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Staubige Atmosphäre

Klimaforschung. - Die Erdatmosphäre enthält buchstäblich Megatonnen von Staub. Für das Klima sind vor allem die so genannten Schwebstaubteilchen von Bedeutung, weil sie das Sonnenlicht zurückhalten. Ob es in Zukunft mehr oder weniger Staub in unserer Atmosphäre geben wird, ist deshalb eine Frage, der Wissenschaftler im Rahmen des deutschen Klimaforschungsprogramms DEKLIM nachgegangen sind.

Von Volker Mrasek | 01.06.2005
    Es sind nur mikroskopisch kleine Partikel. Doch sie umhüllen praktisch den ganzen Globus. Und siehe da: Unser Vorstellungsvermögen ist mal wieder gründlich überfordert:

    " Es gibt Schätzungen, die sagen: Globale Staubemissionen, also der Wüstenstaub oder auch Bodenstaub, der global produziert wird, betragen ungefähr 2000 Megatonnen pro Jahr. Davon bleiben in der Atmosphäre vielleicht so zwei bis zehn Megatonnen."

    Zehn Megatonnen! Das sind zehn Millionen Tonnen mineralischer Staub in der Außenluft. Diese Zahl sei zwar nur eine grobe Schätzung, sagt die Physikerin Ina Tegen vom Institut für Troposphärenforschung in Leipzig. Doch es gibt keinen Zweifel:

    " Das sind also gewaltige Massen."

    Nur so lässt sich auch erklären, dass die Aerosole oder Schwebteilchen das Klima der Erde beeinflussen. Als unsichtbarer Schleier schieben sie sich zwischen Sonne und Erdoberfläche. Martin Werner, Physiker am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena:

    " Man weiß jetzt oder man ist eigentlich davon überzeugt, dass Staub allgemein global zu einer Abkühlung führt der Atmosphäre. Alle Modelle kommen jetzt zu denselben Ergebnissen, dass wir von einer Abkühlung von vielleicht maximal einem halben Grad durch natürlichen Staub in der Atmosphäre reden."

    Die Aerosole kühlen also das Klima. Sie wirken der Erderwärmung entgegen, jedenfalls zu einem gewissen Grad.

    " Dadurch, dass durch den Staub Sonnenlicht zurück in den Weltraum reflektiert wird, kommt nicht mehr so viel am Boden an."

    Doch wie sieht es in der Zukunft aus? Wirbelt der Klimawandel womöglich zusätzlichen Staub auf? Und wirkt dieser dann der Erwärmung wiederum entgegen?

    Diesen Fragen sind Ina Tegen und Martin Werner nachgegangen, zusammen mit Kollegen am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Dort wurde ein verbessertes Aerosol-Modul für die Klimavorhersage entwickelt. Es berücksichtigt viele verschiedene Staubtypen und ihre Wechselwirkungen miteinander: Seesalz, Sulfatpartikel, Ruß und die mineralischen Acker- und Wüstenstäube.

    Die ersten Simulationen mit dem neuen Aerosol-Modul sind bereits gelaufen: eine im Deutschen Klimarechenzentrum in Hamburg und eine zweite am Hadley-Zentrum für Klimavorhersage in England, mit dem großen Klimarechenmodell der Briten. Die Ergebnisse sind vorerst noch widersprüchlich:

    " In einem Klimamodellauf sehen wir eben, dass wir eine Erhöhung von Staub kriegen. Während ein anderes Klimamodell zu einer Erniedrigung von Staub in den nächsten hundert Jahren führt. Die Zunahmen, die wir sahen, waren im Bereich von vielleicht 15 bis 20 Prozent beziehungsweise im anderen Modell Abnahmen um acht bis zehn Prozent."

    Ein entscheidendes Handikap der beiden Klimarechenmodelle ist hier laut Ina Tegen, dass sie mit einer statischen Vegetation arbeiten:

    " Sobald wir eine Vegetationsbedeckung auf einer Oberfläche haben, können wir keinen Staub mehr produzieren. Die Klimamodelle fangen zurzeit erst an, diese Vegetationsänderungen mit zu berücksichtigen. Falls die Klimamodelle vorhersagen - was jetzt nicht sehr wahrscheinlich ist -, dass die Sahara durch verstärkte Niederschlagsbildung völlig grün wird, dann wäre diese Staubquelle ausgeschaltet. Andersherum kann sie natürlich auch verstärkt werden, wenn die Vegetation weiter zurückgeht."

    An erblühende Wüstenlandschaften mag man in der Tat nicht so recht glauben. Nach den Prognosen der meisten Klimarechenmodelle nehmen die Regenmengen in den Trockenzonen der Erde nicht zu, sondern ab. Und man hat auch das Gefühl, dass Ina Tegen und Martin Werner eher ihren eigenen Modellergebnissen trauen als denen der Briten:

    " Es gibt auf jeden Fall Untersuchungen, die darauf hinweisen, dass die Staubproduktion stärker wird dadurch, dass Oberflächenwinde in Wüsten stärker werden. Stärkere Oberflächenwinde sind durchaus zu erwarten, da stärkere Temperaturgradienten zu erwarten sind. Dadurch wird es mehr Stäube geben. Und das wäre ein direkter Aspekt des Klimawandels. In dem Fall könnte Staub tatsächlich eher einer zusätzlichen Erwärmung des Klimas durch CO2 entgegenwirken, allerdings längst nicht in demselben Größenmaß."

    Größere Gewissheit werden aber erst noch bessere Klimamodelle bringen. Ein neues Vegetationsmodul ist schon in Arbeit.