Donnerstag, 28. März 2024

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Stammzell-Pioniere

Was vor 10 Jahren in Madison, Wisconsin, westlich der Großen Seen gelang, könnte die Medizin revolutionieren. Hier in den Labors von WiCell wurden zum ersten mal embryonale Stammzellen des Menschen gezüchtet. Irgendwann einmal sollen sie zerstörtes Gewebe ersetzen, bei Alzheimer, Parkinson, Herzinfarkt oder Rückenmarksverletzungen. Doch wie weit sind die Arbeiten tatsächlich gediehen? Der Wissenschaftsreporter Michael Lange reist von Wisconsin nach Kalifornien, um nachzuprüfen, was aus den hochfliegenden Plänen geworden ist.

Von Michael Lange | 02.11.2008
    Manchmal gibt es einen Mann.
    Das ist genau der richtige Mann am richtigen Ort.
    Und wenn dieser Ort in Kalifornien liegt,
    dann ist dieser Mann so etwas wie ein Held.

    "Bob is like ... he is bigger than life. You know.... "

    "Bob ist überlebensgroß. Was immer getan werden muss, Bob tut es."

    "... he is an amazing person."

    "Er ist ein erstaunlicher Mensch."

    "Bob is the kind of guy, who knows how to get things done .…"

    "Bob ist der Typ, der weiß, wie man etwas anpackt. Er hat Träume und vage Ideen Wirklichkeit werden lassen."

    ".... his energy, his organisational skills made it all possible."

    "Seine Energie, sein Organisationstalent haben all das möglich gemacht."

    Kalifornier lieben die Show, und sie lieben ihre Helden. Die Macher. Die Pioniere. Aber in dieser Geschichte geht es nicht in erster Linie um Helden, auch nicht um Kalifornien. Es geht um Biotechnologie. Insbesondere um Stammzellen. Und zwar um die umstrittenen embryonalen Stammzellen.
    Aber wenn einer nach Kalifornien reist, ob nun wegen der Stammzellen oder wegen der Sonne, dann kommen die Helden irgendwann von selbst.

    "Es ist wunderbar, all diese großartigen Dinge hier in Kalifornien zu sehen. "

    "California is not only the biotech capitol of America. It is the biotech capitol of the world."

    Kalifornien ist nicht nur die Biotechnologie-Hauptstadt Amerikas, es ist die Biotech-Hauptstadt der Welt. Diese Geschichte endet in Kalifornien, so wie einst der Treck nach Westen, aber sie beginnt viel weiter im Osten.

    Ich bin nach Madison gereist. Dorthin, wo alles angefangen hat. Hier wurden die ersten embryonalen Stammzellen des Menschen gezüchtet.
    Madison – das ist eine Universitätsstadt in Wisconsin. 100 Meilen westlich von Chicago. Hier beginnt der Mittlere Westen. Das heißt: viel Land, viel Mais, viele Kühe, viel Patriotismus, viel Religion - und ein wenig Wissenschaft.

    James Thomson und sein Team von der Universität von Wisconsin verkündeten am 6. November 1998 einen Durchbruch für die Biotechnologie und für die Medizin. Sie hatten als erste embryonale Stammzellen des Menschen gezüchtet. Ein Traum war geboren: Menschliche Zellen, die sich im Labor immer weiter vermehrten. Zellen, die sich auf Kommando verwandeln ließen: in Muskelzellen, in Drüsenzellen, ja sogar in Nervenzellen. Die Möglichkeiten schienen unbegrenzt. Herzinfarkt, Diabetes, Parkinson, Alzheimer. Alles bald heilbar – mit Zellen aus der Retorte. Nur noch eine Frage der Zeit. Das Wort, das alle im Munde führten, lautete: Hoffnung.

    Five-O-Five Rosa Road. Hier - in einem Industriegebiet am Stadtrand von Madison – habe ich das WiCell Research Institute gefunden. Von außen ein zweistöckiges unscheinbares Gebäude. Darin soll sich die nationale Stammzellenbank der USA befinden und das weltweit größte Versandhaus für Stammzellen.

