Freitag, 03. Mai 2024

Archiv


Stammzellen für jedermann?

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft plädiert seit Längerem für eine Lockerung der Auflagen bei der Forschung mit embryonalen Stammzellen. Welche Konsequenzen in dieser Frage aus der gelungenen Umprogrammierung und Verjüngung erwachsener Stammzellen zu ziehen sind, darüber jedoch gehen in der Forschungswelt und in der Politik die Meinungen auseinander. Der Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth erläutert die Diskussion im Gespräch mit Gerd Pasch.

Moderation: Gerd Pasch | 21.11.2007
    Pasch: Embryonale Stammzellen, das ist nicht nur ein Thema für die Forschung, hier diskutiert auch die Politik heftig über das Für und Wider einzelner Experimente. Erst kürzlich haben einige Bundestagsabgeordnete dafür plädiert, die strenge deutsche Regelung der Forschung mit embryonalen Stammzellen zu lockern. Das Thema steht also auf der Tagesordnung, da ist es kein Wunder, dass Vertreter aller Parteien schnell auf die beiden Artikel in "Science" und "Cell" reagiert haben. Wie schätzen denn die Politiker diese neuen Ergebnisse ein?

    Wildermuth: Man ist sich einig, dass es sich hier wirklich um einen wichtigen Durchbruch handelt, aber man ist sich völlig uneinig darüber, was daraus für Konsequenzen zu ziehen sind. Die Gegner der Forschung mit embryonalen Stammzellen sagen: Wir haben es Euch doch schon immer gesagt, das ist ganz überflüssig. Wir können mit den Zellen eines Erwachsenen genauso gute Erfolge erzielen - und fordern im Grunde striktere Regelungen. Ganz anders die Vertreter der Forschungslobby. Die sagen: Das Beispiel zeigt, welches Potenzial die Forschung bietet, wie viel Neues es da gibt. Das müssen wir auf breiter Ebene fördern, und wir müssen eben auch die Arbeit mit embryonalen Stammzellen nach wie vor weiter fördern. Also es ist völlig unklar, welche Schlussfolgerungen man aus diesem Experiment ziehen soll.

    Pasch: Was sagen denn die deutschen Forscher selbst?

    Wildermuth: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hatte angeregt, die strenge Regelung in Deutschland zu lockern. Sie sieht sich bestätigt. Sie sagt: Diese neuen Zellen, die wir da erzeugt haben, bieten ein großes Potenzial, aber wie groß dieses Potenzial wirklich ist, das lässt sich nur abschätzen, wenn man sie vergleicht mit den embryonalen Stammzellen. Das heißt, wenn die selbst in Zukunft einmal die Arbeit mit embryonalen Stammzellen ersetzen sollten, im Moment sind eher sogar noch mehr Experimente mit embryonalen Stammzellen nötig, um dieses Potenzial im Vergleich wirklich abschätzen zu können.

    Pasch: Die embryonalen Stammzellen sind ja nicht der einzige strittige Punkt. Verändert sich auch die Debatte um das Forschungsklonen?

    Wildermuth: Mit Sicherheit. Das ist ja gerade schon angeklungen. Beim Forschungsklonen sollen Zellen erzeugt werden des Patienten selbst, die nicht abgestoßen werden. Man geht also ähnlich vor wie bei Dolly, nur dass man eben keinen Organismus hervorwachsen lässt, sondern einen Embryo direkt zerstört. Ian Wilmut, der Vater von Dolly, ist von dieser Methode sehr angetan. Er wollte das in seinem Labor machen. Er hat jetzt die neuen Artikel gelesen und hat jetzt seine eigenen Experimente erst mal gestoppt, will diese neue Methode erproben. Weil: Damit hat er einmal das ethische Problem geknackt. Er muss kein Embryo zerstören. Das umstrittene Klonen fällt weg. Und auf der anderen Seite ist es auch noch viel effektiver, viel praktischer, und von daher glaube ich, dass diese Experimente wirklich das Ende des Forschungsklonen einläuten. Da scheint es sich um eine Sackgasse der Forschung zu handeln. Die neuen Wege scheinen schneller und effizienter zu sein.

    Pasch: Steht denn jetzt eine Therapie mit diesen Zellen unmittelbar bevor?

    Wildermuth: Leider nein. Das ist ja im Grunde das Grundproblem dieses ganzen Forschungsfeldes. Die embryonalen Stammzellen, im Tierversuch sind sie wirklich in der Lage, eine ganze Reihe von Krankheiten zu heilen, defektes Gewebe zu regenerieren, zu ersetzen. Das ist ganz toll und beeindruckend, aber wir brauchen uns hier nur an die Gentherapie zu erinnern. Auch eine Methode mit viel Vorschusslorbeeren bedacht, die jetzt ein Nischendasein führt. Also der entscheidende Faktor ist immer noch die klinische Studie an Menschen. Man kann von der Maus in diesem Fall nicht so einfach auf Erfolge beim Menschen schließen. Diese Hürde müssen die embryonalen Stammzellen noch nehmen. Die werden auch diese neuen Zellen noch nehmen müssen. Da gibt es noch viel Forschungsarbeit zu tun, bei beiden Zelltypen. Aber was diese neuen Zellen jetzt doch ermöglichen, ist: Sozusagen jeder Forscher kann sie erzeugen, das ist relativ einfach. Damit gibt es vielleicht mehr Forschung am Erbkrankheiten, man kann die Zellen eines Patienten nehmen, sie mit dieser neuen Methode verjüngen und sozusagen das Entstehen dieser Krankheit von Anfang an beobachten. Und durch dieses Studium lassen sich vielleicht schneller neue Medikamente entwickeln, schneller, als dass es wirklich möglich sein wird, tatsächlich in der Therapie einzusetzen. Und das gilt sowohl für die embryonalen Stammzellen als auch für diese neuen verjüngten Zellen des Erwachsenen.