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Starkniederschläge im Treibhaus Erde

Klimaforschung. - Die Klimamodellierer prophezeien, dass infolge des Klimawandels in Nord- und Mitteleuropa die Unwetter sich vermehren und verstärken werden. Die Frage ist, ob das derzeit bereits spürbar wird. In der aktuellen "Nature" behaupten Klimaforscher, dass bereits die sintflutartigen Regenfälle, die 2000 England überschwemmten, dazu gehörten.

Von Volker Mrasek | 17.02.2011
    Vor elf Jahren, im Herbst 2000, erlebten England und Wales den nassesten Herbst seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Starkniederschläge setzten viele Ortschaften wochenlang unter Wasser. Der Versicherungsschaden ging in die Milliarden. Viele wollten schon damals wissen: Haben diese extremen Regenmengen mit dem Klimawandel zu tun? Doch sie bekamen nur eine allgemeine Antwort. Eine, die auch Francis Zwiers so gegeben hätte, Statistiker und Leitender Klimaforscher bei der nationalen Umweltbehörde Kanadas:

    "Es ist schon oft argumentiert worden, daß sich Extremniederschläge durch die Zunahme von Treibhausgasen in der Atmosphäre verändern. Das liegt daran, daß Luft, wenn sie sich erwärmt, mehr Feuchtigkeit aufnimmt. Es ist dann einfach mehr Wasserdampf in der Atmosphäre. Also werden auch stärkere Niederschläge wahrscheinlicher."

    Bei solchen Standard-Antworten wollen es Klimaforscher aber künftig nicht mehr belassen. Sie glauben inzwischen so weit zu sein, daß sie den Indizienprozess führen und Wetterextreme schon heute in Verbindung mit der globalen Erwärmung bringen können. Dazu erscheinen heute gleich zwei Fachartikel im Wissenschaftsjournal "Nature". In einer der Studien untersuchten britische Forscher exemplarisch die Rekord-Regenfälle über England und Wales. Und weisen Treibhausgasen nun erstmals eine entscheidende Rolle bei der Katastrophe zu. Der Atmosphärenphysiker und gebürtige Inder Pardeep Pall:

    "Wir haben das mit einem Klimamodell des britischen Wetterdienstes herausgefunden. Damit simulierten wir das Wetter im Herbst 2000. Und zwar einmal unter realen Bedingungen. Und zum anderen in einer Parallelwelt ohne Treibhausgas-Emissionen. Und wir konnten sehen: Das Risiko für extreme Überschwemmungen im Herbst 2000 war durch die Treibhausgase um mehr als die Hälfte erhöht."

    Ganz ähnlich gingen auch die Autoren des zweiten "Nature"-Artikels vor, unter ihnen Francis Zwiers. In den letzten Jahrzehnten sind Starkniederschläge über den meisten Landflächen des Nordens immer heftiger geworden. Diesen langfristigen Trend nahmen die Forscher genauer unter die Lupe. Mit Klimamodellen und den Methoden der Extremwert-Statistik überprüften sie, ob es den Trend auch ohne Treibhausgase in dieser Form gegeben hätte. Das Ergebnis laut Zwiers: Sicher nicht!

    "Wir können auch sagen, daß sich die beobachteten Veränderungen nicht durch natürliche Schwankungen des Klimasystems erklären lassen. Wäre das so, dann hätten wir Extreme, die mal stärker und mal schwächer würden, zum Beispiel als Reaktion auf ein vorübergehendes El-Niño-Ereignis im Pazifik. Aber das ist nicht der Fall."

    Die Forscher sehen sich erst am Beginn einer Entwicklung. Sie würden gerne routinemäßig wissenschaftlich profunde Analysen von Wetterextremen liefern. Nachbetrachtungen, aus denen hervorgeht, in welchem Ausmaß eine Dürre oder ein Niederschlagsextrem der Klimaerwärmung zuzuschreiben war. Um dann auch sagen zu können, wo Anpassungsmaßnahmen am sinnvollsten wären. Vor kurzem wurde deshalb eine internationale Expertengruppe eingerichtet. Sie soll das Projekt "Unwetter und Ursachenzuweisung" voranbringen. Doch es gibt noch viel zu tun. Auch und vor allem an den Computermodellen, auf die die Klima-Detektive angewiesen sind. Noch einmal Francis Zwiers:

    "Wir mussten feststellen, daß die Modelle der Wirklichkeit hinterherhinken. Sie unterschätzen, wie stark der Klimawandel Wetterextreme verstärken kann. Das gibt Anlass zur Sorge für die Zukunft."

    Die Modelle für die Extremwetter-Analyse müssen also weiter verbessert werden. Auch das ein Ergebnis der neuen Klimastudien.