    Der Traum hatte von Anfang an eine dunkle Seite. Wer neue embryonale Stammzellen schaffen wollte, musste dazu einen Embryo töten. Einen frühen Menschen – sagen die einen. Eine nur unter dem Mikroskop sichtbare Zellkugel – sagen die anderen.

    Ich darf sogar in den Lagerraum mit den wertvollen Zellen. Ein kleiner Raum im hinteren Teil des Gebäudes. Kein Tresor, kein Panzerglas, keine Zahlenkombination. Einige Tanks mit flüssigem Stickstoff stehen an der Wand. Und vier Gefrier-Truhen. Darin die kostbaren Zellkulturen. Tausende kleine Plastikdöschen. Tiefgefroren bei minus 196 Grad. Wenn ein Labor irgendwo auf der Welt eine Zellkultur anfordert, wird die Truhe geöffnet, ein Döschen herausgenommen und in spezielle Transportbehälter gepackt.

    Der Leiter der Stammzellenbank Erik Forsberg nimmt einen der Behälter aus dem Regal. Nicht viel größer als ein Plastikeimer, aber deutlich schwerer.

    "Der Behälter mit dem flüssigen Stickstoff befindet sich hier in dieser Transportkiste aus Kunststoff. Ich kann Ihnen das einmal demonstrieren. Dort in dieser kleinen Kapsel sind die Zellen."

    Damit ich die Zellen in voller Pracht anschauen kann, gehen wir in das Ausbildungslabor. Monat für Monat kommen Wissenschaftler aus aller Welt hierher zum Üben.

    Die Wissenschaftlerin Rupa Shevde holt ein Plastik-Schälchen aus einem Brutschrank. Dort lagern und wachsen embryonale Stammzellen bei 37 Grad Celsius. Sie schwimmen in einer rosaroten Flüssigkeit. Mit bloßem Auge erkenne ich nur diffuse weiße Wölkchen. Jetzt legt sie ein Schälchen unter das Mikroskop.

    "Die Zellen sind winzig klein. Sie liegen dicht beieinander und bilden eine Kolonie. Zu einer Stammzellenkolonie gehören jeweils Hunderte oder Tausende Zellen. Diese Zellen hier wurden vor zehn Jahren in Madison erzeugt und wachsen immer noch weiter. Sie gehören zu den Zellen, die wir hier in der Staatlichen Stammzellenbank verwalten. Am Rand der Kolonie sehen Sie dünne, längliche Zellen. Das sind embryonale Gewebezellen von Mäusen. Sie ernähren die menschlichen Stammzellen. Sie füttern sie gewissermaßen. "

    Wie ich erfahre, gibt es bei WiCell zwei Stammzellenbanken: Eine staatliche mit staatlich geförderten Stammzellen – und eine private mit neuen Stammzellen. "Präsidiale" und "Nicht-Präsidiale Zellen," sagen die Forscher. Beide darf ich mir unter dem Mikroskop anschauen. Die Unterschiede sind wohl nur für Profis zu erkennen.

    Auch bei Stammzellen gibt es in Amerika die Guten und die Bösen. Staatliches Geld gibt es nur für gute "präsidiale" Zellen. Sie wurden vor dem 1. August 2001 aus Embryonen hergestellt. Auf einer Liste der staatlichen Gesundheitsbehörde sind sie aufgezählt. Alles, was später kam, sind "nicht-präsidiale" Zellen. Böse Zellen. Für sie gibt es natürlich kein staatliches Geld. Das ist die Einteilung, wie sie die Regierung in Washington vorgibt. - In der Sonne Kaliforniens sieht man das anders.

