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Stein gewordene Methusalems

Paläontologie. - Über den Auftritt des ersten Lebens in der vier Milliarden Jahre langen Geschichte der Erde lässt sich viel rätseln, denn weil die Erdoberfläche stetig umgewälzt wird, sind Beweise kaum zu finden. In ältesten Felsbrocken stießen Forscher jetzt auf faszinierende Spuren unserer Urahnen.

Von Gabor Paal |
    Knapp dreieinhalb Milliarden Jahre sind die Sedimente alt, in der westaustralischen Pilbara-Wüste. Dort forscht die australische Geowissenschaftlerin Abigail Allwood.

    "Es sind die ältesten gut erhaltenen Sedimentgesteine, das ist für uns das nahezu das einzige Fenster in die Frühzeit des Lebens, das wir haben."

    In diesen Gesteinsformationen finden sich millimetergroße Strukturen, zum Teil länglich, zum Teil kegel- oder säulenförmig. Bereits vor knapp 30 Jahren wurden diese Strukturen als Stromatolithen gedeutet, das heißt als fossile Produkte frühester Mikroorganismen, so genannter Cyanobakterien. Dies gilt seitdem als Hinweis, dass es schon in dieser frühen Phase der Erde, als es noch kaum Sauerstoff gab und sich die Erdkruste gerade erst gebildet hatte, die ersten Organismen gab. Denn diese Strukturen in den alten Gesteinen ähneln Stromatolithen, wie sie heute noch gebildet werden, gerade auch an der australischen Küste gibt es gute Beispiele.

    Doch die Wissenschaftler sind in den letzten Jahrzehnten vorsichtiger geworden mit solchen Deutungen. Einige angebliche Lebensspuren hatten sich bereits als rein anorganische Produkte entlarvt – und vor drei Jahren erst konnten Forscher solche Strukturen wie in den australischen Gesteinen auch im Labor erzeugen – völlig unbiologisch ohne irgendwelche Organismen. Waren also die angeblichen frühen Lebensspuren nur reine Chemie? Abigail Allwood hat einige der Gesteine nun noch einmal gründlicher untersucht, und zwar über ein Gebiet von zehn Kilometern Länge. Dabei hat sie nicht nur auf die kleinen Strukturen geachtet, sondern auf das Gesamtbild. Einige der Formen sind bis zu zehn Meter mächtig, und so wie sie aufgebaut seien, sagt die Forscherin, spreche alles dafür, dass Lebewesen daran beteiligt waren.

    "Mir fiel auf, es gibt nicht nur eine Art, wie diese Strukturen ausgebildet sind, sondern verschiedene Formen, von ganz einfachen kegelförmigen Gebilden bis hin zu komplexen verzweigten Säulenstrukturen. Gerade die steilen kegelförmigen Strukturen, die im Profil ein bisschen so aussehen wie umgedrehte Eistüten, lassen sich kaum durch normale geologische Ablagerungsprozesse erklären, gerade auch wenn man sich die Schichtung in diesen Kegeln ansieht."

    Auch sonst gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Stellen, wo die Stromatolithen ausgebildet sind und anderen Stellen, die dazwischen liegen, wo die Sedimente offenbar rein mechanisch abgelagert wurden: Dort sind die Gesteinskörner, wie man es von anderen Meeresablagerungen kennt, sortiert: die gröberen Körner liegen unten, die feineren oben. Bei den mutmaßlichen Fossilien ist es nicht so – die Korngrößen sind gleichmäßig verteilt. Auch in anderer Hinsicht gleichen die Stromatolithen-Strukturen nicht etwas, was von einfach von oben nach unten abgelagert wurde, sondern etwas, was von innen nach außen gewachsen ist, wo also Organismen nach und nach Material an sich gebunden haben und immer größere Strukturen aufgebaut haben.

    "Das Ganze ähnelt im Grunde einem Riff, wie wir es heute von Korallen kennen. Nur dass diese Riffe eben ausschließlich von Mikroorganismen aufgebaut wurden. "

    Allwood spricht von einem regelrechten Ökosystem aus verschiedenen Mikroorganismen, das sich dort in den Fossilien widerspiegele. Diese Vielfalt und die Riffstruktur sprächen deutlich für einen biologischen Ursprung, meint sie. Wenn Allwood Recht hat, dann haben die Organismen, die diese Riffe hervorbrachten, einst im Tidenbereich gelebt, in der Zone zwischen Ebbe und Flut. Andererseits gibt es Theorien, wonach das erste Leben weiter unten im dunklen Ozean entstanden ist, an heißen Quellen, wo auch heute noch sehr urtümliche Organismen leben. Doch das ist kein Widerspruch. Das Leben mag dort unten im Ozean begonnen haben, doch die ersten Fossilien sind offenbar erst im Flachwasserbereich entstanden.

    "Wenn wir uns die Vielfalt dieser Stromatolithen anschauen und wie abrupt sie im Gestein auftauchen, weist das für mich darauf hin, dass das Leben schon vorher da war, nur eben keine Spuren hinterlassen hat. Die Stromatolithen sind die ältesten Zeugnisse, die wir haben."

    Allwood geht noch einen Schritt weiter: Wenn es unter den harschen Bedingungen auf der frühen Erde schon Leben gegeben hat, seien die Chancen umso größer, Spuren von Leben auch auf anderen Planeten zu finden.