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Stapelgabeln ohne Gabelstapler
Wie automatische Palettenlader Lagerhaltung revolutionieren

In der Produktion ist es schon lange üblich, die Einzelteile mit automatischen Fahrzeugen vom Lager zu holen. Diese haben jedoch nur eine geringe Ladekapazität und können LKW oder Güterwaggons nicht automatisch entladen. Forscher aus Stuttgart wollen das ändern. Ihr Ziel: Das vollautomatische Lager und automatisches Stapelgabeln.

Von Sönke Gäthke |
    Paletten fahren ist heute immer noch Handarbeit: In Supermärkten, Lager- und Fabrikhallen ziehen Arbeiter sie auf Handgabel-Hubwagen durch die Gänge, manövrieren kunstvoll durch enge Regalreihen oder Auslagen. In der Halle des Instituts für Fördertechnik und Logistik der Uni Stuttgart übernehmen das autonome Gefährte - ohne menschliches Zutun.
    "Sie fahren unter eine Palette, heben die Palette hoch, fahren damit weg und senken sie wieder ab."
    In jede Richtung manövrieren
    Einmal in Bewegung, so Karl Heinz Wehking, Leiter des Instituts, können die automatischen Transport-Zinken, die Ingenieure an seinem Institut entwickelt haben, mit ihrer Fracht in nahezu jede Richtung manövrieren.
    "Geradeaus, seitlich, traversierend wie ein Dressurpferd, und auch drehend um 360 Grad."
    Die Gefährte sehen dabei aus wie die Gabel-Zinken von Hubwagen: eine Handlänge breit, eine Handbreit hoch und etwa so lang wie eine Europalette. Der Unterschied: Nichts verbindet die beiden: Die gesamte Technik zum Heben, Rollen und Navigieren steckt unter den schmalen Metalloberflächen.
    "Ich drehe das jetzt mal um, dann werden Sie ..."
    Der Professor dreht einen 40 Kilo wiegenden Transporthelfer auf die Seite
    "...hier sehen Sie, das ist die Spindel, das ist die Achse, das ist Motor und Getriebe, ...."
    Die Spindel ist das Herzstück des Ganzen. In jedem Metallschlitten ist eine vorn und eine hinten angebaut. Am unteren Ende der Spindeln befindet sich eine Achse mit zwei Rädern. Jedes wird von einem eigenen Elektromotor angetrieben; so lassen sie sich unabhängig ansteuern. Dank dieser Konstruktion können die Antriebe fahren, lenken, Lasten heben und absenken.
    "Wenn beide Motoren die gleiche Geschwindigkeit haben, fährt das Ding geradeaus wie ein Panzer"
    Metallschlitten erhalten per W-LAN den Befehl, eine Palette abzuholen
    Läuft dagegen ein Motor schneller als der andere, fährt das Gerät um die Kurve - auch das wie bei einem Kettenfahrzeug. Aber wenn die Lastenträger stehen und eines der Räder vorwärts, und das andere rückwärts läuft, dann passiert etwas Besonderes: Dann drehen die Räder ihre gemeinsame Achse um ihre Mitte - die Spindel.
    "Dann wird diese Spindel nach oben geschoben, und dadurch wird diese Palette angehoben oder abgesenkt."
    Im realen Betrieb geht das so: Die beiden Metallschlitten erhalten per W-LAN den Befehl, eine Palette abzuholen. Sie rollen los und folgen weißen Linien auf dem Hallenboden.
    "Jeder hat vorne und hinten einen Spursensor - das ist auch egal, ob er vorwärts oder rückwärts fährt. Und außerdem haben die einen 15'10 Funkabgleich, sodass die sich gegenseitig auch noch abgleichen. Aber die Steuerung und Regelung erfolgt jeweils durch diesen weißen Strich."
    Vorerst nur auf abgesperrten Strecken aus Sicherheitsgründen
    Diesem Strich entlang fahren die beiden automatischen Gefährte zur gewünschten Palette. Sie halten über Funk den richtigen Abstand zueinander und rollen unter sie. Dort stoppen sie, und dann drehen sich die Räder um sich selbst - und damit die Spindeln.
    "Und gucken sie: Dadurch hebt sich die Palette um vier Zentimeter hoch, und wenn er sie hochgehoben hat, dann fährt er mit der Palette wieder weg."
    Das Ganze geht so leise vonstatten, das nichts zu hören ist. Um Unfälle zu vermeiden, sollen die ersten automatischen Palettenheber - oder Kufen - deshalb nur auf abgesperrten Strecken fahren. Doch schon im kommenden Jahr dürfte sich das ändern, so Karl Heinz Wehking,
    "Dann haben diese Kufen rechts und links, vorne und hinten eine zusätzliche, elektronische Vorausschau. Dass heißt, wenn dann ein Hindernis im Weg ist, wird das detektiert, die Geschwindigkeit automatisch reduziert oder, wenn das Hindernis stehen bleibt, das Ding hält an."
    Nur 80 Kilogramm wiegen die beiden rollenden Metallschlitten zusammen und stemmen dennoch ein Gewicht von einer Tonne. Damit sind sie nicht nur ein Konkurrent der Handgabelhubwagen, sondern auch der Gabelstapler - die können die gleiche Last transportieren. Die automatischen Gefährte der Stuttgarter fahren jedoch ohne Fahrer, sollen deutlich weniger Energie verbrauchen und billiger sein. Und in Zukunft werden sie sogar noch mehr können: Karl Heinz Wehking denkt an automatische Aufzüge, damit die Transportgabeln auch stapeln können - und sogar an das vollautomatische Entladen von Lastwagen.