    Über 3000 Kilometer bin ich nach Westen gereist – nach San Diego. Bis zum Pazifik ist es nicht mehr weit. Überall, wo man hinsieht: Forschungsinstitute. Und hinter den Mauern und Glasfassaden forschen mehr Stammzellenforscher als sonstwo auf der Welt. Dahinter steckt eine "Pro-Stammzellen-Bürgerinitiative" und der Gouverneur Arnold Schwarzenegger. Letztlich entschieden aber haben die Wähler. Sie stimmten zu über 60 Prozent dafür, drei Milliarden Dollar staatliches Geld auszugeben für Forschung mit embryonalen Stammzellen. So wurde Kalifornien zum Stammzellen-Paradies. Geklagt wird über die da in Washington.

    "Die staatlichen Richtlinien und Beschränkungen waren nervend und sinnlos."

    Ich spreche zunächst mit Larry Goldstein von der Universität von Kalifornien in San Diego.

    "Das Ziel der Bush-Regierung war doch, dass weniger Embryonen zerstört werden sollten. Das haben sie nicht erreicht. Nur eines haben sie geschafft: Die Forschung wurde gebremst und unsere Arbeit unnötig komplizierter gemacht. Dass die Regierung nur bestimmte Stammzellen fördert, hat doch nur zur Folge, dass die besten und talentiertesten Wissenschaftler nicht mit dem besten Material arbeiten können. Und dort, wo genug privates Geld fließt, um auch die ‚nicht präsidialen‘ Stammzellen zu erforschen, da hat die Politik die Kosten in die Höhe getrieben. Denn alles, jeder Labortisch und jede Pipette, muss ja doppelt vorhanden sein, damit auch garantiert kein staatliches Geld für Forschung mit ‚nicht-präsidialen Zellen‘ ausgegeben wird. Das alles bringt doch überhaupt nichts. Das ist dumm und sinnlos."

    Stammzellenähnliche menschliche Zellen lassen sich seit einem Jahr auch ohne Embryonen herstellen – aus Körperzellen. Hautzellen zum Beispiel werden mit Gentechnik so manipuliert, dass sie sich wie embryonale Stammzellen teilen und umwandeln können. Werden diese so genannten IPS-Zellen die embryonalen Stammzellen demnächst ablösen, frage ich Larry Goldstein. Die Antwort fällt eindeutig aus.

    "Nein, die IPS-Zellen können embryonale Stammzellen nicht ersetzen. Sie sind nicht identisch, und deshalb brauchen wir beide. Das ist, wie mit einem Werkzeugkasten. Ein Handwerker mit nur einem Werkzeug kann nicht viel machen. Er braucht mehrere Werkzeuge und gutes Werkzeug. Und so ist das auch, wenn man Krankheiten verstehen und heilen will."

    Wer lässt sich schon gerne in seine Arbeit hineinreden. Und dann auch noch von Politikern, die von Wissenschaft nichts verstehen. Aber als Forscher braucht man sie nunmal: die Politik. Zumindest als Geldgeber.
    Ich treffe die Stammzellenforscherin Jeanne Loring im Scripps-Institut in La Jolla, nördlich von San Diego. Während wir uns über ihre Forschung unterhalten, fliegt ein Düsenjet nach dem anderen über das Scripps-Institut.

    "Wenn ich das Geld hätte, das so ein Jet kostet, könnte ich so manche Krankheit heilen."

    Nicht nur die Politiker im fernen Washington machen Stammzellenforschern wie Jeanne Loring das Leben schwer. Die Patente, die sich zum Beispiel die Forscherkollegen aus Wisconsin gesichert haben, verhindern ihrer Ansicht nach, dass Pharma-Firmen sich in der Stammzellenforschung engagieren. Loring:

    "Embryonale Stammzellen sind patentiert. Das bedeutet: Jeder in den USA, der diese Zellen benutzt oder erforscht, muss eine Lizenz besitzen. Die muss man in Wisconsin beantragen. Und sobald man irgendetwas kommerzielles mit den Stammzellen macht und Geld verdient, wollen die Patentinhaber ihren Anteil."

