Archiv


Steinbrück: Gesetz soll Unternehmens-Beteiligungen regeln

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück will mit einem so genannten Unternehmens-Beteiligungsgesetz verhindern, dass sich Hedge-Fonds in Unternehmen einkaufen können, nur um sie dann kurzfristig zu rekapitalisieren. Dieses "systematische Auslutschen von Unternehmen" sei zu kritisieren, sagte der SPD-Politiker.

Moderation: Jürgen Zurheide |
    Jürgen Zurheide: Die international operierenden Hedgefonds, sie bewegen unvorstellbar große Summen. 1,4 Billionen haben sie an Kapital angesammelt, und dieses Geld wird in die Übernahmen von Firmen gesteckt. Weil diese Übernahmen allerdings weitgehend kreditfinanziert sind, haben sie unter dem Strich natürlich weit mehr als diese 1,4 Billionen zur Verfügung. Das ist insgesamt dann ein Vielfaches zum Beispiel der wirtschaftlichen Leistung einer Volkswirtschaft wie Deutschland in einem Jahr. Bei diesen Finanzsummen entstehen natürlich Gefahren, und darüber wird neuerdings vermehrt diskutiert. Altbundeskanzler Helmut Schmidt hat darauf hingewiesen, und auch Finanzminister Peer Steinbrück sieht hier Handlungsbedarf. Bei seiner aktuellen Reise in die Vereinigten Staaten, in die USA, hat er darüber unter anderem mit seinen Kollegen dort gesprochen. Wir haben ihn jetzt am Telefon in New York. Guten Morgen Herr Steinbrück!

    Peer Steinbrück: Guten Morgen Herr Zurheide!

    Zurheide: Herr Steinbrück, haben Sie denn Ihren amerikanischen Kollegen Paulson davon überzeugen können, dass man etwas tun muss? Wie ist die Haltung der Amerikaner, bewegt sich da was?

    Steinbrück: Na ja, wir sind sogar einen Schritt weiter, denn nicht nur der amerikanische Finanzminister, auch der britische Finanzminister, um die zwei wichtigsten Partner in diesem Zusammenhang zu nennen, waren ja schon einverstanden bei dem G7-Treffen in Essen, mit mir diese Diskussion zu beginnen, wie schätzen wir mögliche Risiken aus den Aktivitäten von Hedgefonds ein, wie verhält sich das mit Blick auf den Schutz von Investoren, zum Beispiel auch von Pensionären in den USA, die Kapitalsammelstellen Pensionsfonds Geld geben, die dann wieder Hedgefonds kreditieren. Was passiert, wenn da mal ein Dominostein umknickt und vier oder für andere weiter mit ins Unglück reißt? Das sind Fragen, die hier in den USA auch von den Zentralbank, der FED, oder von der Aufsichtsbehörde durchaus aufgegriffen werden.

    Zurheide: Sehen Sie denn eine Chance zum Beispiel für die Offenlegung und die Transparenz, das ist ja das Stichwort, wo man sich möglicherweise am ehesten verständigen könnte, dass man überhaupt weiß, wo sind denn überhaupt welche Risiken und zum Beispiel, welche Banken haben Kredite gegeben? Das ist bisher ja alles nicht bekannt.

    Steinbrück: Gut, darum geht es genau an der ersten Stelle. Es geht da um drei oder vier Fragen: Erstens, welche Informationen brauchen wir, zweitens, wer soll diese Informationen geben, drittens, an wen sollten diese Informationen gegeben werden, und viertens, sollen die Informationen freiwillig oder, wenn Sie so wollen, durch ein Regelsystem organisiert werden. Das sind die vier entscheidenden Fragen. Mich beschäftigt am meisten, dass in der Tat die Geschäftspartner von Hedgefonds besser eigene Risikoprofile werden erarbeiten müssen, um damit eine Wahl treffen zu können, ob sie solche Geschäftsbeziehungen eingehen, Ja oder Nein. Und die notwendigen Informationen haben sie bisher nicht, um solche Risikoprofile zu bewerten.

    Zurheide: Sind die Amerikaner denn möglicherweise auch bereit, über diese Freiwilligkeit hinaus zu gehen, denn das scheint ja der Knackpunkt im Moment zu sein?

