Silvia Engels: Vor Monaten war es noch undenkbar, gestern wurde es Realität: der einst größte Autoproduzent der Welt, General Motors, hat Insolvenz angemeldet. Vor allem in den USA werden Tausende von Mitarbeitern ihren Job verlieren, Werke werden geschlossen werden.
Damit Opel nicht mit in die GM-Insolvenz gezogen wird, hatten die Opel-Spitze, Investoren und Regierungsvertreter in der Nacht zum Samstag einen eigenen Plan für Opel festgelegt. Der besteht aus einem Vorvertrag zwischen GM und dem Kaufinteressenten Magna, einem Treuhandvertrag, der den Abfluss staatlicher Mittel in die Konkursmasse von GM verhindern soll, und einem Vertrag, der die staatlichen Überbrückungskredite von 1,5 Milliarden Euro sichert. Kurzfristige Liquidität für Opel soll von Magna kommen. So ist das gedacht und zugeschaltet ist uns der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Guten Morgen!
Peer Steinbrück: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Muss Opel also die Insolvenz von GM nun wirklich nicht mehr kümmern, oder sind indirekt doch noch die deutschen Steuermilliarden bedroht?
Steinbrück: Wir haben alles getan, damit Opel in diese Insolvenz in den USA nicht hineingezogen wird, insbesondere durch den Treuhandvertrag mit Zustimmung des US-Finanzministeriums, meines Kollegen Tim Geithner drüben in den USA, damit deutsche Gelder nicht plötzlich abfließen und Bestandteil der Insolvenzentwicklung in den USA werden. Im übrigen wird deutlich, dass diese Insolvenz in den USA den kanadischen und amerikanischen Staat noch mal 40 Milliarden US-Dollar kosten. Da können Sie sehen, dass es vielleicht doch nicht so falsch gewesen ist, was wir hier gemacht haben.
Engels: Gestern haben Sie Ihr Konzept vor dem Haushaltsausschuss des Bundestages vorgestellt und dort haben Sie laut Teilnehmerangaben nach wie vor eine Insolvenz Opels nicht endgültig ausgeschlossen. Wie könnte das denn noch passieren?
Steinbrück: Ich habe dessen gleichen gar nichts gemacht, nicht die Bohne, sondern ich habe darauf hingewiesen, dass selbstverständlich alle Beteiligten an diesem Tisch in der Nacht von Freitag und Samstag sich der Risiken bewusst gewesen sind. Nur die Bundesregierung ist einschließlich von Herrn Guttenberg in einer Gesamtbetrachtung zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Lösung, die wir jetzt haben, ehrgeizig und konstruktiv verfolgt werden sollte, erstens weil wir einen Investor haben – und vor wenigen Wochen haben doch in Deutschland alle Auguren gesagt, man kriegt gar keinen privaten Investor -, der hat ein industrielles Konzept vorgelegt, ein Finanzierungskonzept, der hat dem Bund Sicherheiten überlassen, und unbenommen bestehender Risiken, die ich gar nicht in Abrede stelle, kommt man zu dem Ergebnis, dass das unter den obwaltenden Bedingungen bei uns die bessere Lösung ist.
Engels: Wirtschaftsminister zu Guttenberg – Sie haben ihn angesprochen -, er gehört der CSU an und er war skeptisch gegenüber diesem Lösungspaket. Dem "Straubinger Tagblatt" hat er nun gesagt, "die SPD habe durch vorauseilende Versprechungen und das Ausschließen von Optionen die eigene Position in unverantwortlicher Weise geschwächt". Werfen Sie sich Verhandlungsfehler vor?
Steinbrück: Nein, denn er ist ja beteiligt gewesen und er hat sich dieser Gesamtbetrachtung, Gesamtabwägung, wie ich schon zitiert habe, ja angeschlossen. Dass er unter diesem Dach eine andere Risikobewertung gemacht hat, hat er deutlich gemacht. Trotzdem erwarte ich, dass er seine Zusagen gegenüber der Bundeskanzlerin und gegenüber auch dem Vizekanzler und mir einhält und in seiner Verantwortung konstruktiv jetzt die Umsetzung betreibt. Genau das hat er uns versichert und deshalb wäre ich etwas irritiert, wenn es sagen wir mal schleichende Seitwärtsbewegungen geben würde.
Engels: Dennoch: hat die SPD durch ihre vorzeitige Festlegung, eine Insolvenz für Opel auszuschließen, die Preise nach oben getrieben?