    Die Pharma-Industrie steigt deshalb nicht in die Stammzellenforschung ein, weil sie im Falle von späteren Gewinnen zu viel abgeben müsste, erklärt Jeanne Loring. Da investiert man doch lieber in klassische Wirkstoffe, die man in der Apotheke verkaufen kann, als in lebende Zellen. Und sollten Stammzellen irgendwann tatsächlich Menschen heilen, dann ist immer noch nicht klar, wie ein Unternehmen damit Geld verdienen kann. Stammzellenforscher sind also angewiesen - auf staatliches oder privates Geld.

    Einer war bereits ein Held, bevor er sich mit Stammzellen und Biotechnologie beschäftigte: Er war Mister Universum und Hollywoodstar: Arnold Schwarzenegger. Als Gouverneur von Kalifornien kam er in die Forscherhochburg La Jolla und eroberte die Wissenschaftler-Herzen im Sturm. Jeanne Loring:

    "Ich setzte ihn vor das Mikroskop und zeigte ihm einige Herzmuskelzellen, die wir aus embryonalen Stammzellen gezüchtet hatten. Er war sofort fasziniert und rief: Sie bewegen sich! Und es stellte sich heraus: Er wußte fast alles über Muskelzellen. Wir haben Arnold Schwarzenegger sehr viel zu verdanken. Er und Bob Klein sind beide furchtlos."

    Bob Klein, der Held der Stammzellenforscher. Da ist er wieder. In einem Atemzug genannt mit dem Superstar und Gouverneur Arnold Schwarzenegger. Bob Klein ist Jurist, gelernter Anwalt, Familienvater und Immobilien-Investor. Eigentlich nicht die besten Voraussetzungen, um zum Helden zu werden. Doch 2004 gründete Bob Klein eine Bürgerinitiative und machte sich zu ihrem Anführer. Er setzte sich für die Stammzellenforschung in Kalifornien ein und erreichte eine Volksabstimmung über "Embryonale Stammzellen".

    Schwarzenegger:

    "Almost sixty per cent of the people said yes to proposition 71. They said yes to three billion dollar for stem cell research."

    Jeanne Loring:

    "Das hat mich sehr beeindruckt. Die Wähler von Kalifornien haben sich zu über 60 Prozent dafür entschieden, die Stammzellenforschung über zehn Jahre hinweg mit drei Milliarden Dollar zusätzlich zu fördern. Das hat uns immens geholfen. Ich kann alle Stammzellen erforschen, die ich brauche, und bin nicht gebunden an irgendwelche Vorgaben aus Washington. Alles, was Sie hier in diesem Labor sehen, wurde vom Staat Kalifornien bezahlt."

    Schwarzenegger:

    "Biotechnologie. Das sind nicht nur Leute in weißen Kitteln, die ihre Forschung betreiben. Biotechnologie ist ein Geschäft. Und sie wird das Leben von Milliarden Menschen verbessern. Das ist ein großartiger Kurs. Es ist mein Kurs. Und Kalifornien wird diesen Kurs unterstützen. Immer zu 100 Prozent."

    Kalifornien ist das Land des Goldrauschs. Hier kann jeder sein Glück machen. Auf die da oben hat man hier noch nie gewartet. Auf eigene Faust loslegen. Das ist Kalifornien. Kein Wunder, dass nirgends sonst so viele Biotechnologie-Firmen aus dem Boden schießen wie zwischen San Diego und San Francisco.

    Die ersten Biotechnologie-Unternehmen entwickeln mittlerweile praxisreife Therapien – mit embryonalen Stammzellen. Geron in San Francisco will seine Zellen an Rückenmarksverletzten erproben. Aber die Zulassungsbehörde zögert noch. Ein Misserfolg wäre fatal für das ganze Forschungsfeld. Ein anderes Unternehmen ist ebenfalls auf dem Weg in Richtung Praxis: Die Firma Novocell in San Diego. Hier will man eine Diabetes-Therapie entwickeln.

