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Stammeskriege in Ugandas Norden:

Weite Teile Afrikas werden von einer beispiellosen Dürre heimgesucht, für den der Klimawandel und der damit einhergehende Temperaturanstieg verantwortlich gemacht werden. Für die Vereinten Nationen steht fest: Weltweit werden die Menschen in Afrika darunter am meisten leiden - obwohl der gesamte Kontinent nur für 3,5 Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich ist. Betroffen sind Äthiopien, Somalia, Sudan, Kenia, Dschibuti, Tansania. Und: Uganda. Dorthin wollen wir blicken, genauer in den Norden des Landes. Die Dürre hat die Stammeskriege entfacht.

Von Simone Schlindwein |
    Im Schatten eines Baumes hocken die Stammesältesten und diskutieren. Die Männer tragen bunte Tücher um die Schultern. Ringe baumeln von ihren Ohren. Die Haut um die Augen ist tätowiert. Die Männer des Apa-Lopama-Clans gehören zu den Nomadenstämmen Karamojas, eine Region im Nordosten Ugandas, nahe der Grenze zu Kenia und Sudan. Die Karamojong sind berühmt für ihre Viehherden. Die Männer wandern mit mehreren Tausend Rindern, Kühen und Ziegen zu den verschiedenen Weideplätzen der Hochebene.

    Die Stimmung ist aufgebracht. Die Männer führen Krieg gegen den benachbarten Klan. Erst vor wenigen Tagen wurden sie in der Abenddämmerung überfallen: 600 Rinder wurden gestohlen, vier Männer getötet. Jetzt planen die Stammesältesten einen Gegenangriff, um die Rinder zurückzuholen. Der Streit um das Vieh prägt traditionell das Verhältnis zwischen den Stämmen. Doch aus dem Streit ist heute ein Kampf geworden, der über Leben oder Tod entscheidet. Das erklärt einer der Stammesführer, Timothy Aisu.

    "Wir kämpfen um die Rinder, weil wir überleben wollen. Sie sind unsere einzige Nahrungsquelle. Wir trinken die Milch und das Blut, wir essen das Fleisch. Wenn ich Geld für meine Frauen und Kinder brauche, verkaufe ich Vieh. Wir haben uns Waffen besorgt, und wenn wir einem anderen Stamm begegnen, dann kämpfen wir und töten."

    Der Kampf um das Vieh soll seine Ursache in einem Phänomen haben, das weltweit auszumachen ist: dem Klimawandel. Früher gab es in Karamoja alle zwanzig Jahre einen Sommer mit nur wenig Regen. Doch der Abstand zwischen den Dürrezeiten habe sich in den vergangenen Jahren verkürzt - und nun herrsche seit vier Jahren absolute Trockenheit, erzählt Timothy Aisu.

    "Ich bin 60 Jahre, ich bin schon alt. Aber ich kann mich an meine Schulzeit erinnern. Das war 1951. Damals regnete es fast jede Woche. Die Wiesen waren grün. Wir hatten viel zu essen, kräftige Kühe, viel Milch. Doch schau mich heute an: Ich bin völlig abgemagert. Unser Vieh auch. Seit 12 Jahren fällt nur noch wenig Regen. Unser Land ist fast zur Wüste geworden."

    Der alte Mann blickt sich um. Kaum ein Grashalm wächst mehr auf dem steinharten Boden. Die dürren Schafe und Ziegen knabbern an einem trockenen Dornenbusch. 13 Kilometer müssen die Hirtenjungen das Vieh jeden Tag bis zur Wasserstelle treiben. Auch die Menschen sind durstig. Die Brunnen in der Region sind fast ausgetrocknet. Das Problem: Wenn ab und zu, wie zuletzt im Oktober, Regen fällt, dann sickert das Wasser nicht mehr in den harten Boden ein. Es überflutet weite Teile des Landes und verdampft dann in der Hitze. Die Flut zerstört die Ernte. Dies hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf die Ernährung und die Gesundheit der Menschen, sondern auch auf ihre Traditionen und ihre Kultur: Die Karamojong bauen Sorghum an, eine lokale Hirseart. Ohne Sorghum feierten sie keine Feste, erklärt Simon Obiang. Der 21-Jährige wartet schon seit drei Jahren auf seine Hochzeit.

