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Statistische Analysen
Wolken helfen beim Artenschutz

Lebensräume seltener Tier- und Pflanzenarten sind schwer zu erforschen. In Zukunft könnten die Karten der Artenvielfalt aber deutlich genauer werden. US-Wissenschaftler haben ein Verfahren entwickelt, wie sich aus Wolkenformationen am Himmel Grenzen von Habitaten erkennen lassen.

Von Lucian Haas | 19.05.2016
    Ostsee, Wolken, Meer
    Wolken könnten deutlich mehr über die Lebensräume von Tieren und Pflanzen aussagen als angenommen (Christel Boßbach / Deutschlandradio)
    Das Leben und Überleben vieler Tier- und Pflanzenarten ist an spezifische klimatische Bedingungen geknüpft. Sind lokale Daten wie Temperatur, Sonneneinstrahlung, Niederschlag et cetera bekannt, lässt sich mit Hilfe ökologischer Verbreitungsmodelle abschätzen, in welchen Regionen der Welt bestimmte Arten vorkommen. Doch dabei gibt es ein Problem.
    "Die heutigen Biodiversitäts-Modelle beruhen typischerweise auf Klimadaten, die am Boden erhoben werden. Dabei werden die Daten zwischen einzelnen Wetterstationen interpoliert. In Ländern wie Deutschland oder den USA geht das gut, weil es sehr viele Wetterstationen gibt. Aber in anderen Teilen der Erde - und leider gerade in solchen mit einer besonders hohen Artenvielfalt wie den tropischen Regenwäldern - gibt es viel, viel weniger Messstationen. Dadurch wird die lokale Klimastatistik sehr ungenau."
    Satellitenbilder geben ökologische Einblicke
    Adam Wilson ist Geograph an der University at Buffalo im US-Bundesstaat New York. Auf der Suche nach Möglichkeiten, die Datenbasis für Verbreitungsmodelle zu verbessern, nahm er Fernerkundungsdaten von Satelliten ins Visier - und zwar Bilder der globalen Bewölkung.
    "Auf die Wolken zu schauen war naheliegend. Denn sie stehen ja im direkten Zusammenhang mit Niederschlag, Sonneneinstrahlung und Feuchtigkeit. So dachten wir uns, dass Messdaten der Bewölkung interessante ökologische Einblicke liefern könnten, die man bislang nicht beachtet hat."
    Adam Wilson und Kollegen nahmen nicht nur ein paar Wolkenaufnahmen, sondern gleich Hunderttausende. Insgesamt 15 Jahre an Daten von zwei Nasa-Satelliten, die zwischen den Jahren 2000 und 2014 für fast jeden Punkt der Erde pro Tag zwei Bilder des Bewölkungszustands lieferten. Aus der riesigen Datenmenge errechneten sie verschiedene statistische Kenngrößen. Zum Beispiel die durchschnittliche Bewölkung jedes Monats oder die Variabilität der Bewölkung im Jahresverlauf - und das für jeden Quadratkilometer der Erde. Überträgt man die errechneten Werte als Farben codiert auf eine Weltkarte, lassen sich anhand der Wolkendaten die genaue Lage von Klima- und Vegetationszonen erkennen.
    "Ich war erstaunt wie die Biome der Welt auf der Karte deutlich sichtbar wurden, allein durch Blick auf den saisonalen Bewölkungsgrad. Man sieht zum Beispiel an den Wolken, wie sich die mediterranen Klimaregionen eindeutig von den umliegenden Klimata abheben. Man kann auch die Ausdehnung der Nebelwälder Südamerikas sehr klar erkennen. Im Amazonasbecken gibt es auch im Tiefland Wolken, aber die variieren von Tag zu Tag. Geht man dann hoch in die Berge, gibt es Bereiche, wo es ständig bewölkt ist. Das sind die Nebelwälder. Dort gibt es eine ungeheure Artenvielfalt und viele Arten, die einmalig sind und nirgendwo sonst vorkommen."
    Kilometergenaue Erfassung möglich
    Gerade bei den Nebelwäldern können die gesammelten Wolkendaten den Ökologen weiterhelfen. Auf Basis herkömmlicher Klimadaten wäre es niemals möglich, die Lage und Ausdehnung der Nebelwälder auf den Kilometer genau zu erfassen und zu modellieren. Dank der feinen Wolkenstatistik könnten künftig Maßnahmen zum Schutz der Nebelwälder regional besser geplant werden. Der Ansatz funktioniert allerdings auch außerhalb der feuchten Tropen. Adam Wilson arbeitet aktuell an Schutzstrategien für einige seltene Pflanzenarten, die nur in einem ganz speziellen Klima in den Küstengebirgen Südafrikas gedeihen.
    "Ich werde die Wolkendaten jetzt in ein Verbreitungsmodell der Familie der Zuckerbüsche integrieren. Ich hoffe, dass wir so bessere Karten ihrer Vorkommen erstellen können, um die bestehenden Schutzstrategien zu überprüfen."