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Stammzellentherapie
Mit IPS-Zellen gegen Parkinson

Bei der Behandlung von Parkinson setzt die Forschung seit Längerem Hoffnungen in die Stammzellentherapie. Nun haben japanische Forscher sogenannte IPS-Zellen erfolgreich bei Affen getestet. Eine klinische Studie soll folgen.

Von Michael Lange | 31.08.2017
    Die undatierte mikroskopische Querschnittsaufnahme eines ganzen cerebralen Organoids zeigt die Entstehung verschiedener Hirnregionen. Die etwa vier Millimeter großen dreidimensionalen Modelle bilden die frühe Entwicklung des menschlichen Gehirns nach. Ausgangspunkt für die Versuche eines waren zunächst embryonale Stammzellen.
    Um die Versuchstiere zu behandeln, haben Stammzellenforscher ihnen IPS-Zellen ins Gehirn gespritzt. Im Bild sind cerebrale Organoide zu sehen. (Madeline A. Lancaster/nature)
    Javaneraffen gehören zu den Makaken. Sie werden etwa 50 Zentimeter groß und bis zu fünf Kilogramm schwer. Im Labor der Universität Kyoto in Japan dienen sie als Modell zur Erforschung von Therapien gegen die Parkinson-Krankheit. Die Versuchstiere zittern und bewegen sich nur ruckartig. Ihre Dopamin-bildenden Zellen im Inneren des Geirns, die auch bei Parkinson-Patienten defekt sind, wurden durch Giftstoffe zerstört. Um sie zu behandeln, haben Stammzellenforscher ihnen Zellen ins Gehirn gespritzt. Dorthin, wo der Botenstoff Dopamin gebraucht wird. Die Ergebnisse waren eindeutig, berichtet der Leiter der Studie Jun Takahashi von der Universität Kyoto in einer Email: "Die Affen wurden nach der Behandlung aktiver. Vermehrt traten spontane Bewegungen auf. Sie bewegten sich schneller und flüssiger."
    Durch vergleichende Videoanalysen konnte Jun Takahashi zeigen, dass die Symptome von Woche zu Woche schwächer wurden. Der Blick ins Innere des Gehirns zeigte: Viele Zellen hatten zwei Jahre lang überlebt. Sie produzierten Dopamin und hatten Kontakt aufgenommen mit anderen Zellen des Nervensystems.
    Dopamin-Neurone aus IPS-Zellen
    Ein wichtiger Schritt in Richtung klinische Praxis, kommentiert der Neurowissenschaftler und Stammzellenforscher Oliver Brüstle vom Institut für Rekonstruktive Neurobiologie der Universität Bonn. Er war nicht an der Studie beteiligt, arbeitet aber selbst seit vielen Jahren auf dem Gebiet: "Nach allem, was man jetzt aus den Daten lesen kann, hat es geklappt. Man kann nachweisen, dass die Zellen überleben. Man kann nachweisen, dass in speziellen Untersuchungen in der Positronen-Emissions-Tomografie diese Transplantate funktionell sind. Aber das stärkste Argument für das Funktionieren ist tatsächlich die Beobachtung der verbesserten Bewegungsstörungen bei diesen Tieren."
    Die Zellen, die die japanischen Forscher ins Gehirn der Tiere gespritzt hatten, stammen aus der menschlichen Haut und wurden dann reprogrammiert zu IPS-Zellen – zu induzierten pluripotenten Stammzellen. Diese Zellen besitzen ähnliche Eigenschaften wie embryonale Stammzellen. Die japanischen Stammzellenforscher brachten sie dazu, sich in Dopamin produzierende Nervenzellen zu verwandeln. Anschließend verpflanzten sie die menschlichen Zellen in die Gehirne der Javaneraffen: "Wobei sie das meines Erachtens sehr sorgfältig gemacht haben. Sie haben nicht nur IPS-Zellen von Gesunden genommen, sondern auch von Patienten eingesetzt. Haben also aus Gesunden wie aus Parkinson-Patienten IPS-Zellen gemacht, daraus Dopamin-Neurone gemacht und in das Affenmodell transplantiert. Und konnten übrigens zeigen, das von Gesunden und von Parkinson-Patienten gewonnene IPS-Zellen gleichermaßen in diesem Modell funktioniert haben."
    Klinische Ergebnisse erst in einigen Jahren erwartbar
    Tumoren, wie sie durch unkontrollierte Zellteilung entstehen können, fanden die Forscher nicht. Und eine zweite Studie zeigte: Die Abstoßungsreaktion durch das Immunsystem des Empfängers ist gering und mit Medikamenten kontrollierbar.
    Bleibt die Frage: Wie realistisch ist das Tiermodell? Bei den Versuchstieren wurden die Dopamin bildenden Zellen durch eine Vergiftung plötzlich zerstört. Bei Parkinson-Patienten hingegen gehen diese Zellen nach und nach zu Grunde. Deshalb ist nicht klar, inwieweit die Ergebnisse wirklich auf den Menschen übertragbar sind. Diese Frage lässt sich allerdings nicht im Tierversuch klären, kommentiert Oliver Brüstle von der Universität Bonn: "Der nächste denkbare Schritt ist jetzt eigentlich die Anwendung am Menschen."
    So sehen es auch die Forscher an der Universität Kyoto. Sie planen bereits eine erste klinische Studie mit Parkinsonpatienten. Der Studienleiter Jun Takahashi teilt auf Anfrage mit:
    "Ich hoffe, dass wir Ende 2018 mit einer klinischen Studie beginnen können. Der erste Schritt wird darin bestehen, die Sicherheit dieses Ansatzes zu bestätigen."
    Bis Aussagen über die Wirksamkeit der verpflanzten Zellen vorliegen, wird es voraussichtlich weitere drei bis vier Jahre dauern.