    "Die Frauen aus meiner Familie brauen für die Hochzeit unser lokales Bier aus Sorghum. Wir Männer schlachten einen kräftigen Stier, mit dessen Blut wir uns einreiben. Die Ältesten führen dann ein Ritual durch, um uns Jungen zu Männern machen. Danach essen wir das Fleisch und trinken das Bier. Aber während der Trockenzeit können wir diese Zeremonien nicht abhalten, weil wir kein Sorghum haben. Wir hatten schon seit Jahren keine Hochzeit mehr in unserem Klan."

    Die Folge: Im Klan gibt es immer mehr uneheliche Kinder. Sie werden zum Teil verstoßen und enden in den staubigen Gassen der Hauptstadt Kampala. Sie hocken dort auf den Bürgersteigen und betteln. Bilder der Armut und Verzweiflung ... Sie haben die ugandische Regierung veranlasst, zu handeln. Doch das Regime von Präsident Yoweri Museveni hat seine ganz eigenen Vorstellungen, wie mit dem Problem umzugehen ist: Rund 300 Bettelkinder etwa wurden in Kampala von der Polizei auf Lastwagen verladen und in einem weit entfernten, leer stehenden Schulgelände untergebracht - ohne Betten, Verpflegung und medizinische Versorgung. Und: Der Präsident ernannte seine Frau zur Ministerin für Karamoja. Sie entwarf ehrgeizige Entwicklungspläne und reist regelmäßig in die Region - begleitet von Lastwagen der Welthungerhilfe - voll beladen mit Reis und Bohnen. Doch Oppositionspolitiker vermuten, dass Museveni Karamoja nur stabilisieren will, weil dort Rohstoffe wie Gold und Uran entdeckt wurden. Vermutlich auch deswegen hat das Militär Tausende Soldaten an der Grenze zu Kenia und Sudan postiert. Mit dem Ziel, die Karamojong zu entwaffnen und sie davon abzuhalten, das Vieh von den kenianischen oder sudanesischen Nachbarstämmen zu stehlen. Denn dies hat in jüngster Zeit das Verhältnis zwischen den Nachbarländern gestört. In den vergangenen Jahren gelang es den Soldaten, fast 30.000 Waffen einzusammeln. Doch immer noch werden Tausende Gewehre in Karamoja vermutet. Die Karamojong fürchten, ohne Waffen ihre Vieherden nicht mehr verteidigen zu können. So kommt es mitunter sogar zu Schießereien zwischen Viehhirten und Soldaten.

    Lawrence Aribo ist Chef des neu eingerichteten Klimawandelreferats im ugandischen Ministerium für Wasser und Umwelt. Er sieht die Bemühungen seiner Regierungen und stellt doch fest, dass sich sein Land dem Problem nicht alleine stellen kann. Auch er benennt den Klimawandel als Ursache für die zunehmenden Trockenzeiten in Karamoja, und er benennt die, die seiner Meinung nach dafür verantwortlich sind:

    "Wir fordern die Industrieländer auf, Verantwortung zu übernehmen und uns hier in Afrika zu helfen. Immerhin haben die Industrienationen den Hauptteil der Treibhausgase erzeugt, die nun hier in Afrika zum Klimawandel beitragen."

    Der Umweltökonom trifft sich regelmäßig mit Politikern, die im Dezember zu den Klimaverhandlungen nach Kopenhagen reisen. Ziel des Klimagipfels ist es, eine internationale Übereinkunft für die Zeit nach 2012 zu erzielen. Der Nothilfskoordinator der Vereinten Nationen, John Holmes, reiste während der Vorbereitung des Klimagipfels extra von New York nach Karamoja, um sich die Situation vor Ort anzusehen. Sein Fazit:

    "Der Klimawandel könnte in Zukunft die Hauptursache für Konflikte in Afrika darstellen. In Karamoja sehen wir, dass die Bevölkerung sich um knappe Ressourcen streitet. Wir befürchten, dass daraus nicht nur Konflikte entstehen, sondern auch Flüchtlingsbewegungen. Wir müssen auf der Klimakonferenz in Kopenhagen über den Status dieser Klimaflüchtlinge sprechen und wir müssen die humanitäre Krise, die aus dem Klimawandel erfolgt, offen diskutieren."