    "Der ganze Hype und all die Hoffnungen, die sich von Anfang an um die embryonalen Stammzellen gerankt haben, werden jetzt nach und nach Realität."

    Emmanuel Baetge ist Forschungschef bei Novocell. Aus embryonalen Stammzellen will er Pankreaszellen machen. Zellen der Bauchspeicheldrüse sollen im Labor heranwachsen – zur Behandlung von Diabetes-Patienten.

    Wir gehen durch einen Gang in eines der Labors. Eine Mitarbeiterin sitzt vor einem Mikroskop. Baetge:

    "A little baby pancreas made of embryonic stem cells. Look under the microscope!"

    Die Mitarbeiterin entfernt noch etwas Fettgewebe und legt den Blick frei auf die winzige Bauchspeicheldrüse – gezüchtet aus embryonalen Stammzellen. Sie wird in eine Maus transplantiert werden und dort Insulin produzieren. Noch ist nicht klar, ob die Stammzellen Diabetespatienten wirklich heilen können. Wahrscheinlich müssten selbst bei einem Erfolg immer wieder neue Zellen gespritzt werden. Baetge

    "Wir glauben, dass wir mittlerweile ein fertiges Konzept für ein Produkt zusammenhaben. Nun müssen wir es weiterentwickeln, so dass die Zellen stets in gleicher Qualität mit vergleichbarem Erfolg verpflanzt werden können. Und zwar ohne Risiko. Ich schätze: In zwei bis drei Jahren können wir uns an die Zulassungsbehörde wenden, um die ersten klinischen Versuche zu starten."

    Das wäre die erste Therapie mit embryonalen Stammzellen gegen Diabetes.

    Pioniere sind besondere Menschen – insbesondere in den USA. Dorthin zu gehen, wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist, wer würde das nicht gerne. Aber jeder Schritt in unbekanntem Land ist riskant. Da braucht es Pioniere.

    Als ich Novocell verlassen möchte, fällt mein Blick auf eine Tafel im Gang. In großen Buchstaben steht dort geschrieben: "Ein neuer Tag, eine neue Entdeckung." Unterschrieben mit "Captain Stem Cell". Aber wer ist "Captain Stammzelle"?

    "Oh, Captain Stem Cell. Why he became known als Captain Stem Cell?"

    Emmanuel Baetge weist auf seinen Mitarbeiter Evert Kroon, der gerade vorbeikommt. Doch der wehrt ab.

    ".... he is an unknown entity. He is like a hidden superhero."

    Captain Stem Cell – ein unbekanntes Wesen? Ein Superheld im Verborgenen? Baetge:

    "I show you a picture!"

    Emmanuel Baetge lüftet das Geheimnis. Ein Zeitungsausschnitt an der Pinnwand. Mit einem Diaprojektor hat der Fotograf aus dem Wissenschaftler Kroon einen futuristisch aussehenden Superhelden gezaubert: Captain Stem Cell eben.

    Die Stammzellenforschung hat viele Pioniere hervorgebracht. Wissenschaftler, die Neuland erkunden. Viele von ihnen Querdenker: Mavericks. Einer von ihnen sticht hervor: Der große alte Herr der kalifornischen Stammzellenforschung. Man könnte auch sagen: der Pate. Amerikanisch klingt das noch besser: "Godfather of Stem Cells".

    Ich finde Irving Weissman in seinem kleinen vollgepackten Büro an der Stanford-Universität. Seine Assistentin im Vorzimmer ist etwa genau so alt wie er. Eigentlich müssten beide längst pensioniert sein. Noch ein wichtiger Anruf. Dann hat Irving Weissman Zeit für mich.

    " Bob Klein? Hi Bob!"

    Bob Klein ist am Apparat.

