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Steigende Nachfrage

In Deutschland fehlen Schätzungen zufolge rund 15.000 Ingenieure und die Hochschulen klagen über mangelnde Einschreibungen. Aber es gibt eine Ausnahme: Die FH Bielefeld, denn die hatte in diesem Semester Rekordanmeldungen für den neuen ingenieurwissenschaftlichen Studiengang "Erneuerbare Energien". 80 junge Menschen haben mit dem Studium begonnen.

Von Miriam Grabenheinrich |
    "Sie messen jetzt an der Fahrbahn die Geschwindigkeit von unterschiedlichen Wagen."

    Eine Doppelstunde Angewandte Physik - heute geht es um Bewegungsabläufe. Die Studierenden haben ab dem ersten Semester praktischen Unterricht. Dadurch sollen sie schnell fit werden für den Arbeitsmarkt. Der 20-jährige Sebastian Raab hört seinem Professor aufmerksam zu. Er hat sich ganz bewusst für diesen Studiengang entschieden - ist dafür von Stuttgart nach Bielefeld gezogen:

    "Den Studiengang in der Form gibt es in Deutschland nur drei-, viemal und in Bielefeld hat einfach alles zusammengepasst. Man lernt hier nicht nur die Technik von den regenerativen Energien, sondern man bekommt auch Einblicke in die Branche."

    Einige Dozenten haben als Ingenieure im Bereich der Erneuerbaren Energien gearbeitet und geben in ihren Seminaren Einblicke in den Berufsalltag. Die Studierenden müssen mindestens ein Praktikum absolvieren und schreiben ihre Abschlussarbeit in einem Unternehmen.

    Aus diesem Grund hat sich die 20-jährige Ulrike Damris für den Studiengang eingeschrieben:

    "Ich finde das ganz wichtig, dass man die ganzen Techniken mitkriegt, sehr viel Praxis dabei hat. Und nicht nur die Theorie, denn vieles kann man sich gar nicht vorstellen. Wenn man das nur theoretisch sieht. Und später für den Beruf glaube ich, dass so was lieber genommen wird von der FH weil man schon mit Firmen zusammenarbeitet hat und diese Firmen, wenn man Praktikum gemacht hat, einen übernehmen."

    Aber bevor sich die angehenden Ingenieure für ein Praktikum bewerben, sollen sie sich Gedanken darüber machen, in welchem Bereich der regenerativen Energien sie später arbeiten möchten. Ein komplettes Seminar widmet sich dieser Selbstreflexion - eine Idee des Dekans Bernd-Josef Schumacher.

    "Es soll dazu dienen, dass die Studierenden sich mit sich selbst ihrer Motivation und ihrer Zielsetzung befassen. Es gibt dann von einem versierten Kollegen, der Projektmanagement und solche Dinge beherrscht, einen Einführungskurs, wie man Dinge aufarbeitet, wie man an Material und Informationen kommt. Das Ziel ist aber, dass die Studierenden sich selbst damit beschäftigen, was sie eigentlich machen wollen und wo die Reise hingeht."
    In einem Seminar über die eigenen Wünsche zu sprechen, sich Gedanken über die berufliche Zukunft zu machen - das ist für die meisten Studierenden eine angenehme Erfahrung. Schnell wird dabei auch klar: Die Vorstellungen vom späteren Arbeitsfeld sind ganz unterschiedlich. Der Student Sebastian Raab möchte am liebsten Solar- oder Biogasanlagen bauen:

    "Eine Vision von mir ist, dass man vier oder fünf Jahre in Afrika arbeiten könnte an einem bestimmten Projekt - in Afrika liegen ja auch große Potenziale in der regenerativen Energie vor allem in der Solartechnik - und da die Sprachkenntnisse auszubauen und Erfahrungen zu sammeln. Ich möchte auf jeden Fall was tun, was sinnvoll ist."

    Manche der Studierenden möchten später im organisatorischen oder politischen Bereich arbeiten. Ulrike Damres plant, ins Ressourcenmanagement zu gehen. Also Konzepte zu entwickeln, wie durch eine optimale Organisation Rohstoffe und Energie gespart werden können:

    "Ich finde es sehr wichtig, dass man auf die Umwelt achtet. Und deswegen will ich das auch mit meinem Beruf später unterstützen und schon dafür sorgen, dass die Umwelt mehr geschützt wird und deswegen bin ich in diese Berufssparte auch reingegangen."

    Eine Mathematik-Vorlesung am Nachmittag - die Theorie gehört natürlich zur Ausbildung. Aber die ist facettenreicher als in anderen ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen: Hier wird neben den klassischen Grundlagen wie Elektrotechnik auch Biochemie, Mikrobiologie, Englisch und Betriebswirtschaftslehre gelehrt. Das Ganze ist sehr breitgefächert angelegt. Der Dekan Bernd-Josef Schumacher hat dadurch auf den Mangel an Einschreibungen für Maschinenbau und Elektrotechnik reagiert:

    "Wir sind mittlerweile nicht nur im Land NRW in einer Situation, dass Hochschulen angebotsorientiert arbeiten müssen. Das heißt also nicht einfach auf die Nachfrage warten, möchte jemand bei uns studieren, sondern wir müssen Angebote wie jedes andere Unternehmen erstellen. Und das so platzieren, dass wir Kunden haben, also dass wir Studienbewerber haben auf dieses Angebot."

    Auch die Nachfrage für das kommende Semester ist groß und die FH rechnet mit steigenden Studierendenzahlen. Der ingenieurwissenschaftliche Nachwuchs hat also ein klare Entscheidung getroffen und die heißt erneuerbare Energien.