Archiv


Staudamm-Projekt Lesotho

Es ist ein karges Land, aber ein Königreich: Lesotho liegt im südlichen Afrika und hat nur zwei Millionen Einwohner. Der Kleinstaat ist vollkommen von Südafrika umschlossen, und seine Wirtschaft vom großen Nachbarn geprägt: Männer arbeiten in den südafrikanischen Minen, fast 95 Prozent aller Importe kommen aus dem ehemaligen Apartheidstaat. Doch Lesotho liefert auch in das Nachbarland – und dabei hat eine Ressource besondere Bedeutung, die es in dem Bergkönigreich in der Regenzeit im Überfluss gibt: Wasser. Das "Lesotho Highlands Development Project" ist das größte Infrastruktur-Projekt-Afrikas. Sechs Staudämme sind geplant, die den Orange-Fluss und seiner Nebenarme stauen sollen. Das Wasser wird nach Südafrika geliefert, Lesotho erhält Strom. Das Projekt ist umstritten, weil es bisher rund vier Milliarden US-Dollar verschlungen hat – und das in einem Land, in dem derzeit Tausende von einer Hungersnot bedroht sind Zudem mussten zahlreiche Menschen umgesiedelt werden. Doch der 186 Meter hohe Katse-Damm ist bereits fertiggestellt. Im Oktober soll der Mohale-Damm geflutet werden. Michael Ruffert hat die Region besucht.

von: Michael Ruffert |
    Es ist ein karges Land, aber ein Königreich: Lesotho liegt im südlichen Afrika und hat nur zwei Millionen Einwohner. Der Kleinstaat ist vollkommen von Südafrika umschlossen, und seine Wirtschaft vom großen Nachbarn geprägt: Männer arbeiten in den südafrikanischen Minen, fast 95 Prozent aller Importe kommen aus dem ehemaligen Apartheidstaat. Doch Lesotho liefert auch in das Nachbarland – und dabei hat eine Ressource besondere Bedeutung, die es in dem Bergkönigreich in der Regenzeit im Überfluss gibt: Wasser. Das "Lesotho Highlands Development Project" ist das größte Infrastruktur-Projekt-Afrikas. Sechs Staudämme sind geplant, die den Orange-Fluss und seiner Nebenarme stauen sollen. Das Wasser wird nach Südafrika geliefert, Lesotho erhält Strom. Das Projekt ist umstritten, weil es bisher rund vier Milliarden US-Dollar verschlungen hat – und das in einem Land, in dem derzeit Tausende von einer Hungersnot bedroht sind Zudem mussten zahlreiche Menschen umgesiedelt werden. Doch der 186 Meter hohe Katse-Damm ist bereits fertiggestellt. Im Oktober soll der Mohale-Damm geflutet werden. Michael Ruffert hat die Region besucht.

    Mpho Khama ist wütend, richtig wütend. Er gestikuliert wild, hebt die Stimme und schimpft. Der 58-Jährige wurde umgesiedelt, weil dort, wo sein altes Haus stand, bald nur noch Wasser ist. Khama lebt in den Bergen des kleinen Königreiches Lesotho – und er, seine Frau und seine fünf Kinder mussten einem Staudamm weichen. Der 145 Meter hohe Mohale-Damm steht kurz vor der Fertigstellung. Im Oktober soll das Wasser gestaut werden. Damit wäre nach dem Katse-Damm der zweite Damm des "Lesotho Highlands Development Projects" in Betrieb Khama ist auf das gigantische Projekt nicht gut zu sprechen – und er hat vielleicht auch ein bisschen zu viel vom Hirsebier getrunken.

    Sie haben uns viel versprochen, um uns zu überreden hierher zu ziehen. Unser Leben sollte sich verbessern, jedes Jahr sollten wir 3.650 Rand erhalten – aber wir haben kein Geld bekommen gar nichts. Auch keine Entschädigung für die Gräber unserer Ahnen.

    3.650 Rand, das entspricht zirka 400 Euro – nicht viel Geld, aber es wäre zumindest ein Einkommen in dem bettelarmen Land. Denn unter der Umsiedlung leidet auch die Viehzucht, die Khama betreibt.

    Früher hatte ich 13 Kühe, jetzt sind es nur noch acht. Von meinem 27 Ziegen sind zwölf gestorben. Sie vertragen das Wetter in dieser Höhe nicht und kommen um.

    Die lauten Worte locken die Nachbarn an. Sie kommen hinzu und bringen ihre Beschwerden vor. Von gebrochenen Versprechen ist viel die Rede: Arbeitsplätze seien denn Kindern zugesagt worden, neue Obstbäume sollten gepflanzt werden. Aber sogar die Dächer der neuen Häuser sind undicht – es regne hinein. Beim Management des Projektes ist dieser Fall nicht bekannt. Natürlich gebe es Entschädigungen, sagt Pressesprecher Qhobela Semoli:

    Die Höhe der Entschädigungen fällt unterschiedlich aus. Die Menschen haben Häuser, also müssen wir ihnen neue Häuser bauen – dabei richten wir uns danach, was die Familien vorher hatten. Dann gibt es Entschädigungen für die Felder – und die Felder sind unterschiedlich groß. Und dann gibt es Entschädigungen für anderes Eigentum. Im Schnitt haben sie rund 20.000 Rand erhalten.

    325 Familien mussten nach offiziellen Angaben alleine dem Mohale-Damm weichen, das sind mehr als 2.200 Männer, Frauen und Kinder. Beim Bau des Katse-Damms mussten 88 Familien ihre Häuser verlassen – das sind rund 650 Menschen. Für einige Zeit hat der Bau der Dämme den Menschen Arbeitsplätze gebracht, 7.000 am Katse-Damm und 3.000 am Mohale-Damm.

    Doch das Riesenprojekt in einem der kleinsten Länder Afrikas ist heftig umstritten. Nichtstaatliche Organisationen kritisieren, dass Kosten und Nutzen bei dem Projekt in keinem Verhältnis stünden. Durch die Zerstörung von Ackerflächen seien weit mehr Menschen betroffen, als die nur die Umgesiedelten – und das in einem Land, in dem derzeit Tausende von einer Hungersnot bedroht sind.

    Das kritische "International Rivers Network" erwähnt zwar, dass das Projekt 1998 mit rund 14 Prozent zum Bruttosozialprodukt in Lesotho beitrug – doch davon habe nur die Elite des Landes profitiert, die arme Bevölkerungsmehrheit gehe leer aus.

    Das Dorf Tsiu liegt nicht weit von dem Haus von Mpho Khama entfernt. Kinder springen, singen und tanzen. Es herrscht eine fröhliche Stimmung. Der 82-jährige Chief Peter Lebakeng ist von dem Staudammprojekt begeistert.

    Das Projekt hat uns Straßen gebracht. Wenn wir nicht genug geerntet haben, können die Händler nun schnell zu uns kommen, so dass wir Maismehl kaufen können. Früher mussten wir immer weit zur Stadt fahren.

    Doch solche Argumente ärgern Mpho Khama. Er ist wütend, dass Entscheidungen im Dorf nur auf der anderen Seite der Straße getroffen werden, dort wo Peter Lebakeng wohnt.

    Der Chief mag das sagen, er lebt lange da, er musste nicht umziehen. Er kann seine Tiere verkaufen und lebt davon, er hat viel Land. Er freut sich über die Straße, die jetzt hierherführt – aber für uns ist es schwierig.

    Das Staudammprojekt, das den Menschen eigentlich Entwicklung bringen soll, hat Zwietracht in den kleinen Ort getragen.