    "Terrific. Terrific. Good. Oh, that´s wonderful. I have to talk to"

    Irving Weissman ist ganz aus dem Häuschen. Anscheinend sprechen die beiden über Forschungsförderung und eine neue Idee. Es hat irgendwas mit der Umsetzung von Laborergebnissen in die klinische Praxis zu tun.

    "Good! Have a good day!"

    Wir suchen einen Raum, um uns in Ruhe zu unterhalten. Irving Weissman ist immer noch ganz aufgekratzt.

    "Normalerweise machen wir an der Universität zwar die wichtigen Entdeckungen, aber dann sind die Unternehmen an der Reihe. Sie bringen das Produkt auf den Markt oder die Heilmethode in die Klinik. Wir haben dann nichts mehr damit zu tun. Das wollen wir ändern. Wir bilden jetzt Teams, die nach neuen Behandlungsmethoden für bestimmte Krankheiten suchen. Denn die Firmen und die Investoren verstehen einfach nichts von Stammzellen-Forschung."

    "Knock knock knocking on heaven‘s door, knock knock knocking..…"

    Ein Straßenmusikant in der Innenstadt von San Francisco.

    "I feel good. I know that I should."

    Die Touristen haben Zeit. Sie stehen Schlange, um einen Platz in der berühmten Cable Car zu bekommen.

    " .....so good. So good. I feel nice .…"

    Einige Minuten Fussweg. Dann - zwischen einem Buchladen und einer Pizzeria - finde ich einen Eingang. Die Aufschrift über der Tür verrät: Kalifornisches Institut für Regenerative Medizin.

    Wer Träume in Wirklichkeit verwandeln will – oder auch nur Entdeckungen in Produkte – braucht vor allem eines: Geld. Viel Geld. Seit Anfang des Jahres fließt das Geld für die kalifornischen Stammzellenforscher. Und der Hüter des Schatzes ist das CIRM. Oder auch: Cirm.

    Im zweiten Stock stehe ich plötzlich in einem Parkhaus. Aber im dritten bin ich richtig. Ein Flur mit Büros. Einige werden gerade erst eingerichtet. Vor etwa einem Jahr hat das Cirm seine Arbeit begonnen. Hier wird entschieden, wer Geld aus dem 3-Milliarden-Topf der kalifornischen Regierung erhält. Der Pressesprecher Don Gibbons begrüßt mich.

    Bob Klein ist noch beschäftigt. Aber ich kann vorher mit Alan Trounson sprechen. Arnold Schwarzenegger:

    "Superstar Alan Trounson. The new President of Cirm. An amazing scientist, who is one of the true pioneers of in-vitro-fertilisation."

    Noch ein Superstar – noch ein Pionier. Der australische Reproduktionsbiologe Alan Trounson ist Anfang des Jahres als neuer Präsident ans Cirm gekommen. Schwarzenegger:

    "…. for what he calls the best stem cell job in the world. Right here in California."

    "We recognised that Jamie Thomson …."

    Reporter:
    Ruhig ist es nicht im Büro des Cirm-Präsidenten Alan Trounson. Er hat eine beeindruckende Karriere als Wissenschaftler hinter sich. Fast hätte sein Team in Australien vor zehn Jahren die ersten embryonalen Stammzellen des Menschen gezüchtet. Aber es fehlten einige Daten, und die Konkurrenz in Wisconsin war schneller. Nun hat der australische Wissenschaftler eine neue Aufgabe übernommen. Trounson:

    "Bob Klein kam auf mich zu und fragte, ob ich das machen wolle. Und ich dachte mir: Das ist möglicherweise der beste Stammzellen-Job der Welt. Uns stehen 300 Millionen Dollar im Jahr zur Verfügung. Hier haben wir die Möglichkeit, eine Revolution in der Medizin auszulösen. Ich dachte: Das ist phantastisch. Eine Herausforderung, die ich annehmen will."

    "When we talk about building teams. It‘s about …."

