Donnerstag, 25. April 2024

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Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen saniert
Aufarbeitung durch Aufklärung

Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen ist umgebaut und saniert worden. Die ehemalige Untersuchungshaftanstalt der DDR-Staatssicherheit, der frühere Stasi-Knast, wird seit der Wende jährlich von einer halben Million Menschen besucht. Der authentische Ort verfügt nun auch über Seminar-, Medien- und Besucherräume.

Von Claudia van Laak | 21.04.2021
Ein Farbfoto zeigt einen langen, dunklen Gang mit eucht schimmerndem Boden und Metall-Türen
Aufklären, nicht überwältigen, will die Gedenkstätte Hohenschönhausen (dpa / Rolf Kremming)
Zum Nachdenken anregen statt emotional überwältigen – so lässt sich das Konzept von Helge Heidemeyer beschreiben. Bevor der Historiker Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen wurde, war er Chef der Abteilung Bildung und Forschung der Stasi-Unterlagenbehörde. Ein profunder Kenner des Themas also – mit einem anderen didaktischen Ansatz als sein Vorgänger. Hubertus Knabe setzte zum Beispiel Virtual-Reality-Brillen ein, mit denen sich Besucher in die Rolle von Stasi-Gefangenen begeben konnten und vernommen wurden.

Zeitzeugen und Fakten

"Wir haben dieses Projekt nicht weitergeführt, weil wir tatsächlich das Gefühl hatten, dass das zu stark in Richtung Überwältigung geht, da muss man gut abwägen, was man da machen kann an solchen Stellen." Auch beim Einsatz der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen hat es Änderungen gegeben. Ihre persönlichen Berichte werden stärker als zuvor ergänzt durch historisch belegte Fakten. Wir haben die früheren Häftlinge weitergebildet, erläutert Gedenkstättenleiter Heidemeyer. "Wenn Sie als Besucher hierherkommen und jemand führt sie, der selber Häftling war, das ist eine ganz andere Authentizität. Aber gerade da sind sich viele der Referentinnen und Referenten auch bewusst, dass sie mit ihren Geschichten ein Horrorszenario malen könnten, das gerade Besucher, die keine Vorkenntnisse haben, erschrecken könnte."
Das Schild mit der Aufschrift "Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen" hängt in Berlin am Haupttor der Stasiopfer-Gedenkstätte in Hohenschönhausen. Dort waren zu DDR-Zeiten Untersuchungshäftlinge untergebracht. Vor 20 Jahren, am 1. Juni 1994, begann hier mit den original erhaltenen Zellen und Verhörräumen die Arbeit der Gedenkstätte.
Neuer Direktor wirbt um Vertrauen 2018 musste der damalige Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen wegen Sexismusvorwürfen seinen Posten räumen. Jetzt will der neue Leiter ein Arbeitsklima aus "Offenheit und Partizipation" schaffen.
Alle Referentinnen und Referenten – etwa die Hälfte sind Zeitzeugen – haben jetzt Tablets erhalten – darauf abgespeichert Videos von ehemaligen Häftlingen, historische Fotos, Dokumente. Der frühere Häftling Hans-Jochen Scheidler kann damit seine 1968 verfassten Flugblätter gegen den Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei an die Wand beamen. "Staatsfeindliche Hetze" lautete das Gerichtsurteil damals.

Die Demokratie schätzen und verteidigen lernen

"Ich möchte nicht, dass die Besucher in Tränen ausbrechen, was auch manchmal passiert, das ist nicht mein Ziel, ich möchte einfach aufzeigen was es bedeutet, in der DDR nicht konform zu leben." Sieben Monate saß der heute 77jährige in Stasi-Untersuchungshaft in Hohenschönhausen, drei Monate davon in strenger Isolation. Scheidler täuschte einen Selbstmordversuch vor, nur so gelang es ihm, die Isolationshaft zu beenden. "Mein Hauptziel ist, die überwiegend jungen Besucher darauf hinzuweisen, wie wohl sie sich schätzen können, in einem Rechtsstaat, in einer Demokratie zu leben, und dass es an ihnen ist, diesen Rechtsstaat, diese Demokratie zu verbessern."

Erkenntnisgewinn für Gruppen

"Der Zeitzeuge ist der größte Feind des Historikers" – dieser Satz gilt bei uns nicht, sagt Gedenkstättenleiter Helge Heidemeyer. Wenn beide sich ergänzten, sei es für die Besucherinnen und Besucher am fruchtbarsten. Vor Corona gab es deshalb den Pilotversuch, Gruppen zu zweit zu führen. "Und diejenigen, die sich auf dieses Experiment eingelassen haben, haben das als großen Gewinn für beide empfunden und auch die Besucher, denn da kam es natürlich zu Diskussionen. Das ist ja auch ein Erkenntnisgewinn für die Gruppen."

Untersuchungsausschuss legt Bericht vor

Der vor knapp drei Jahren entlassene Gedenkstättenleiter Hubertus Knabe hatte klare politische Ambitionen, verstand sich als Sprachrohr für die Opfer der SED-Diktatur, kritisierte die Linke als Nachfolgepartei der SED. Ein Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus prüft, ob Berlins Kultursenator Klaus Lederer von der Linkspartei Hubertus Knabe aus politischen Gründen entlassen hat. Lederer hat dies heute noch einmal bestritten.
"Der Stiftungsrat, der ja aus fünf Mitgliedern besteht, davon zwei aus der CDU, einer, ich, ist in der Partei Die Linke, wir haben das gemeinsam entschieden, und das war auch aus der heutigen Perspektive die richtige und die notwendige Entscheidung. Und was den Untersuchungsausschuss angeht, das kann und will ich nicht kommentieren. Der wird ja in Kürze seinen Abschlussbericht vorlegen und dann kann ich mich auch noch einmal dazu äußern, welche hanebüchenen Vorwürfe mir gegenüber da erhoben wurden."
8,7 Millionen Euro sind in Sanierung und Umgestaltung der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen geflossen, alles ist bereit für die Besucherinnen und Besucher. Das heute vom Bundestag beschlossene Infektionsschutzgesetz verhindert bis auf Weiteres eine Eröffnung. Dass das Gesetz keine Sonderregelungen für Kultureinrichtungen enthält, macht Berlins Kultursenator wütend. "Die Zermürbung, die Frustration, die Enttäuschung ist schon sehr sehr groß."