Steinbrück: Das kann ich nicht erkennen, denn Sie müssen ja sehen, welche Preise sind denn da, wenn Opel hier in Deutschland oder in Europa insolvent gegangen wäre. Ich finde die Leichtfertigkeit, mit der darüber hinweggegangen wird, unverantwortlich. Wir hätten ein Massedarlehen dem Unternehmen bereitstellen müssen. Die Bundesagentur hätte für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mindestens drei Monate, glaube ich, Insolvenzgeld zahlen müssen, der Pensionssicherungsverein, damit die Betroffenheit vieler anderer deutscher Industrieunternehmen, wäre massiv betroffen gewesen, wir hätten es mit Folgeerscheinungen bei den Zulieferern, bei den Händlern zu tun gehabt, und all dies wird mit einer Armbewegung weggeschoben?
Engels: Haben denn allerdings nun die Firma Magna und ihre russischen Partner die schöne Situation, dass sie mögliche Gewinne bei Opel einfahren können, doch für Risiken haftet der deutsche Staat und damit der Steuerzahler?
Steinbrück: Nein. Das kann ich nicht erkennen, weil der Magna-Chef versichert hat, solange es für den Staat Verluste aus dem Überbrückungsdarlehen gibt, dass wir garantieren, dass es zu keinen Dividendenausschüttungen kommt. Das ist Bestandteil auch des sogenannten "Memorandums of Understanding", das unterzeichnet worden ist. Es hat eine Veränderung gestern gegeben, die ich gerne öffentlich machen möchte, dahingehend, dass Magna nicht mehr an einem Brückenkredit beteiligt ist am kurzen Ende, sondern wir sind in der Lage gewesen, durch ein sehr zügiges Arbeiten und auch unter Berücksichtigung beihilferechtlicher Fragen heute Opel die erste Tranche des staatlich garantierten Überbrückungskredites auszuzahlen.
Engels: Das heißt, Magna spart noch ein wenig Geld?
Steinbrück: Magna spart sagen wir mal am kurzen Ende 300 Millionen, die sie sonst für wenige Tage bereitgestellt hätten; dafür sparen wir die damit verbundenen Zinsaufwendungen und setzen schlicht und einfach den 1,5-Milliarden-Kredit, den die öffentlichen Hände, die Länder und der Bund garantieren, eher in Gang als wir gedacht haben.
Engels: Nun gibt es auch eine europäische Ebene von Opel. Die Regierungschefs anderer EU-Staaten mit Opel fürchten, die Sicherung deutscher Arbeitsplätze ginge nun zu Lasten der Opel-Werke in Belgien, Polen, Großbritannien oder Spanien. Was sagen Sie denen?
Steinbrück: Das denkt sich ja die deutsche Bundesregierung nicht aus, sondern das hängt zusammen mit dem industriellen Konzept, das Magna als Investor vorgelegt hat. Das heißt, es ist eine unmittelbare Entscheidung, die jetzt zu verhandeln ist zwischen Magna und General Motors in den USA, die ja immer noch mit, ich glaube, 30 bis 35 Prozent beteiligt sind, aber nicht mehr über das wirtschaftliche Eigentum von Opel beziehungsweise GM in Europa verfügen. Insofern ist das etwas, was Bestandteil des industriellen Konzeptes ist, aber von uns ja nicht politisch herbeigeführt.
Engels: Nun haben wir auch den Fall Arcandor. Der Touristik- und Handelskonzern will ebenfalls Hilfen und die Union lehnt das nun in weiten Teilen ab. CSU-Mittelstandspolitiker Michelbach warnt heute in der "Süddeutschen Zeitung" davor, die Staatskasse zum Plündern freizugeben. Daran müssen Sie als Finanzminister doch auch interessiert sein?
Steinbrück: Ja, sicher. Nur das sind ja Begrifflichkeiten, die etwas nahelegen sollen, was keiner beabsichtigt. Das ist Schaukampf. Kein Mensch ist auf der Seite der Regierung – und zwar egal auf welcher Bank, CDU/CSU oder SPD – bereit, die Staatskasse plündern zu lassen. Bei Arcandor bin ich dafür, dass das Für und Wider abgewogen wird – schlicht und einfach. Es kann sein, dass man zu dem Ergebnis kommt, dass es auch im Hintergrund von Arcandor noch Aktionäre oder Vermögenspositionen gibt, die herangezogen werden können, dann kommt eine Garantie nicht in Frage, und man kann auf der anderen Seite zu dem Ergebnis kommen, dass da ungefähr 50.000 Arbeitsplätze sind, die auch nicht so einfach im Hintergrund verschwinden können in der Betrachtung. Das heißt also, ich für meine Person setze mich dafür ein, dass in den bestehenden Gremien – das ist ein interministerieller Ausschuss und das ist ein Lenkungsausschuss beim Bundeswirtschaftsminister – das für und wider solide und ermessensfehlerfrei abgewogen wird und es keine Vorfestlegungen gibt.
