der Steine" schmecken", den "Duft der Dimensionen" atmen und "den Geschmack des Raumes auf der Zunge spüren, sagte Breuer einmal über seinen späten Schwergewichtsexpressionismus. Der ist ja in der Tat ganz appetitlich anzusehen, und so gelingt es der Ausstellung in Weil am Rhein, Breuer aus dem Schatten seiner Stühle hervorzuholen und das Werk des Architekten zu einer Neubewertung auszuschreiben, die eigentlich schon lange fällig war.
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