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Studienangebot wächst - nur die Kapazitäten nicht!

Der Arbeitsmarktexperte Theo Bühler vom Wissenschaftsladen in Bonn hat mehr Professorenstellen im Bereich "Erneuerbare Energien" in Deutschland gefordert. Zwar wachse das Ausbildungsangebot, gleichzeitig bestehe jetzt schon ein erkennbarer Fachkräftemangel. Hinzu komme, dass sich von den 241 gefundenen Studienangeboten zum Thema nur 41 ausschließlich mit erneuerbaren Energien befassten.

Moderation: Kate Maleike |
    Kate Maleike: Dass Wind, Wärme und auch Wasser nicht nur für das Klima eine gute Zukunftsperspektive bieten, sondern auch gute Jobchancen mit sich bringen, das ist inzwischen bekannt. Weltweit entstehen viele, viele grüne Arbeitsplätze. Aber gibt es in Deutschland auch genügend Ausbildungs- und Studienangebote, um genügend Fachkräfte zu stellen? Und welche Anforderungen erheben Unternehmen in dieser Hinsicht an ihre Mitarbeiter? Dies herauszufinden, war der Auftrag, den der Wissenschaftsladen in Bonn vom Bundesumweltministerium bekam. Theo Bühler ist dort Arbeitsmarktexperte, und er hat die Studie auch mit betreut. Guten Tag, Herr Bühler!

    Theo Bühler: Guten Tag, Frau Maleike!

    Maleike: Welche Antwort konnten Sie denn geben, haben wir genug Ausbildungs- und Studienangebote im Bereich erneuerbarer Energien?

    Bühler: Wir haben derzeit genug, aber gleichzeitig haben wir jetzt schon auch einen erkennbaren Fachkräftemangel. Mehr als 50 Prozent der Unternehmen aus der Erneuerbare-Energie-Branche insgesamt haben bei unserer Befragung und auch bei anderen Befragungen jetzt schon gesagt, dass sie nicht genügend beziehungsweise nicht speziell genug ausgebildeten Nachwuchs und Fachkräfte zur Verfügung haben.

    Maleike: Welche Zahlen konnten Sie denn ermitteln?

    Bühler: Wir gehen davon aus, dass wir 2006 234.000 Beschäftigte in der Branche haben. Und das Interessante dabei ist oder das Beeindruckende, dass in den letzten zehn Jahren wir damit im Bereich der erneuerbaren Energien einen Zuwachs von annähernd 15 Prozent jährlich hatten, und gleichzeitig werden derzeit sogar höhere Zuwachsraten angenommen, was die Beschäftigtenzahlen anbelangt. Und das wird mittelfristig nach jetzigen Prognosen und Berechnungen weitergehen bis zum Jahr 2030, wo Roland Berger Unternehmensberatung 710.000 Beschäftigte für die erneuerbaren Energien vorausgesagt hat.

    Maleike: Lassen wir uns ein bisschen über die Hochschulen reden. Wie viel Studiengänge haben wir da in dem Bereich?

    Bühler: Es ist tatsächlich so, dass wir im Frühjahr 2007 über alle Landeshochschul- und Wissenschaftsministerien eine Befragung gemacht haben, um mal einen guten Überblick zu bekommen, welche Studienangebote für den Bereich der erneuerbaren Energien derzeit zur Verfügung stehen beziehungsweise bis 2008 geplant sind. Und wir haben 241 Studienangebote identifizieren können bundesweit. Allerdings, und das ist sozusagen der ganz wichtige Punkt, die sind sehr unterschiedlich, auch sehr unterschiedlich mit den Anteilen, die Inhalte und Fragestellungen zu erneuerbaren Energien beinhalten. Also wir haben unterteilt, knapp mehr als 100 dieser Studiengänge greifen das Thema erneuerbare Energien auf, aber vertiefen es nicht stark. Das muss auch kein Schaden sein, weil die Studiengänge im Bereich Maschinenbau, Elektrotechnik sind auch Basisstudiengänge nach wie vor für die erneuerbaren Energien, und wenn die verstärkt Aspekte, spezifische Aspekte der Erneuerbaren aufgreifen, dann ist das gut. Sie müssen nicht sich sofort vollständig umstellen. Wir haben gleichzeitig einen großen Teil von Studiengängen, nämlich gut 140, die zumindest Studienschwerpunkte, Studienrichtungen, Vertiefungsrichtungen im Bereich der erneuerbaren Energien anbieten. Und wir haben - damit relativiert sich die große Zahl von fast 250 Studiengängen - insgesamt allerdings nur 41 Studiengänge, und das sind hauptsächlich auch Aufbau- und Master-Studiengänge, die sich ausschließlich, also wo sozusagen der Studiengegenstand die erneuerbaren Energien insgesamt sind. Aber wir haben einen guten Zuwachs in diesem Bereich, nämlich es werden immer mehr Studienangebote geschaffen, insbesondere auch im Fachhochschulbereich.

    Maleike: Also die Hochschulen haben das Thema für sich entdeckt, aber nehmen sie es auch wirklich ernst?

    Bühler: Ja, wenn man den Indikator Ausstattung der Studiengänge zurate zieht, nämlich wie viel Hochschullehrer, wie wird die Lehre ausgebaut, dann ist nach den Zahlen, die wir erhoben haben, da sicherlich ein Rückstand zu konstatieren. Also es ist so, dass wir da auch insgesamt, man muss da auch wieder differenzieren, so etwa 290 Professoren identifiziert haben, die erkennbare Anteile erneuerbarer Energien in Forschung und Lehre betreiben. Aber eben eine deutlich geringere Zahl, die sich darauf spezialisiert haben, nämlich zwischen 30 und 40, sage ich mal vorsichtig. Und wenn man gleichzeitig sieht, dass ein guter Master-Studiengang, der sich auf erneuerbare Energien spezialisiert, nach Aussage auch der einschlägigen Hochschullehrer drei bis vier Hochschullehrer braucht, die fundiert mit Schwerpunkt in diesem Bereich arbeiten, dann kann man doch sehen, dass da immer noch eine hohe Diskrepanz ist und aus unserer Sicht die Hochschullehre ausgebaut werden müsste. Es müssten mehr Professorenstellen geschaffen werden, damit die vielen Studiengänge auch fachlich in Lehre und auch in Forschung gut betreut werden können.

    Maleike: Gäbe es die denn?

    Bühler: Da muss auch auf Länderseite mehr getan werden, das ist sehr unterschiedlich. Also norddeutsche Bundesländer, die beispielsweise die Windbranche verstärkt vor Ort haben, da gibt es natürlich auch im Hochschulbereich mehr Angebote. Aber wir brauchen das flächendeckend. Und die Master-Studiengänge, die ja bei uns doch in einem gewissen Umfang entstanden sind, sind zum großen Teil schon international ausgerichtet, das ist ganz wichtig. Also gute Studenten, Master-Studenten, also Postgraduierte, hierher zu holen, die natürlich dann bei der guten Arbeitsmarktsituation auch den Unternehmen weiterhelfen können.

    Maleike: In "Campus & Karriere" war das Theo Bühler vom Wissenschaftsladen in Bonn. Nach seinen Studien gibt es noch zu wenig Professoren für den Wachstumsbereich erneuerbare Energien. Herzlichen Dank für das Gespräch.

    Info:
    Wissenschaftsladen Bonn