Engels: Der Unterschied zu Opel könnte darin bestehen, dass Arcandor schon vor der Finanzkrise schwächelte und dass es hier starke Eigentümerfamilien gibt, die ja nun zuerst Anteil haben sollten. Sind das starke Argumente gegen Staatshilfe?
Steinbrück: Ja, Sie haben Recht. Ich deutete selber ja eben schon an, dass es dahinter auch noch Aktionäre gibt, die eventuell eher einstehen müssen als die öffentliche Hand. Sie haben völlig Recht. Und das andere Thema ist ein wichtiges. Sie haben es auf den Punkt gebracht. Die EU-Kommission will sehr darauf achten, ob Arcandor zu einem Stichtag, nämlich dem 01. Juli 2008, wenn man so will ein solventes Unternehmen gewesen ist, oder ein Unternehmen, das schon in Schwierigkeiten gewesen ist. Warum dieses Datum? Die EU-Kommission sagt, wenn es nach dem 01. Juli 2008 erst in Schwierigkeiten gekommen ist, dann kann man es schon der Finanzmarktkrise zuordnen und dann sind wir bereit, uns anders aufzustellen unter wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten.
Engels: Herr Steinbrück, über 1.200 Firmen haben laut Medienberichten mittlerweile in irgendeiner Form Staatshilfe beantragt. Opel ist ein Sonderfall, das ist klar, aber haben Sie damit ein Fass ohne Boden aufgemacht?
Steinbrück: Nein. Wir haben doch ganz gezielt im Rahmen des Konjunkturpaketes I ein 100-Milliarden-Programm beim Bundeswirtschaftsminister geplant, um genau auf solche Fälle einer drohenden Illiquidität oder einer drohenden Solvenz reagieren zu können. Das ist alles im Rahmen von Konjunkturpaket II debattiert und von vielen ja auch erwartet, gefordert worden. Und jetzt geht es darum, mit diesem Instrument vorsichtig umzugehen, so dass man möglichst Brücken baut und wenn man Brücken baut weiß, wo das gegenüberliegende Ufer ist. Das heißt, es kommt nicht jedes Unternehmen in Frage, aber eine Fall-zu-Fall-Prüfung ist doch im Sinne der Arbeitsplätze, der Aufrechterhaltung solcher Unternehmen in Deutschland und auch der Tatsache, dass wir über diese Krise nicht unsere industrielle Basis verlieren wollen.
Engels: Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Vielen Dank für das Gespräch heute Früh.
Damit Opel nicht mit in die GM-Insolvenz gezogen wird, hatten die Opel-Spitze, Investoren und Regierungsvertreter in der Nacht zum Samstag einen eigenen Plan für Opel festgelegt. Der besteht aus einem Vorvertrag zwischen GM und dem Kaufinteressenten Magna, einem Treuhandvertrag, der den Abfluss staatlicher Mittel in die Konkursmasse von GM verhindern soll, und einem Vertrag, der die staatlichen Überbrückungskredite von 1,5 Milliarden Euro sichert. Kurzfristige Liquidität für Opel soll von Magna kommen. So ist das gedacht und zugeschaltet ist uns der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Guten Morgen!
Peer Steinbrück: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Muss Opel also die Insolvenz von GM nun wirklich nicht mehr kümmern, oder sind indirekt doch noch die deutschen Steuermilliarden bedroht?
Steinbrück: Wir haben alles getan, damit Opel in diese Insolvenz in den USA nicht hineingezogen wird, insbesondere durch den Treuhandvertrag mit Zustimmung des US-Finanzministeriums, meines Kollegen Tim Geithner drüben in den USA, damit deutsche Gelder nicht plötzlich abfließen und Bestandteil der Insolvenzentwicklung in den USA werden. Im übrigen wird deutlich, dass diese Insolvenz in den USA den kanadischen und amerikanischen Staat noch mal 40 Milliarden US-Dollar kosten. Da können Sie sehen, dass es vielleicht doch nicht so falsch gewesen ist, was wir hier gemacht haben.
