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Stammwähler anderer Parteien ins Grübeln bringen

Meinungsforscher vermuten, dass die AfD - die eurokritische Alternative für Deutschland - sich zu einer Eisbergpartei entwickeln könnte. Derzeit steht sie in Umfragen bei unter fünf Prozent, aber unter der Oberfläche könnte ein viel größeres Wählerpotenzial schlummern. Beobachtung vom Wahlkampf auf dem Augustusplatz in Leipzig.

Von Nadine Lindner | 22.08.2013
    "Wir haben hier einen Stuhl, einen Tisch und eine Kamera, mit entsprechender Beleuchtung dazu. Und hier machen wir Videos von entweder Passanten, die uns unterschreiben, dass wir es benutzen dürfen oder von AfD-Partei-Mitgliedern oder Parteivorständen."

    Christian Adelt, der Wahlkampfhelfer der AfD, öffnet die Tür zu einem blauen Sprinter mit Parteilogo, der auf dem Augustusplatz in Leipzig parkt. Heute ist er zum mobilen Studio umfunktioniert worden. Für den Wahlkampf. Doch die Tücken liegen hier im Detail. Der Laptop, auf dem die Videos gespeichert sind, hat keinen Strom und der Akku ist leer. Mit Unterstützung wuchtet der 33-Jährige Adelt einen Dieselgenerator vor die Bustür.

    Er zieht ein paar Mal am Anlasser und der Generator springt an. Nach ein paar Minuten erwacht endlich der Laptop: Ein Video läuft an, aufgenommen in Eilenburg, im Norden Sachsens.

    "Mein Name ist Doktor Klaus Ufer, ich bin zur Zeit Unterstützer der Partei AfN, ääääh, AfD, und wünsche mir, dass recht viele Bürger in Deutschland diese Partei wählen, damit wir etwas in Deutschland ändern können, was bisher nicht erfolgt ist."

    Draußen vor dem Bus zieht die Abgaswolke des Generators an den Füßen von Frauke Petry vorbei, die sich dort mit einem Passanten unterhält. Dunkle Anzughose und kurz geschnittene braune Haare: Die 38-Jährige ist vierfache Mutter, Geschäftsführerin eines kleinen Chemieunternehmens, Gründungsmitglied der AfD und Sprecherin des Landesvorstands in Sachsen. Doch überzeugen kann sie diesen Mittdreißiger nicht:

    Petry: "Ich bin der Meinung, dass zu viel Wasserkopf in Brüssel keinem Land gut tut."
    Interessent: "Das ist so ein bisschen so ein Reflex, den Volkes Stimme sozusagen hat, wenn er sagt, die da oben in Brüssel."
    - "Das ist zu einfach gedacht!"
    - "Aber was haben wir denn für ein System? Parlamentarische Demokratie! Das haben wir doch schon."

    - "Ja, und alle vier Jahre wird der Bürger einmal gefragt."
    - "Ja, aber wollen sie das ändern?"

    Volksabstimmungen, die Stärkung nationaler Parlamente innerhalb der EU und die Abschaffung des Euro: Das ist die Linie der AfD, für die Frauke Petry auf ihrer Tour wie hier in Leipzig immer wieder wirbt. Die Wahlkämpfer der AfD betonen dabei, wie wichtig ihnen die Demokratie und die damit verbundene Meinungsfreiheit ist. Bei den AfD-blauen T-Shirts steht auf dem Rücken "Mut zur Wahrheit". Und mit "das wird man wohl noch sagen dürfen" beginnen oder enden viele ihrer Sätze. Doch ihr Bekenntnis zum Pluralismus wird in Leipzig auf eine harte Probe gestellt, als am Nachmittag Vertreter einer örtlichen Moschee ihren Infostand direkt neben der AfD aufbauen. Sehr zum Missfallen des sächsischen Wahlkampfkoordinators Uwe Wurlitzer:

    "Die Salafisten haben neben uns ihren Stand aufgebaut, um ihren Islamkram zu verbreiten. Der Islam ist ja nun doch ein bisschen problematisch. Er hetzt gewisse Leute auf und passt eigentlich meines Erachtens auch nicht zu Deutschland. Und ich bin auch nicht der Einzige, der das so sieht."

    Der Immobilienmakler aus Leipzig ist wie Frauke Petry 38 Jahre alt. Er sei lange bei der CDU gewesen, sagt er, zu lange. Und das Programm der AfD spreche ihm aus der Seele, weil man sich eben um die Ängste der Menschen kümmern müsse, bevor es die Rechten tun – eben wie bei der Euro-Rettungspolitik.

    Die AfD hat sich in Leipzig den besten Platz für ihre Botschaften gesichert: Der Augustusplatz gilt als gute Stube. Nicht nur Rentner kommen vorbei, auch ein paar Studenten nehmen sich Flyer mit. Mal schauen, sagen sie, was die so schreiben.

    Hier kann die Partei ein bisschen durchatmen. Anders, als noch in Niedersachsen vor einigen Tagen. Dort fand der Wahlkampf AfD unter Polizeischutz statt: Autonome und Mitglieder der Jugendorganisation der Grünen hatten die Wahlkämpfer massiv angegriffen, es gab Rangeleien mit der Polizei.

    Hier in Leipzig aber bleibt alles ruhig. In Sachsen wählen viele konservativ. Eine Alternative zur CDU könnte für viele Euro-Kritiker interessant sein, hofft Petry:

    "Wir aktivieren viele Menschen, die vorher nicht zur Wahl gegangen sind, bei der letzten Bundestagswahl. Ich denke, dass wir in Sachsen auf jeden Fall die fünf Prozent schaffen, vielleicht sogar zweistellig werden können. Aber ich bin kein Prophet. Aber wir haben noch einiges an Arbeit zu leisten, um bei mehr Bürgern bekannt zu werden."

    Eine Rentnerin jedenfalls kommt nach dem Besuch am Wahlkampfstand ins Grübeln, ob sie nicht vielleicht doch bei der AfD ihr Kreuzchen machen soll – anstatt wie bisher bei der CDU. Man sei ja wirklich nicht gefragt worden, ob man den Euro auch wirklich wolle, überlegt sie laut, während die Wahlkämpfer der AfD beflissen nicken.

    "Also eigentlich stand es für mich fest, aber jetzt muss ich noch mal überlegen."

    Für Frauke Petry ist damit das Tagesziel erreicht. Stammwähler anderer Parteien zum Grübeln zu bringen, dafür ist sie auf Tour.