Archiv


Start der Erdbeersaison in Norddeutschland

Seit etwa anderthalb Wochen läuft hierzulande die Erdbeersaison, allerdings regional unterschiedlich ausgeprägt. So ging sie in Norddeutschland - wegen der Kälte - erst jetzt an den Start. In der Nähe von Trittau in Schleswig-Holstein befindet sich einer der drei größten Erdbeerbetriebe Deutschlands. 15 Prozent des Umsatzes erzielt der Hof mit Besuchern, die zum Selberpflücken kommen.

Von Ursula Storost |
    Das große Pflücken hat noch nicht begonnen. Auf dem Erdbeerhof im Schleswig Holsteinischen Dellingsdorf muss man die wenigen roten Früchte suchen. Das liegt an der späten Frostperiode Mitte Mai, wie Enno Glantz, Besitzer des Erdbeerhofes erklärt:

    "Diesmal haben wir Glück gehabt, das ist glimpflich abgegangen und es hat wenig Frostschäden gegeben. Und insofern sind wir jetzt am Beginn der Ernte sehr optimistisch, die Kulturen sind in einem guten Zustand und wir rechnen mit einer guten Ernte, Qualität und Menge, vor allem Qualität. "

    Norddeutschland ist wegen seines relativ ausgeglichenen Klimas ein ideales Anbaugebiet für Erdbeeren. Die 800 Hektar Anbaufläche in Schleswig Holstein sind zwar gemessen an der deutschen Gesamtfläche von knapp 12.000 Hektar eher bescheiden, aber der Ertrag pro Hektar liegt etwa eine Tonne höher als im Bundesdurchschnitt. Denn mit dem größten Feind der Erdbeere, mit großer Hitze, haben die Landwirte in Norddeutschland nur selten Probleme.

    "Wenn’s so kalt bleibt, wird die Ernte länger bleiben und es fehlt natürlich die Süße, wenn nie Sonneneinstrahlung wäre, geht das natürlich etwas auf Kosten des süßen Geschmacks, so kann man sagen. "

    Etwa 15 Prozent seines Umsatzes erzielt der Hof mit Besuchern, die zum Selberpflücken auf die Erdbeerfelder kommen. Zum Beispiel der Dellingsdorfer Kindergarten und Familien mit Kindern.

    "Die Kinder naschen gerne, die dürfen ja, wenn sie hier pflücken, dann gleich ein paar in den Mund stecken. Das ist natürlich eine große Freude für die Kinder. "

    Während die Kleinen wie bunte Käfer im Erdbeerfeld herumkrabbeln, haben die Erntehelfer längst Feierabend. Sie arbeiten von halb fünf Uhr morgens bis mittags um 11. Es sind allesamt Frauen und Männer aus Polen. Jetzt, am Anfang der Saison sind erst dreißig angereist. Einer von ihnen ist David. Er kommt seit sieben Jahren.

    "Jedes Jahr arbeite ich hier drei Monaten, von Mai bis Juli. Jedes Jahr fahre ich in dieser Zeit hierher."

    Vor 30 Jahren wurden die roten Beeren noch von Frauen aus dem Dorf gepflückt. Auf diese Weise verdienten sich viele etwas Geld dazu. Mittags gingen sie nach Hause, versorgten ihre Familie und kamen anschließend mit ihren Kindern zurück auf die Felder. Hofbesitzerin Lisa Glantz erinnert sich:

    "Das war bis Anfang der 80er Jahre. Dann war das so, dass die Frauen halbtags so Jobs angenommen hatten, die Kinder waren dann auch größer und dann haben die interessantere Jobs gehabt und vielleicht auch mehr Geld verdient. Und wollten ja nicht nur saisonweise arbeiten, denk ich mal. Viele wollten dann auch ’n Beruf ausüben."

    Danach waren es vorwiegend türkische Pflückerinnen und Pflücker, die für das Einbringen der Ernte sorgten. Seit den 90er Jahren kommt der Großteil der Saisonarbeiter aus Polen. Auf dem Erdbeerhof Glantz in Dellingdorf werden zur Hochsaison bis zu 240 Frauen und Männer erwartet.

    "Alle wissen, welche Qualitäten sie pflücken müssen. Jeder denkt, das ist sehr einfach, aber so ist das nicht. Man muss die Erdbeere doch mit gewissen Handgriffen, dass sie keine Druckstellen bekommt. Und das ist ein unabdingbare Voraussetzung, dass wir verlässliche und gut eingearbeitet Mitarbeiter haben. "

    Mit deutschen Erntehelfern kann ein Erdbeerbetrieb heute nicht mehr arbeiten, sagt Enno Glantz. Viele scheuen die körperliche Anstrengung, die nur niedrig entlohnt wird. Finanziell gefährdet sieht sich der Betrieb nun durch die neue EU-Regelung für Sozialbeiträge. Demnach müssen die deutschen Bauern für ihre Erntehelfer Sozialbeiträge in die Heimatländer abführen. Die deutsche Regelung, wonach Saisonarbeiter 60 Tage im Jahr sozialversicherungsfrei arbeiten können, soll nur noch bis zum 30 Juni gelten.

    "Für mich völlig unverständlich dieses Datum, weil das mitten in der Ernte hier in Norddeutschland ist und wir haben Verträge mit unseren Mitarbeitern abgeschlossen. Das ist eine völlige juristische Unmöglichkeit, das kann gar nicht funktionieren. Aber die größere Sorge ist, dass wir eine langfristig eine Lösung brauchen. Das ist im Interesse des deutschen Obstbaus aber auch unserer polnischen Mitarbeiter, die existentiell auf diese Einnahmequelle bei uns angewiesen sind. Und das ist unverständlich, dass man da nicht eine Lösung findet."

    Derzeit wird zwischen Polen und Deutschland verhandelt. Wenn für die Beitragszahlungen aber kein Kompromiss im Sinne der Landwirte erzielt wird, steht nach Meinung von Enno Glantz eine schlechte Zukunft bevor.

    "Wenn das nicht bestehen bleibt, werden der deutsche Obstbau und Gemüsebau in existentielle Schwierigkeiten kommen, weil das heißt, dass wir genau mit 47,8 Prozent Lohnkosten belastet werden. Das werden wir nicht durchhalten."