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Standortfaktoren für ostdeutsche Hochschulen

Der demografische Wandel wird zunehmend auch für die Hochschulen ein Problem. Mangels Nachwuchs werden im Lauf der nächsten Jahre werden immer weniger junge Menschen ein Studium beginnen. Besonders betroffen von dieser Entwicklung sind die ostdeutschen Universitäten. Dort gibt es nicht nur immer weniger Abiturienten. Viele der jungen Leute wandern auch ab in den alten Länder. Wie also kann die ostdeutsche Hochschul-Landschaft auf Dauer überleben? Mit dieser Frage beschäftigten sich heute ostdeutsche Sozialdemokraten und die Friedrich-Ebert-Stiftung bei einer Tagung in Erfurt.

Von Wolfgang Hentschel |
    Der demografische Wandel kommt: in Thüringen etwa wird bis 2010 die Zahl der Abiturienten von derzeit 9000 pro Jahr auf gerade mal die Hälfte sinken. In den anderen neuen Ländern ist die Entwicklung ähnlich. Das hat auch Folgen für die Zahl der Studienanfänger. Damit die trotzdem stabil bleiben, gibt es nach Ansicht von SPD-Bildungs-Experten nur einen Weg: es muss eine neue Form der Finanzierung entwickelt werden, bei der das jedes Bundesland für seine Studenten aufkommt - egal, wo diese studieren. Jürgen Zöllner, Kultussenator in Berlin:

    " Das heißt, das letzten Endes in verschiedenen Kostengruppen - für Medizin am meisten, in der Größenordnung von 20.000 Euro pro Jahr und geisteswissenschaftliche Fächer an Fachhochschulen dann auf der andern Seite in der Größenordnung von circa 2000 bis 3000 Euro pro Jahr - refinanziert wird. "

    Auf diese Weise könnten die ostdeutschen Hochschulen nicht nur dauerhaft finanziert werden. Die Universitäten hätten damit auch die Chance, hochqualitative und attraktive Lehrangebote zu machen, so Zöllner. Diese neue Form der Finanzierung von Hochschulen muss nach Ansicht der SPD-Bildungspolitiker auch im Sinne der alten Länder sein. Dort würden nämlich in den nächsten Jahren die Zahlen der Abiturienten um bis zu 20 Prozent ansteigen - unter anderem dadurch, dass in mehreren Ländern die Gymnasialstufe auf acht Jahre verkürzt wurde. Thüringens SPD-Landeschef Christoph Matschie:

    " Ohne ein solches Ausgleichssystem wäre man gar nicht in der Lage, die zusätzlichen Studienkapazitäten, was ja auch räumliche Kapazitäten und ähnliches bedeutet, in dieser Geschwindigkeit auszubauen. Hier in Ostdeutschland haben wir vorhandene Kapazitäten, die wir nutzen können dafür, aber für die wir auch eine dauerhaft tragfähige Finanzierung brauchen. "

    Dass derzeit der Anteil an westdeutschen Studenten in den neuen Ländern gerade mal bei drei Prozent liegt, darf nach Ansicht von Matschie nicht so bleiben. Hier sei eine massive Werbekampagne nötig:

    " Wir müssen dafür sorgen, durch politische Rahmenbedingungen, dass darüber hinaus die sozialen Bedingungen stimmen, dass zum Beispiel klar ist, hier werden keine Studiengebühren bezahlt, dass klar ist, hier kann man Studium und Familie gut miteinander vereinbaren, weil wir eine gute Kinderkrippen- und Kindergarten-Infrastruktur haben. Hier sind die Lebenshaltungskosten niedriger, weil es ein gutes Wohnheimangebot gibt und das Wohnen billiger ist. "

    Darüber hinaus sei in den neuen Ländern bereits eine vorbildliche Hochschullandschaft entstanden, so Hans-Robert Metelmann, ehemals Wissenschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern. Das werde auch jetzt schon von vielen Abiturienten in den alten Ländern so wahrgenommen. Beispiel Greifswald: Dort hätten die Zahlen der Bewerber für Medizinstudienplätze enorm zugenommen:

    " Vor 15 Jahren wurden die 200 Studienplätze vorwiegend von der ZVS verteilt, durch Kinder-Land-Verschickung. Heute sieht es so aus, dass auf diese 200 Studienplätze 6000 Bewerber in erster und zweiter Priorität sich angemeldet haben. "

    Einstimmig sprachen sich die SPD-Bildungspolitiker zudem dafür aus, in den neuen Ländern keine Studiengebühren einzuführen. Auch das wäre ein Faktor, um die Attraktivität der ostdeutschen Hochschulen zu steigern.
    Studenten protestieren während einer Kundgebung unter dem Motto "Stoppt den Bildungs- und Sozialabbau" in Erfurt
    "Keine Studiengebühr" - das ist inzwischen nicht nur ein Slogan, sondern auch ein Standortfaktor. (AP)