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Standards für Doktoren

Seit der Causa Guttenberg wird das wissenschaftliche Arbeiten genauer unter die Lupe genommen. Um bei der Anfertigung von Doktorarbeiten Standards zu etablieren und Qualität zu sichern, hat sich der Wissenschaftsrat zusammengesetzt.

Von Verena Herb |
    "Das andere Problem ist schon die Frage, sind wir wirklich immer sicher, was die Standards sind. Ich glaube nicht. Wir haben eigentlich drei Problemebenen. Die erste ist: Standards ermitteln verlässlich, das Zweite ist, Standards verlässlich vermitteln und das Dritte ist Standards konsequent durchzusetzen. Und aus der Perspektive einer zentralen Untersuchungskommission auch mit Blick auf die Erfahrungen im Ausland kann man schon sagen, dass in vielen Fällen die Frage, was ist der Inhalt der Standards, gar nicht so klar zu beantworten ist."

    Zu Beginn gibt es eine Bestandsaufnahme: Wo steht die Wissenschaft, wenn es um das Problem der mangelhaften Qualität wissenschaftlichen Arbeitens geht. Es werden diverse Empfehlungen diverser Organisationen vorgestellt und diskutiert. Ein zentraler Aspekt: die Qualitätssicherung wissenschaftlicher Arbeiten durch allgemeingültige Standards. Stephan Rixen, Professor für öffentliches Recht in Bayreuth und Vorsitzender der Kommission zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft gibt zu: Es gibt bereits diese Standards, doch es hapert oft an der Anwendung.

    Stephan Rixen:
    "Das andere Problem ist schon die Frage, sind wir wirklich immer sicher, was die Standards sind. Ich glaube nicht. Wir haben eigentlich drei Problemebenen. Die erste ist: Standards ermitteln verlässlich, das Zweite ist, Standards verlässlich vermitteln und das Dritte ist Standards konsequent durchzusetzen. Und aus der Perspektive einer zentralen Untersuchungskommission auch mit Blick auf die Erfahrungen im Ausland kann man schon sagen, dass in vielen Fällen die Frage, was ist der Inhalt der Standards, gar nicht so klar zu beantworten ist."

    Rixen spricht aus eigener Erfahrung: Er war mit dem wohl prominentesten Plagiat befasst: der Causa zu Guttenberg. Auch wenn die Hochschulen, natürlich auch die Universität Bayreuth, bereits reagiert haben, werden nun allgemein Möglichkeiten der Verbesserungen diskutiert. So sollen etwa Betreuungszeiten verbindlich festgelegt werden: Also wann und wie soll der Promovierende seinem Betreuer Bericht über den Fortschritt seiner Arbeit Arbeit erstatten. Auch gibt es Vorschläge zur Stärkung der sogenannten kollegialen Verantwortung. Zum Beispiel, aus dem Zweitgutachten ein unabhängiges, gleichwertiges zweites Gutachten zu machen oder dass es eine Trennung von Betreuung und Bewertung gibt. Etwa dass der Doktorvater nicht der Gutachter der Arbeit sein soll, damit die Unabhängigkeit des Gutachtens erhöht wird.

    Das sind Kontrollmechanismen, die diskutiert werden. Ebenso Präventionsmaßnahmen, dass eben schon während des Studiums die richtige Praxis des wissenschaftlichen Arbeitens gelehrt wird. Denn das Problem beginnt nicht erst bei der Promotion, erklärt die Vizepräsidentin der Hochschulrektorenkonferenz und Präsidentin der Uni Göttingen, Ulrike Beisiegel im Gespräch mit dem Deutschlandfunk:

    Ulrike Beisiegel:
    "Gibt ja jetzt auch Angebote, die Professoren hinzubringen zu einem Curriculum, sodass man es einschließt und sagt: Wir bringen den Studierenden bei, was ist ein Plagiat. Was darf ich, was darf ich nicht. Und damit natürlich die Studierenden erfasst. Das heißt, wir wollen die Studierenden, die Doktoranden, die Post-Doktoranden und die Professoren sensibilisieren und da ist auch schon ganz viel in der letzten Zeit durch die großen Fälle passiert."

    Die rund 75 Teilnehmer befassen sich jedoch auch damit, was zu tun ist, wenn eine Verletzung der wissenschaftlichen Redlichkeit passiert ist. So soll das System der Ombudsfrauen und -männern an den Hochschulen verbessert werden muss. Dort werden die Fälle behandelt und auch Hinweisgeber, die sogenannten Whistleblower, beraten. Entsprechend ist auch der Schutz von Whistleblowern ein Thema, da sie durch ihren Hinweis oft Sanktionen anderer Einrichtungen ausgesetzt sind.
    Stephan Rixen hat klare Vorstellungen, was er sich von dem heutigen Zusammentreffen erwartet:

    Stephan Rixen:
    "Damit es nicht nur – sozusagen wieder nur ne Veranstaltung ist, die sagt: Wir tauschen uns wieder über das aus, was wir ohnehin schon wissen, glaube ich, müsste jetzt was passieren, dass man bundesweit, nicht zentralistisch, nicht zu direktiv, aber bundesweit ein Forum schafft, um aus dem Wissenschaftsgesellschaften, den Fachgesellschaften, den Fakultätentagen und auch den Förderorganisationen ein Forum auf dem man sich verständigt, über die Standards, die es zum Beispiel disziplinübergreifend gibt."'"

    Der derzeitige Ombudsmann für die Wissenschaft, der Staatsrechtler Wolfgang Löwer aus Bonn, erwartet sich nicht allzu viel von der heutigen Veranstaltung:

    ""Sie bringt so viel, wie die 23 Veranstaltungen vorher."

    Eine Tagung wie diese signalisiere sowohl der Gesellschaft als auch der Politik: Die Wissenschaft hat verstanden, und reagiert. Doch könne man niemals ausschließen, dass weitere Plagiatsfälle vorkommen. Das sei nicht real, so Löwer:

    "Sie können nicht in einem System, das 20.000 Professoren, 60.000 Mitarbeiter allein auf universitärer Seite – hat, dass außeruniversitäre Forschungssystem nicht mal beziffert, können sie nicht erwarten, dass das friktionsfrei und täuschungsfrei läuft. Das wäre völlig illusionär. Selbst die Notare gehen nicht davon aus, dass es hin und wieder einen Kollegen gibt, der in die Kasse greift."