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Steigender Trend

Klimaforschung. - Der Sommer ist die klassische Zeit für Gewitter. Die starke Sonne heizt die Luft am Tage auf, dann muss nur noch ein Paket kühlere Luft hinzukommen und es kracht in der Atmosphäre. Klimaforscher aus Karlsruhe haben jetzt untersucht, wie sich die Häufigkeit der Gewitter über Deutschland in Zukunft verändern wird.

Von Volker Mrasek |
    Der Raum südlich von Stuttgart – dort war das Unwetter am vergangenen Wochenende besonders heftig:

    "Es war unglaublich feucht. Es war unglaublich warm. Temperaturen über 30 Grad, zumindest in Baden-Württemberg. Und dann kam nachfolgend eine Kaltfront, das heißt kühlere Luft. Und da ist eben diese kalte Luft auf die Warmluft gestoßen."

    Das Geschehen im Rückblick eines Experten. Michael Kunz leitet eine Arbeitsgruppe für Atmosphärische Risiken am KIT, dem Karlsruher Institut für Technologie. Die Kollision der Luftmassen hatte eine ausgeprägte Konvektion zur Folge, also den raschen Aufstieg feucht-warmer Luft:

    "Das war ein sogenanntes mesoskaliges konvektives System. Eine eingelagerte Konvektion in einem großen Niederschlagsgebiet. Und diese Konvektion, die war enorm stark. Wir hatten Hagel bis fünf bis sieben Zentimeter Durchmesser. Wir hatten aber auch Starkwindböen bis Orkanwindstärke."

    Die Bedingungen für solche Starkgewitter, die am Ende sogar Hagelstürme hervorbringen können, werden immer besser. Nicht nur in Deutschland, sondern überhaupt in Westeuropa. Das lässt sich aus frisch veröffentlichten Studien der Karlsruher Forscher ableiten. An ihnen beteiligt war auch die Meteorologin Susanna Mohr. Ihre Analysen zeigen, ...

    "daß eben in den letzten 20 bis 30 Jahren in Deutschland die Gewitter-Aktivität zugenommen hat. In Europa, gerade so in den mittleren Teilen – Deutschland, Frankreich, Nordspanien – sieht man auch, daß das Gewitterpotential zugenommen hat."

    Besonders deutlich drückt sich das in der Zahl der Hageltage während des Sommerhalbjahres aus. Mohr:

    "Beispielsweise habe ich für Baden-Württemberg ungefähr für einen Zeitraum von 30 Jahren festgestellt, daß wir inzwischen 16 Tage mehr haben, die ein Hagelpotential zeigen. München, da sind es ungefähr 14 Tage. Und im Norden habe ich dann beispielsweise Schleswig. Da sind es nur fünf Tage."

    Aber auch dort: ein Anstieg der hagelträchtigen Tage zwischen April und September, der Saison für Sommergewitter. Daß es im Süden häufiger blitzt und donnert, überrascht Michael Kunz nicht:

    "Das kann man einfach mit der Klimatologie erklären. Also je weiter wir im Süden sind, um so wärmer ist es und so stärker ist die Feuchtigkeit erhöht. Und damit ist eben das Gewitterpotential am größten."

    Die Karlsruher Meteorologen sprechen übrigens ganz bewusst nur von Tagen mit dem Potential für Starkgewitter und Hagelschlag. Denn zuverlässige Messreihen über die Häufigkeit dieses Wetterphänomens gibt es nicht. Mit Radargeräten am Boden lassen sich zwar Regenwolken verfolgen. Doch können sie Hagelkörner und Wassertropfen im Inneren der Wolken nicht sicher voneinander unterscheiden. Ein weiteres Problem: Verlässliche Blitz-Beobachtungen in Deutschland gibt es erst seit etwas mehr als zehn Jahren. Deswegen mussten sich die Forscher anders behelfen. Sie durchmusterten die Wetteraufzeichnungen der letzten drei Jahrzehnte nach bestimmten meteorologischen Kenngrößen. Michael Kunz nennt sie konvektive Parameter:

    "Das sind Maßzahlen, mit denen man das Potential der Atmosphäre für die Entstehung von Gewitterstürmen und damit auch von Hagel bestimmen kann. Das sind beispielsweise Temperaturen in verschiedenen Höhen. Und das sind Feuchtegehalte in verschiedenen Höhen."

    Daß die Bedingungen für starke Sommergewitter in Westeuropa immer besser werden, liegt am Klimawandel und den steigenden Temperaturen. Kunz:

    "Das Entscheidende ist, daß damit auch gleichzeitig die Feuchtigkeit vor allem in bodennahen Luftschichten zugenommen hat. Also, wir haben eine Zunahme der Temperatur, eine Zunahme der Verdunstung und damit auch eine deutliche Zunahme der – ja, was wir als latente Energie bezeichnen."

    Starkgewitter mit Hagelschlag kommen besonders dann vor, wenn feuchte Luftmassen aus Südwesten heranströmen. Wie verhält es sich in Zukunft mit solchen Großwetterlagen? Auch das hat die Arbeitsgruppe von Michael Kunz untersucht, mit Hilfe von Klimasimulationen. Das Ergebnis. Bis zur Jahrhundertmitte könnte die Zahl von Hagelwetter-Tagen in Deutschland um zehn bis 15 Prozent zugenommen haben, verglichen mit dem Durchschnitt der Jahre 1971 bis 2000.