Engels: Gestern haben Sie Ihr Konzept vor dem Haushaltsausschuss des Bundestages vorgestellt und dort haben Sie laut Teilnehmerangaben nach wie vor eine Insolvenz Opels nicht endgültig ausgeschlossen. Wie könnte das denn noch passieren?
Steinbrück: Ich habe dessen gleichen gar nichts gemacht, nicht die Bohne, sondern ich habe darauf hingewiesen, dass selbstverständlich alle Beteiligten an diesem Tisch in der Nacht von Freitag und Samstag sich der Risiken bewusst gewesen sind. Nur die Bundesregierung ist einschließlich von Herrn Guttenberg in einer Gesamtbetrachtung zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Lösung, die wir jetzt haben, ehrgeizig und konstruktiv verfolgt werden sollte, erstens weil wir einen Investor haben – und vor wenigen Wochen haben doch in Deutschland alle Auguren gesagt, man kriegt gar keinen privaten Investor -, der hat ein industrielles Konzept vorgelegt, ein Finanzierungskonzept, der hat dem Bund Sicherheiten überlassen, und unbenommen bestehender Risiken, die ich gar nicht in Abrede stelle, kommt man zu dem Ergebnis, dass das unter den obwaltenden Bedingungen bei uns die bessere Lösung ist.
Engels: Wirtschaftsminister zu Guttenberg – Sie haben ihn angesprochen -, er gehört der CSU an und er war skeptisch gegenüber diesem Lösungspaket. Dem "Straubinger Tagblatt" hat er nun gesagt, "die SPD habe durch vorauseilende Versprechungen und das Ausschließen von Optionen die eigene Position in unverantwortlicher Weise geschwächt". Werfen Sie sich Verhandlungsfehler vor?
Steinbrück: Nein, denn er ist ja beteiligt gewesen und er hat sich dieser Gesamtbetrachtung, Gesamtabwägung, wie ich schon zitiert habe, ja angeschlossen. Dass er unter diesem Dach eine andere Risikobewertung gemacht hat, hat er deutlich gemacht. Trotzdem erwarte ich, dass er seine Zusagen gegenüber der Bundeskanzlerin und gegenüber auch dem Vizekanzler und mir einhält und in seiner Verantwortung konstruktiv jetzt die Umsetzung betreibt. Genau das hat er uns versichert und deshalb wäre ich etwas irritiert, wenn es sagen wir mal schleichende Seitwärtsbewegungen geben würde.
Engels: Dennoch: hat die SPD durch ihre vorzeitige Festlegung, eine Insolvenz für Opel auszuschließen, die Preise nach oben getrieben?
Steinbrück: Das kann ich nicht erkennen, denn Sie müssen ja sehen, welche Preise sind denn da, wenn Opel hier in Deutschland oder in Europa insolvent gegangen wäre. Ich finde die Leichtfertigkeit, mit der darüber hinweggegangen wird, unverantwortlich. Wir hätten ein Massedarlehen dem Unternehmen bereitstellen müssen. Die Bundesagentur hätte für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mindestens drei Monate, glaube ich, Insolvenzgeld zahlen müssen, der Pensionssicherungsverein, damit die Betroffenheit vieler anderer deutscher Industrieunternehmen, wäre massiv betroffen gewesen, wir hätten es mit Folgeerscheinungen bei den Zulieferern, bei den Händlern zu tun gehabt, und all dies wird mit einer Armbewegung weggeschoben?
Engels: Haben denn allerdings nun die Firma Magna und ihre russischen Partner die schöne Situation, dass sie mögliche Gewinne bei Opel einfahren können, doch für Risiken haftet der deutsche Staat und damit der Steuerzahler?
Steinbrück: Nein. Das kann ich nicht erkennen, weil der Magna-Chef versichert hat, solange es für den Staat Verluste aus dem Überbrückungsdarlehen gibt, dass wir garantieren, dass es zu keinen Dividendenausschüttungen kommt. Das ist Bestandteil auch des sogenannten "Memorandums of Understanding", das unterzeichnet worden ist. Es hat eine Veränderung gestern gegeben, die ich gerne öffentlich machen möchte, dahingehend, dass Magna nicht mehr an einem Brückenkredit beteiligt ist am kurzen Ende, sondern wir sind in der Lage gewesen, durch ein sehr zügiges Arbeiten und auch unter Berücksichtigung beihilferechtlicher Fragen heute Opel die erste Tranche des staatlich garantierten Überbrückungskredites auszuzahlen.
Engels: Das heißt, Magna spart noch ein wenig Geld?
