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Staustufen müssen weg

Man riecht nichts und einigermaßen klar ist das Wasser auch: Die Flüsse in Europa sind offensichtlich sauberer geworden. Doch zu einem guten ökologischen Zustand gehört mehr. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie enthält Kriterien für einen guten Umweltzustand. Dazu gehört auch, dass die Hindernisse für die Fischwanderung beseitigt werden.

Von Lenore Lötsch |
    Der Krainke und der Sude geht es gut. Zumindest, wenn sie es nach Niedersachsen geschafft haben. Im östlichen Nachbar-Bundesland allerdings haben sie ein Problem. Nicht dass die beiden ungern in Mecklenburg-Vorpommern wären, im Gegenteil, es ist ihr natürlicher Lauf. Dort sprudeln ihre Quellen.

    Die Krainke und die Sude sind zwei bescheidene Flüsschen, die in die Elbe münden und über deren ökologische Qualität die Experten der beiden Bundesländer streiten. Während der Zustand der beiden Flüsse in Mecklenburg/Vorpommern als ökologisch schlecht bewertet wird, sind die niedersächsischen Behörden vergleichsweise optimistisch. Beide beurteilen aber auf der gleichen Grundlage. Nämlich der EU-Wasserrahmenrichtlinie:

    "Den Kern der Wasserrahmenrichtlinie bilden die Umweltziele. Also das Ziel, einen guten ökologischen Zustand der Oberflächengewässer bis 2015 zu erreichen."

    Für Dr. Helge Wendenburg vom Bundesumweltministerium kam allerdings das böse Erwachen im letzten Jahr. Da nämlich legte sein Ministerium der Europäischen Union den Zustandsbericht deutscher Flüsse vor:

    "Wir waren in einem Zustand, den wir insgesamt gut fanden, und deswegen war auch die Überzeugung, das mit der Wasserrahmenrichtlinie werden wir schon schaffen, da sehen wir gut aus. Das Ergebnis der Bestandsaufnahme für Deutschland ist so, dass wir 2015 na ja vielleicht bei 30, wenn’s ganz gut geht 40 Prozent einen guten ökologischen Zustand erreichen werden. Bei allen anderen nicht."

    In den 80ern schmunzelte man über den Witz vom Lachs, der im Rhein gefragt wird, was er denn hier mache, und blubbernd antwortet: er studiere Chemie. Doch längst sind der Rhein, aber auch die Krainke und die Sude von viel besserer Wasserqualität. Und trotzdem: schlechte Noten aus Brüssel für die deutschen Flüsse, meint Helge Wendenburg:

    "Wir haben nämlich bei unserer Betrachtung des Wassers einen ganz wesentlichen Teil vergessen. Wenn Sie einen guten ökologischen Zustand erreichen wollen, dann müssen Sie auch einen Schwerpunkt darauf legen, welchen Lebensraum braucht eigentlich ein Fisch, um in einem Fluss leben zu können. Und ein großer Nachteil deutscher Flüsse und Bäche besteht in Querbauwerken."

    Diese so genannten Querbauwerke, Staumauern, Wehre und Verrohrungen zum Beispiel, machen die Flüsse für Fische undurchlässig. Und so hat der Wels in dem kleinen Flüsschen Sude keine Chance, von Mecklenburg aus bis nach Niedersachsen in die Elbe zu kommen:

    "Gerade in Mecklenburg-Vorpommern gibt es viele, viele Flüsse, die Querbauwerke auch dringend benötigen, damit sie im Sommer die Wasserhaltung so aufrecht erhalten, damit die daneben liegenden landwirtschaftlichen Nutzflächen auch weiter bewässert sind. Man muss sich entscheiden: will ich das lassen, oder muss ich alle diese Querbauwerke jedenfalls so gestalten, dass sie über aufwändige Fischtreppen und und und durchlässig werden für aquatische Lebewesen."

    Wie vieles scheint die Lösung dafür vor allem ein ökonomisches Problem zu sein. Aber auch im Vorfeld schon ein planerisches. Denn die Wasserrahmenrichtlinie der EU verlangt, den Fluss in seiner Gesamtheit zu betrachten. Dass ein Fluss mit seinen Nebenflüssen über Kreisgrenzen, Ländergrenzen und auch Staatsgrenzen gehen kann, macht die Koordination nicht eben einfach:

    "Deutschland ist dort wieder ein typisches Beispiel. Wir mussten nicht nur ein Gesetz machen, um die Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen, sondern wir mussten insgesamt zu diesem einen Bundesgesetz 32 weitere Rechtvorschriften erlassen, nämlich 16 Landeswassergesetze und 16 Länderverordnungen dazu."

    Die EU-Richtlinie formuliert klare Ziele: Mehr Raum für Flussläufe, bessere Bedingungen für die Bewohner des nassen Elements und sauberes Wasser für alle. Zu erreichen möglichst bis 2015. - Was aber, wenn die noch verbleibenden 9 Jahre dafür nicht ausreichen? Helge Wendenburg vom Bundesumweltministerium:

    "Wenn man absieht, dass dieses nicht erreicht werden kann, dann kann man Ausnahmen machen und die wesentlichen Ausnahmen bestehen darin, dass man die Fristen verlängert. Man kann zweimal die Frist verlängern um jeweils 6 Jahre, so dass der Endzustand 2027 erreicht werden kann."

    Und so müssen sich die Fische in der Krainke und der Sude möglicherweise noch 20 Jahre gedulden, bis sie endlich die Elbe sehen können.