    Während ich mit Alan Trounson spreche, kommt ein Mann ganz leise in den Raum. Konservativ gekleidet: Dunkler Anzug mit Krawatte. Alles sitzt korrekt. Der Mann - um die 60 - setzt sich zu uns an den Tisch und scheint aufmerksam zuzuhören. Nach ein paar Minuten beginnt er mitzudiskutieren.

    "Wir suchen nach Wegen, um schneller von einer Entdeckung in die Klinik zu gelangen. Unter Einhaltung aller Richtlinien. Es ist wichtig für alle Patienten und deren Angehörige, dass wir schneller mit Studien am Patienten beginnen."

    Das also ist Bob Klein. Der Vorsitzende des Cirm-Bürgerkommittees. Jurist, Immobilien-Investor - inzwischen aber auch Fachmann für Stammzellen.

    "Ich bin ein engagierter Student in diesen Fragen. Dr. Trounson ist der Experte. Ich habe einen jungen Sohn mit Diabetes 1. Die erbliche Form der Krankheit, bei der das eigene Immunsystem die insulinbildenden Zellen zerstört. Das kann zu Nierenschäden, Erblindung oder anderen schweren Leiden führen. Als Vater habe ich mich in einem Patientenverband engagiert und mich in Washington beim Senat für verstärkte Diabetes-Forschung eingesetzt. Aber die Leute von der staatlichen Gesundheitsbehörde sagten mir ganz klar: Diese Krankheit ist auf absehbare Zeit nicht heilbar. Das größte Potential liegt in den neuen embryonalen Stammzellen. Aber da werden wir von der Regierung Bush ausgebremst. Das dürfen wir nicht fördern."

    "Chronic disease is tragic. It is a tragic and devastating experience."

    So begann Bob Kleins Kampf. Nicht für die Stammzellenforschung. Das betont er immer wieder. Für die chronisch Kranken.

    "To meet the challenge of chronic disease."

    Bob Klein ist ein Jedermann. Freundlich, souverän, aber keinesfalls charismatisch. Ein wenig bin ich enttäuscht. Er könnte auch der Filialleiter meiner Sparkasse sein oder Versicherungsvertreter.

    Zwei Dinge braucht es. Dann wird aus einem Normalbürger vielleicht so etwas wie ein Held: Eine gute Sache. Oder zumindest eine Sache, an die man glaubt. Und einen starken Gegner. Bob Klein glaubt an neue Heilmethoden für seinen Sohn und alle chronisch Kranken. Und auch den starken Gegner gibt es: den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Klein:

    "Acht Jahre lang wurden viele Anstrengungen behindert durch eine religiöse Ideologie des Präsidenten, die er dem Land aufgedrückt hat. Das ist unverantwortlich."

    Bald wird der Präsident nicht mehr Bush heißen. Die US-Biotechnologie erwarten auf jeden Fall "bessere Zeiten". Obama oder McCain? Beide gelten als forschungsfreundlich. Das Paradies für Stammzellenforscher jedoch dürfte Kalifornien bleiben. Schwarzenegger:

    "I just want to take a moment and say: thank you very much to Bob Klein."

    Krankheiten sind besiegbar, im Prinzip.
    Glück ist machbar. Manchmal.
    Das ist der kalifornische Traum.

    "So, thank you very much to Bob Klein."

    "Thank you very much for listening and thank you for being here today. Thank you!"

    Den 2. Teil der Reihe hören Sie in einer Woche: Die Klon-Cowboys. Dollys Erben im "Wilden Westen" der USA. In Wissenschaft im Brennpunkt, am nächsten Sonntag um 16 Uhr 30.

    Hinweis: Den zweiten Teil von Michael Langes Reisereportage über die Klon-Cowboys aus den USA können Sie am Sonntag, 9. November, 16:30 Uhr, in "Wissenschaft im Brennpunkt" im Deutschlandfunk hören.

    Lesen Sie auch das Reisetagebuch unseres Reporters.