"Dort, auch bei dem Laster ragt das Geröll heraus. Die Plane ist mal wieder offen. Dabei ist es Vorschrift, sie bei der Durchfahrt zu verschließen. Aber niemand kontrolliert das."
Giuseppe Sansoni steht an einer schmalen Durchgangsstraße in seiner Heimatstadt Carrara und beobachtet die 20-Tonner, die im Minutentakt vorbeidonnern. Sie transportieren Marmorblöcke und -geröll aus dem bergigen Hinterland hinunter zur Küste. Ihn ärgert, dass kaum einer von ihnen den Laderaum mit der staubigen Fracht verschlossen hat.
Doch nicht nur Lärm und Feinstaub treiben Giuseppe Sansoni und seine Mitstreiter immer wieder auf die Straße. Sie sind erbost darüber, wie rücksichtslos die Firmen mit ihrem Hightechgerät immer weiter in die Bergwelt der Apuanischen Alpen vordringen, dabei die Landschaft verwüsten und das Grundwasser verschmutzen.
"Da wird wieder gesprengt. Der Berg dort. Heute fehlt ihm sein Gipfel. Die stehlen uns unsere Apuanen."
Dieser Bürgerprotest gegen den alles beherrschenden Marmorsektor ist neu in Carrara. Doch bisher galt Marmor eben als Garant für Arbeitsplätze und Wohlstand, so Giuseppe Sansoni, der ehrenamtlich dem lokalen Büro der italienischen Umweltorganisation Legambiente vorsteht.
"Doch in den vergangenen 50 Jahren wurde mehr Marmor abgebaut als in den 2000 Jahren zuvor. Ganze Bergkuppen sind verschwunden. Außerdem gelangen immer häufiger Marmorstaub, zurückgelassene Erde und sogar Motorenöl mit dem Regen ins Grundwasser. Die Bewohner haben sich bisher nicht gemuckt, weil die meisten in dem Sektor ihr Brot verdienten. Doch seitdem Maschinen die menschliche Arbeitskraft ersetzen, verändert sich die Stimmung, und viele erleben diese Entwicklung als Fluch."
Zum Fluch wurde der Marmorabbau allerdings auch durch eine kleine Änderung im Lebensmittelgesetz Anfang der 1990er-Jahre, erklärt Mauro Chessa, Präsident des toskanischen Geologenverbandes: Damals wurde der Reinheitsgrad für natürliches Kalziumkarbonat, das in der Nahrungsmittelindustrie verwendet werden darf, gesenkt. Diese Entscheidung machte den weißen Stein aus den Apuanen, also Kalziumkarbonat in Kristallform, zum Leckerbissen für Großkonzerne.
"Kalziumkarbonat ist ein gefragter Zusatzstoff: Er gilt als unbedenklich und wird Lebensmitteln als Säureregulator, Farbstoff und Trennmittel zugesetzt. Sein hohes Gewicht macht ihn zudem als Füllstoff interessant. Er wird aber auch in unzähligen weiteren Produkte verwendet: Zahnpasta, Plastik, Tierfutter, Qualitätspapier oder Dispersionsfarben."
Anfangs schien dieses "zweite Leben" von Marmor, wie Mauro Chessa das Zermahlen von Marmorgeröll zu Kalziumkarbonat nennt, eine gute Möglichkeit, auch am Abbauausschuss zu verdienen: 80 Prozent pro Tonne sind normal. Nur sei es nicht, so der Geologe, bei der zusätzlichen Nutzung geblieben. Für viele Steinbruchbetreiber wurde das Geröll zum Hauptgeschäft, da sein Abtransport, im Gegensatz zum fachmännischen Abbau der Blöcke, kaum Kosten verursacht. So werden jedes Jahr neben eineinhalb Millionen Tonnen Marmor in Blöcken auch vier Millionen Tonnen Geröll aus den 85 Steinbrüchen von Carrara abtransportiert.
"Der Hunger nach Kalziumkarbonat ist so groß, dass, um Zeit zu sparen, minderwertiger Marmor gerne schon mal abgesprengt wird. Außerdem machen die Raupen selbst vor Geröllfeldern aus der Antike nicht mehr Halt, auch nicht vor denen, die die Hänge stabilisieren. Für mich ist das Raubbau, denn sämtliche Schutzkriterien wurden außer Kraft gesetzt. Es gilt nur noch: weitermachen, solange noch etwas da ist."
