Archiv


Stammzellen für die Forschung

Heute wollte der Hauptausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft über den ersten Antrag deutscher Wissenschaftler zur Forschung mit menschlichen, embryonalen Stammzellen entscheiden. Aber die Entscheidung wird voraussichtlich auf Eis gelegt. Der Nationale Ethikrat und die Politik sollen Gelegenheit erhalten, über die umstrittene medizinische Forschung zu diskutieren. Unterdessen meldet der Spiegel, dass eine amerikanische Firma längst embryonale Stammzellen nach Deutschland geliefert hat. Wer die Empfänger sind, ist bislang nicht bekannt.

Michael Lange |
    Die Zellen in einer Flasche sind nur unter dem Mikroskop zu sehen. Sie schwimmen in einer rosa Nährflüssigkeit. Es handelt sich um embryonale Stammzellen. Gewonnen aus einem frühen Embryo. Einem kugelförmigen Gebilde, der Blastocyste, aus der später Fötus und Placenta entstehen.

    Durch die Behandlung mit bestimmten Biomolekülen ensteht aus einigen Zellen dieser Blastocyste eine Zellkultur. Zellen, die im Labor wachsen und sich vermehren: Menschliche, embryonale Stammzellen. Die meisten Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich aus diesen Zellen kein Mensch mehr entwickeln kann. Endgültig geklärt ist diese Frage freilich nicht.

    Aber diese menschlichen, embryonalen Stammzellen besitzen eine Fähigkeit, die sie zu Hoffnungsträgern für die Medizin macht. Sie haben sich noch nicht spezialisiert, und können sich noch zu den verschiedensten Zelltypen weiterentwickeln: Zu Nervenzellen, Muskelzellen, Leberzellen und so weiter. Diese Vielseitigkeit macht sie zunächst einmal zu einem interessanten Forschungsobjekt für Wissenschaftler - wie den Bonner Neuropathologen Oliver Brüstle.

    Wenn diese Zellen einmal gewonnen sind, lassen sie sich ... zu unbegrenzten Mengen vermehren. Das heißt: Wir gehen davon aus, dass hier wenige Zellininien genügen könnten, um beispielsweise sämtliche Labors in Europa mit genügend Zellen versorgen zu können, um diese vielversprechende Stammzelltechnologie weiterverfolgen zu können.

    Viele Mediziner betrachten die Stammzellen als ideales Reparaturmaterial für den kranken Organismus, dessen eigene Zellen nicht mehr richtig funktionieren. Ein Beispiel: Bei Diabetikern arbeiten die Zellen in der Bauchspeicheldrüse nicht mehr richtig, die das Hormon Insulin herstellen. Insulin steuert den Zuckerstoffwechsel, und wenn es fehlt, reichert sich Zucker im Blut der Patienten an.

    Stammzellen könnten - wenn sie in die Bauchspeicherdrüse verpflanzt würden - die defekten Zellen ersetzen. Sie würden lernen, Insulin zu produzieren und den Zuckerstoffwechsel wieder in Ordnung zu bringen. So jedenfalls die Vision. Bisher gibt es einige erfolgversprechende Tierversuche - mehr nicht. Aber um die Möglichkeiten besser auszuloten, müssen jetzt menschliche Zellen erforscht werden - so die Wissenschaftler.

    Da die Gewinnung dieser Zellen aus Embryonen in Deutschland verboten ist, wollen die Forscher die Zellen aus dem Ausland importieren. Denn die embryonalen Stammzellen selbst sind keine Embryonen mehr - fallen also nicht unter das Embryonenschutzgesetz. Juristisch korrekt, aber ethisch nicht akzeptabel, sagt Eve-Marie Engels vom Zentrum für Ethik in den Biowissenschaften an der Universität Tübingen.

    Es ist und bleibt verbrauchende Embryonenforschung. Auch wenn das jetzt im Ausland gemacht wird. Und der Import von embryonalen Stammzellen ist eine juristisch unproblematische Lösung. Wir müssen uns aber im Klaren sein, dass die ethischen Probleme damit nicht gelöst sind. Und das ethische Problem ist der Verbrauch von Embryonen für fremdnützige Zwecke.

    Ethisch unbedenklich sind so genannte adulte Stammzellen. Jeder Mensch trägt sie in seinem Körper: zum Beispiel Blutstammzellen, aus denen verschiedene Blutzellen heranreifen, oder Leberstammzellen, aus denen die verschiedenen Leberzellen werden. Wenn es gelingt, diese Stammzellen im Labor zu züchten, und ihre Entwicklung zu steuern, könnte jeder Patient seine eigenen Stammzellen spenden und sich damit behandeln lassen. Es gibt aber noch viele Probleme, denn im Labor sind die adulten Stammzellen längst nicht so anpassungsfähig wie die embryonalen Stammzellen. Aber das kann sich ändern, denn viele Wissenschaftler arbeiten daran.