    Steinbrück: Ja, da muss man vorsichtig sein. Es macht keinen Sinn, dass ich mich in Deutschland auf die Apfelsinenkiste des öffentlichen Marktplatzes stelle und besonders mit dem pädagogischen Zeigefinger rumfimmel und kraftmeierische Aussagen treffe. Dann stoße ich alle Partner, die ich brauche, ab, dann kommen die nicht mehr an meinen Tisch, sondern ich muss eine werbende, eine einladende Bewegung machen. Das bedeutet, dass ich in der Tat mindestens anfange, versuche die überzeugen, dass man eine Art Wohlverhaltensklausel verabreden kann. Da gibt es eine Reihe von Bedingungen, die muss man definieren. Können wir eines Tages zu einer Verabredung kommen, wo selbst die Hedgefonds ein großes Interesse haben, sich so auf dem Markt zu bewegen, dass Risiken ausgeschlossen werden können, weil, wenn es eine gäbe, sie auch mit in Mitleidenschaft gezogen werden. Das ist das, was ich im Augenblick versuche. Es macht keinen Sinn, wie ich finde, gleich mit Regulierungen zu drohen. Dann kriege ich den ganzen angloamerikanischen Bereich garantiert nicht an den Tisch.

    Zurheide: Wie sieht das denn die Finanzwelt, denn die politische Welt ist das eine, Wallstreet selbst, Sie sind im Moment in New York, wo wir Sie erreichen, wie sehen die das dort? Gibt es da erste Bereitschaft zu sagen, ja, das könnte sinnvoll sein?

    Steinbrück: Ja. Also Sie treffen eine ganze Reihe von Managern, die zugeben, dass diese Transparenz jedenfalls höher sein müsste. Sie treffen insbesondere bei der amerikanischen Zentralbank einige Leute, die das Risiko genauso einschätzen oder identifizieren wie wir auch. Das heißt, da ist eine Aufgeschlossenheit, sich mit dieser Materie zu beschäftigen. Die muss man nutzen. Nur noch einmal: Es macht keinen Sinn, nach dem Motto "Hier stehe ich und ich kann nicht anders" wieder alle, sagen wir mal, zu pädagogisieren und zu erpressen fast geradezu mit den eigenen Anliegen, die man dabei hat, sondern man muss werbend, auch ein bisschen diplomatisch dabei auftreten.

    Zurheide: Nun gibt es die Ideen, zum Beispiel vielleicht auch die Mitbestimmung in solchen Fällen bei Unternehmensübernahmen in Deutschland mit geringem Eigenkapital auszudehnen. So was als Alleingang können Sie sich im Moment nicht vorstellen?

    Steinbrück: Na ja, wir werden wahrscheinlich bis zum Ende des Jahres einen Entwurf eines so genannten Unternehmensbeteiligungsgesetzes haben, zeitgleich zur Einführung der Unternehmenssteuerreform. Dabei wird es auf der einen Seite um die Beförderung auch von Wagniskapital gehen und Beteiligungskapital, gerade auch für Existenzgründer in Deutschland. Das wollen wir ja. Wir wollen ja unternehmende Unternehmer unterstützen. Aber auf der anderen Seite reden wir auch über Erscheinungsformen, die wir nicht gut finden, im Gegenteil, die wir kritisieren, also zum Beispiel das systematische Auslutschen von Unternehmen, die so genannte Rekapitalisierung, wo Sonderausschüttungen an den neuen Eigentümer organisiert werden, die der dann selber mit Krediten finanzieren muss. Das sind Erscheinungsformen, die, wie ich finde, auch dabei aufgegriffen werden sollten.

    Zurheide: Und die Sie unterbinden möchte?

    Steinbrück: Ja, weil ich das für falsch halte, weil Sie damit ein Unternehmen nur kurzfristig am Markt halten, anschließend werfen Sie es buchstäblich weg. Sie investieren nicht in eine Strategie, das Unternehmen langfristig auf dem Markt wettbewerbsfähig zu halten.

    Zurheide: Jetzt haben Sie gerade die Unternehmenssteuerreform schon angesprochen, die zwar nicht in einem direkten, aber vielleicht indirekten Zusammenhang zu diesem Thema steht. Die neuesten Meldungen aus Deutschland werden Sie kennen, die SPD möchte möglicherweise, oder einige in der SPD, nicht auf 30 Prozent runter, sondern auf 32, und die Union sagt, der Mittelstand kommt nicht so gut weg. Wird dieses Gesetz den Bundestag so verlassen, wie Sie es reingebracht haben?

    Steinbrück: In der Substanz: Ja. Und Sie merken ja, das sind teilweise widerstreitende Interessen. Die einen sagen, es ist zu viel, die anderen sagen, es ist zu wenig. Die einen sagen, mit der Zinsschranke gehst du zu weit, die anderen sagen, mit der Zinsschranke gehst du nicht weit genug. Und wir bewegen uns in einer Koalition. Ich habe den Eindruck, dass ich als Weltkind in der Mitten doch damit rechnen kann, dass im Wesentlichen die Substanz dieser Unternehmenssteuerreform so auch Gegenstand des Gesetzblattes wird. Ob an der einen oder anderen Stelle an Schrauben nachjustiert wird im parlamentarischen Verfahren, ist nicht auszuschließen.