Beatrix Novy: Aber nun nach Berlin. Von der Berlinale dort ist nun Christoph Schmitz zugeschaltet, das stimmt doch, Christoph Schmitz?
Christoph Schmitz: Richtig, ich bin dabei beim Festival in Berlin. Guten Abend!
Novy: Guten Abend! Kurz vor der Eröffnung, den Film zur Eröffnungsgala heute Abend hat ja ein deutscher Regisseur geliefert, Tom Tykwer. Es ist ein Film über, man kann es kaum glauben, über eine Bank, "The International". Das trifft ja auf fast unheimliche Weise ins Schwarze, was die Aktualität betrifft.
Schmitz: Ja, ja, das ist der Nagel auf den Kopf getroffen. Die Geschichte eines Interpolagenten, der versucht, die kriminellen Machenschaften einer internationalen Großbank in Luxemburg ans Licht zu bringen. Der Agent und eine New Yorker Staatsanwältin finden heraus, dass diese Bank ihr Geld damit verdient – und hier wird es politisch –, dass sie als Zwischenhändler illegale Waffenlieferungen an Terroristen und Bürgerkriegsparteien in Afrika und vor allem im Nahen Osten organisiert und finanziert und damit viel Geld verdienen will. Aber Tom Tykwer sieht in dem Film nicht einen Film über Banken, sondern er will etwas mehr sagen. Und das sagte er vorhin in der Pressekonferenz:
Tom Tykwer: "Die Bankkrise ist nicht das Thema des Films, das müssen wir uns ja klarmachen. Das Thema des Films ist einfach ein System und ein Prinzip, auf dem unsere Staatsform, unsere Gesellschaftsform und irgendwie inzwischen auch schon unser Zusammenleben sich aufgebaut hat, und das wir jetzt einfach beginnen, ein bisschen infrage zu stellen. Und darum geht’s."
Schmitz: Es geht also um eine Gesellschaft der Gier, der systematischen skrupellosen Bereicherung, müsste man sagen, ein klassischer Thriller, den Tykwer hier gedreht hat mit seinem Kameramann Frank Griebe. Der hat riesige, überwältigende Panoramaaufnahmen der gläsernen Büropaläste entworfen, der Bankenviertel in den großen Städten, auch die Städte dargestellt – New York, Mailand, Berlin, Istanbul –, er ist um die halbe Welt gereist. Das erinnert doch sehr in dieser kühlen Pracht und einer pathetischen Nüchternheit, würde ich sagen, an die Fotografien eines Andreas Gursky – atemberaubende Schießereien, also ein echter Actionfilm, Action Painting könnte man sagen, das sogar in New York im Guggenheim-Museum endet, wo wild um sich geschossen wird. Also ich finde, ein sehr fesselnder Thriller, glaubwürdig, glaubwürdige Einblicke in die globale Kriminalität.
Novy: Das politische Kino, dass das dieses Jahr dran ist, das ist der Ruf, den die Berlinale selbst pflegt, das haben auch die Jurymitglieder ja auch bekräftigt bei ihren Eingangsstatements. Ist der ganze Wettbewerb, also 18 Filme, die vorneweg um die "Bären" antreten, entspricht der dieser Forderung?
Schmitz: Kann man so nicht sagen, es ist ein bisschen Propaganda, finde ich. Das schiebt man so als großes Leitmotiv vor sich her. Es gibt sehr politische Filme, "Sturm" von Hans-Christian Schmid über den Internationalen Gerichtshof in Den Haag, "London River" von Rachid Bouchareb über die Terroranschläge in London, auf die Londoner U-Bahn 2005. Und die Jury ist auch sehr dezidiert politisch. Christoph Schlingensief unter anderem sitzt in der Jury, und er sagte:
Christoph Schlingensief: "Wir haben gesehen, diese Finanzkrise kommt daher, dass globale Dinge sich eben so verselbstständigen, dass ein paar Leute das alles bis zwei Wochen vor der Katastrophe verheimlichen können, das ist doch ein Wahnsinn. Und plötzlich ist es da, und dann wachen sie alle langsam auf, geben es nicht zu, und dann sagen sie es plötzlich. Wir können uns nicht pausenlos dirigieren lassen, sondern wir müssen eben lernen auch, dass wir selber gestalten können."
Schmitz: Also Kunst als politisches Engagement, darum geht es. Aber es gibt auch andere Filme, sehr schöne Kameraspiele mit sehr psychologischem Ansatz, Maren Ade, die Deutsche, "Alle Anderen" zum Beispiel über Paare, die sich begegnen auf Sardinien. Es gibt alte Hasen, die auf dem Festival auftreten, Bertrand Tavernier, Chabrol, viele Debütanten, die man überhaupt nicht kennt, aus verschiedenen Weltgegenden. Ein starker Auftakt, muss man sagen. Manch Erwartbares von den Alten, würde ich meinen, einiges Neue, Dieter Kosslick hat sicher ein interessantes Programm hingelegt, allerdings sehr europa-lastig. Also sehr viel aus Europa, ein China-Film, nur einer aus dem Iran, einer aus Südamerika, das ist etwas einseitig.
Novy: Das ist neu. Allerdings 90 deutsche Filme diesmal, vier davon sogar im Wettbewerb. So gut vertreten, nur ganz kurz, wie dieses Jahr war der deutsche Film ja nie, oder?
Schmitz: Das ist richtig. Fast 400 Filme, fast 100 davon in Deutschland ko-produziert, das birgt eine starke Beteiligung, spricht für den Filmstandort Deutschland.