Was man als Erstes brauche, so Mauro Chessa: Endlich ein gesetzliches Limit für den Abbau, das bis heute fehle. Fünf Prozent der Apuanischen Alpen seien bereits unwiderruflich zerstört.
Giuseppe Sansoni steht an einer schmalen Durchgangsstraße in seiner Heimatstadt Carrara und beobachtet die 20-Tonner, die im Minutentakt vorbeidonnern. Sie transportieren Marmorblöcke und -geröll aus dem bergigen Hinterland hinunter zur Küste. Ihn ärgert, dass kaum einer von ihnen den Laderaum mit der staubigen Fracht verschlossen hat.
Doch nicht nur Lärm und Feinstaub treiben Giuseppe Sansoni und seine Mitstreiter immer wieder auf die Straße. Sie sind erbost darüber, wie rücksichtslos die Firmen mit ihrem Hightechgerät immer weiter in die Bergwelt der Apuanischen Alpen vordringen, dabei die Landschaft verwüsten und das Grundwasser verschmutzen.
"Da wird wieder gesprengt. Der Berg dort. Heute fehlt ihm sein Gipfel. Die stehlen uns unsere Apuanen."
Dieser Bürgerprotest gegen den alles beherrschenden Marmorsektor ist neu in Carrara. Doch bisher galt Marmor eben als Garant für Arbeitsplätze und Wohlstand, so Giuseppe Sansoni, der ehrenamtlich dem lokalen Büro der italienischen Umweltorganisation Legambiente vorsteht.
"Doch in den vergangenen 50 Jahren wurde mehr Marmor abgebaut als in den 2000 Jahren zuvor. Ganze Bergkuppen sind verschwunden. Außerdem gelangen immer häufiger Marmorstaub, zurückgelassene Erde und sogar Motorenöl mit dem Regen ins Grundwasser. Die Bewohner haben sich bisher nicht gemuckt, weil die meisten in dem Sektor ihr Brot verdienten. Doch seitdem Maschinen die menschliche Arbeitskraft ersetzen, verändert sich die Stimmung, und viele erleben diese Entwicklung als Fluch."
Zum Fluch wurde der Marmorabbau allerdings auch durch eine kleine Änderung im Lebensmittelgesetz Anfang der 1990er-Jahre, erklärt Mauro Chessa, Präsident des toskanischen Geologenverbandes: Damals wurde der Reinheitsgrad für natürliches Kalziumkarbonat, das in der Nahrungsmittelindustrie verwendet werden darf, gesenkt. Diese Entscheidung machte den weißen Stein aus den Apuanen, also Kalziumkarbonat in Kristallform, zum Leckerbissen für Großkonzerne.
"Kalziumkarbonat ist ein gefragter Zusatzstoff: Er gilt als unbedenklich und wird Lebensmitteln als Säureregulator, Farbstoff und Trennmittel zugesetzt. Sein hohes Gewicht macht ihn zudem als Füllstoff interessant. Er wird aber auch in unzähligen weiteren Produkte verwendet: Zahnpasta, Plastik, Tierfutter, Qualitätspapier oder Dispersionsfarben."
Anfangs schien dieses "zweite Leben" von Marmor, wie Mauro Chessa das Zermahlen von Marmorgeröll zu Kalziumkarbonat nennt, eine gute Möglichkeit, auch am Abbauausschuss zu verdienen: 80 Prozent pro Tonne sind normal. Nur sei es nicht, so der Geologe, bei der zusätzlichen Nutzung geblieben. Für viele Steinbruchbetreiber wurde das Geröll zum Hauptgeschäft, da sein Abtransport, im Gegensatz zum fachmännischen Abbau der Blöcke, kaum Kosten verursacht. So werden jedes Jahr neben eineinhalb Millionen Tonnen Marmor in Blöcken auch vier Millionen Tonnen Geröll aus den 85 Steinbrüchen von Carrara abtransportiert.
"Der Hunger nach Kalziumkarbonat ist so groß, dass, um Zeit zu sparen, minderwertiger Marmor gerne schon mal abgesprengt wird. Außerdem machen die Raupen selbst vor Geröllfeldern aus der Antike nicht mehr Halt, auch nicht vor denen, die die Hänge stabilisieren. Für mich ist das Raubbau, denn sämtliche Schutzkriterien wurden außer Kraft gesetzt. Es gilt nur noch: weitermachen, solange noch etwas da ist."
Was man als Erstes brauche, so Mauro Chessa: Endlich ein gesetzliches Limit für den Abbau, das bis heute fehle. Fünf Prozent der Apuanischen Alpen seien bereits unwiderruflich zerstört.