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Stan Douglas
Hauptsache, der Name stimmt?

Eine Ausstellung in München beleuchtet zur Zeit das Werk des Künstlers Stan Douglas. Und das wurde zuletzt immer abwechslungsreicher: Theater, Musik, Film, Fotografie - der Kanadier experimentiert, überzeugt dabei aber nicht immer.

Von Julian Ignatowitsch | 22.06.2014
    Eine Frau betrachtet 2007 im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart die Zweikanal-Videoinstallation "Win, Place or Show" von Stan Douglas.
    Eine Frau betrachtet 2007 im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart die Zweikanal-Videoinstallation "Win, Place or Show" von Stan Douglas. (dpa/Marijan Murat)
    Stan Douglas experimentiert neuerdings mit und zwischen den Medien. "Circa 1948" kommt wie ein animiertes Computer-Rollenspiel aus der Ego-Perspektive daher. Der Nutzer, oder besser gesagt: Spieler, bewegt sich wahlweise durch eine düstere Gasse im Arbeiterviertel der kanadischen Küstenstadt Vancouver oder durch das schon abbröckelnde Grand Hotel der Stadt, das seine besten Tage längst hinter sich hat. Immer auf der Suche nach Gegenständen, hinter denen sich Geschichten der Vergangenheit verbergen:
    "There's your coffee"
    "I take a little cream and sugar."
    "What brings you to the hotel?"
    "I've been told there is a book keeper here."
    "Oh, I don't know about that."
    "You don't know Percy Wallace?!"
    Soweit ist das ganz nett und kurzweilig. Was daran große Kunst ist, bleibt aber offen - auch wenn man mehrfach darauf hingewiesen wird, dass es sich her um ein mehr oder minder bedeutendes Kunstprojekt handelt. Schließlich warten heutzutage die meisten Computer- und Konsolen-Spiele mit einer umfangreichen Erlebniswelt und einem ebenso gut ausgearbeiteten Plot auf.
    Aber zurück zu Douglas und der Ausstellung. "Circa 1948" steht exemplarisch für zwei zentrale Themen in Douglas Oeuvre: Zum einen beschäftigt ihn seine Heimstadt Vancouver, zum anderen die Nachkriegszeit, die der 1960 geborene Künstler zwar nicht selbst erlebt hat, aber in seinen Bildern rekonstruiert hat. Kurator Leon Krempel:
    "Sie basieren auf sehr genauer Recherche, historischer Recherche. Er steigt in die Archive hinab, studiert historische Fotografien und bedient sich bei der Kostümierung der Figuren historischer Requisiten. Aber er ist kein Historienmaler und keiner der Geschichte verklärt. Die historische Akkuratesse ist Teil seines eleganten Stils."
    Da ist z.B. die 29-teilige Schwarzweißserie "Midcentury Studio", in der Douglas den Fotojournalismus der Nachkriegszeit zum Leben erweckt: Wir sehen eine mit Zeitung bedeckte Leiche im Treppenhaus, eine Schlägerei zwischen Zuschauern im Hockeystadion oder Männer mit Hüten beim Würfelspiel. Alles ist bis ins letzte Detail inszeniert - selbst die "schlechten Fotos, die aber interessante Bilder sind", wie der Künstler sagt. Nein, Die Geschichte ist eben nicht immer schön und Fotojournalisten sind nicht immer Ästheten.
    In den neueren Arbeiten wendet sich Douglas nun einer globalen Perspektive zu. "Disco Angola" - der Name ist Programm. Zwischen New York City und Afrika verhandelt Douglas acht Motive des Tanz und der Musik. Das kann an afrikanischen Wurzeln des Jazz und Rock ‘n Roll erinnern. Der Betrachter darf auch an die Unabhängigkeits- und Entkolonialisierungsbestrebungen im Angola der 70er Jahre denken. Dennoch kommt die achtteilige Serie etwas beliebig daher. Und allein aus der Gegenüberstellung USA-Afrika eine postkoloniale Kritik aus heutiger Sicht abzuleiten, scheint dann doch etwas zu viel der Deutung.
    Im Katalog und in Museumsführern ist die Rede von Stan Douglas, dem Erzähler, von seinem Bildnarrativ. Eine zusammenhängende Geschichte erzählen die in München ausgestellten Bilder aber kaum. Viel mehr sind es lose Anekdoten, die in den Einzelbildern zu finden sind. Das ist ohne Frage sehr gekonnt inszeniert: Die Blicke der Protagonisten drücken sagen dabei mindestens genau so viel aus wie Kostüme und Requisiten. Manch ein Douglas Bild hat das gleiche aufwendige Budget wie eine kleine Fernsehproduktion. Krempel:
    "Es kommt nicht auf den Einsatz der Mittel an, sondern interessant ist der Umstand, dass überhaupt ein Künstler, der aus dem Bereich Bildende Kunst kommt, der drei Mal auf der documenta und drei Mal auf der Biennale in Venedig ausgestellt hat, dass der anfängt mit professionellen Leuten von Film und Theater zusammenzuarbeiten und auch von deren Expertise und Know-how profitiert."
    Heraus kommt dann schon mal ein sechs Stunden Film wie "Luanda-Kinshasa" - publikumserhellend, geschweige denn -freundlich, ist so eine Installation ganz abgesehen vom Inhalt wohl eher nicht. Man kann ja noch ins Theater gehen, denn auch dort wird aktuell Douglas gespielt. "Helen Lawrence", ein kinohaftes Noir-Mordkomplott-Bühnenstück, läuft in den Münchner Kammerspielen. Solange der Name stimmt, ist alles erlaubt.