Novy: Danke, Christoph Schmitz, kurz vor der Eröffnung der Berliner Filmfestspiele.
Christoph Schmitz: Richtig, ich bin dabei beim Festival in Berlin. Guten Abend!
Novy: Guten Abend! Kurz vor der Eröffnung, den Film zur Eröffnungsgala heute Abend hat ja ein deutscher Regisseur geliefert, Tom Tykwer. Es ist ein Film über, man kann es kaum glauben, über eine Bank, "The International". Das trifft ja auf fast unheimliche Weise ins Schwarze, was die Aktualität betrifft.
Schmitz: Ja, ja, das ist der Nagel auf den Kopf getroffen. Die Geschichte eines Interpolagenten, der versucht, die kriminellen Machenschaften einer internationalen Großbank in Luxemburg ans Licht zu bringen. Der Agent und eine New Yorker Staatsanwältin finden heraus, dass diese Bank ihr Geld damit verdient – und hier wird es politisch –, dass sie als Zwischenhändler illegale Waffenlieferungen an Terroristen und Bürgerkriegsparteien in Afrika und vor allem im Nahen Osten organisiert und finanziert und damit viel Geld verdienen will. Aber Tom Tykwer sieht in dem Film nicht einen Film über Banken, sondern er will etwas mehr sagen. Und das sagte er vorhin in der Pressekonferenz:
Tom Tykwer: "Die Bankkrise ist nicht das Thema des Films, das müssen wir uns ja klarmachen. Das Thema des Films ist einfach ein System und ein Prinzip, auf dem unsere Staatsform, unsere Gesellschaftsform und irgendwie inzwischen auch schon unser Zusammenleben sich aufgebaut hat, und das wir jetzt einfach beginnen, ein bisschen infrage zu stellen. Und darum geht’s."
Schmitz: Es geht also um eine Gesellschaft der Gier, der systematischen skrupellosen Bereicherung, müsste man sagen, ein klassischer Thriller, den Tykwer hier gedreht hat mit seinem Kameramann Frank Griebe. Der hat riesige, überwältigende Panoramaaufnahmen der gläsernen Büropaläste entworfen, der Bankenviertel in den großen Städten, auch die Städte dargestellt – New York, Mailand, Berlin, Istanbul –, er ist um die halbe Welt gereist. Das erinnert doch sehr in dieser kühlen Pracht und einer pathetischen Nüchternheit, würde ich sagen, an die Fotografien eines Andreas Gursky – atemberaubende Schießereien, also ein echter Actionfilm, Action Painting könnte man sagen, das sogar in New York im Guggenheim-Museum endet, wo wild um sich geschossen wird. Also ich finde, ein sehr fesselnder Thriller, glaubwürdig, glaubwürdige Einblicke in die globale Kriminalität.
Novy: Das politische Kino, dass das dieses Jahr dran ist, das ist der Ruf, den die Berlinale selbst pflegt, das haben auch die Jurymitglieder ja auch bekräftigt bei ihren Eingangsstatements. Ist der ganze Wettbewerb, also 18 Filme, die vorneweg um die "Bären" antreten, entspricht der dieser Forderung?
Schmitz: Kann man so nicht sagen, es ist ein bisschen Propaganda, finde ich. Das schiebt man so als großes Leitmotiv vor sich her. Es gibt sehr politische Filme, "Sturm" von Hans-Christian Schmid über den Internationalen Gerichtshof in Den Haag, "London River" von Rachid Bouchareb über die Terroranschläge in London, auf die Londoner U-Bahn 2005. Und die Jury ist auch sehr dezidiert politisch. Christoph Schlingensief unter anderem sitzt in der Jury, und er sagte:
Christoph Schlingensief: "Wir haben gesehen, diese Finanzkrise kommt daher, dass globale Dinge sich eben so verselbstständigen, dass ein paar Leute das alles bis zwei Wochen vor der Katastrophe verheimlichen können, das ist doch ein Wahnsinn. Und plötzlich ist es da, und dann wachen sie alle langsam auf, geben es nicht zu, und dann sagen sie es plötzlich. Wir können uns nicht pausenlos dirigieren lassen, sondern wir müssen eben lernen auch, dass wir selber gestalten können."
Schmitz: Also Kunst als politisches Engagement, darum geht es. Aber es gibt auch andere Filme, sehr schöne Kameraspiele mit sehr psychologischem Ansatz, Maren Ade, die Deutsche, "Alle Anderen" zum Beispiel über Paare, die sich begegnen auf Sardinien. Es gibt alte Hasen, die auf dem Festival auftreten, Bertrand Tavernier, Chabrol, viele Debütanten, die man überhaupt nicht kennt, aus verschiedenen Weltgegenden. Ein starker Auftakt, muss man sagen. Manch Erwartbares von den Alten, würde ich meinen, einiges Neue, Dieter Kosslick hat sicher ein interessantes Programm hingelegt, allerdings sehr europa-lastig. Also sehr viel aus Europa, ein China-Film, nur einer aus dem Iran, einer aus Südamerika, das ist etwas einseitig.
Novy: Das ist neu. Allerdings 90 deutsche Filme diesmal, vier davon sogar im Wettbewerb. So gut vertreten, nur ganz kurz, wie dieses Jahr war der deutsche Film ja nie, oder?
Schmitz: Das ist richtig. Fast 400 Filme, fast 100 davon in Deutschland ko-produziert, das birgt eine starke Beteiligung, spricht für den Filmstandort Deutschland.
Novy: Danke, Christoph Schmitz, kurz vor der Eröffnung der Berliner Filmfestspiele.