Steinbrück: Magna spart sagen wir mal am kurzen Ende 300 Millionen, die sie sonst für wenige Tage bereitgestellt hätten; dafür sparen wir die damit verbundenen Zinsaufwendungen und setzen schlicht und einfach den 1,5-Milliarden-Kredit, den die öffentlichen Hände, die Länder und der Bund garantieren, eher in Gang als wir gedacht haben.
Engels: Nun gibt es auch eine europäische Ebene von Opel. Die Regierungschefs anderer EU-Staaten mit Opel fürchten, die Sicherung deutscher Arbeitsplätze ginge nun zu Lasten der Opel-Werke in Belgien, Polen, Großbritannien oder Spanien. Was sagen Sie denen?
Steinbrück: Das denkt sich ja die deutsche Bundesregierung nicht aus, sondern das hängt zusammen mit dem industriellen Konzept, das Magna als Investor vorgelegt hat. Das heißt, es ist eine unmittelbare Entscheidung, die jetzt zu verhandeln ist zwischen Magna und General Motors in den USA, die ja immer noch mit, ich glaube, 30 bis 35 Prozent beteiligt sind, aber nicht mehr über das wirtschaftliche Eigentum von Opel beziehungsweise GM in Europa verfügen. Insofern ist das etwas, was Bestandteil des industriellen Konzeptes ist, aber von uns ja nicht politisch herbeigeführt.
Engels: Nun haben wir auch den Fall Arcandor. Der Touristik- und Handelskonzern will ebenfalls Hilfen und die Union lehnt das nun in weiten Teilen ab. CSU-Mittelstandspolitiker Michelbach warnt heute in der "Süddeutschen Zeitung" davor, die Staatskasse zum Plündern freizugeben. Daran müssen Sie als Finanzminister doch auch interessiert sein?
Steinbrück: Ja, sicher. Nur das sind ja Begrifflichkeiten, die etwas nahelegen sollen, was keiner beabsichtigt. Das ist Schaukampf. Kein Mensch ist auf der Seite der Regierung – und zwar egal auf welcher Bank, CDU/CSU oder SPD – bereit, die Staatskasse plündern zu lassen. Bei Arcandor bin ich dafür, dass das Für und Wider abgewogen wird – schlicht und einfach. Es kann sein, dass man zu dem Ergebnis kommt, dass es auch im Hintergrund von Arcandor noch Aktionäre oder Vermögenspositionen gibt, die herangezogen werden können, dann kommt eine Garantie nicht in Frage, und man kann auf der anderen Seite zu dem Ergebnis kommen, dass da ungefähr 50.000 Arbeitsplätze sind, die auch nicht so einfach im Hintergrund verschwinden können in der Betrachtung. Das heißt also, ich für meine Person setze mich dafür ein, dass in den bestehenden Gremien – das ist ein interministerieller Ausschuss und das ist ein Lenkungsausschuss beim Bundeswirtschaftsminister – das für und wider solide und ermessensfehlerfrei abgewogen wird und es keine Vorfestlegungen gibt.
Engels: Der Unterschied zu Opel könnte darin bestehen, dass Arcandor schon vor der Finanzkrise schwächelte und dass es hier starke Eigentümerfamilien gibt, die ja nun zuerst Anteil haben sollten. Sind das starke Argumente gegen Staatshilfe?
Steinbrück: Ja, Sie haben Recht. Ich deutete selber ja eben schon an, dass es dahinter auch noch Aktionäre gibt, die eventuell eher einstehen müssen als die öffentliche Hand. Sie haben völlig Recht. Und das andere Thema ist ein wichtiges. Sie haben es auf den Punkt gebracht. Die EU-Kommission will sehr darauf achten, ob Arcandor zu einem Stichtag, nämlich dem 01. Juli 2008, wenn man so will ein solventes Unternehmen gewesen ist, oder ein Unternehmen, das schon in Schwierigkeiten gewesen ist. Warum dieses Datum? Die EU-Kommission sagt, wenn es nach dem 01. Juli 2008 erst in Schwierigkeiten gekommen ist, dann kann man es schon der Finanzmarktkrise zuordnen und dann sind wir bereit, uns anders aufzustellen unter wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten.
Engels: Herr Steinbrück, über 1.200 Firmen haben laut Medienberichten mittlerweile in irgendeiner Form Staatshilfe beantragt. Opel ist ein Sonderfall, das ist klar, aber haben Sie damit ein Fass ohne Boden aufgemacht?
Steinbrück: Nein. Wir haben doch ganz gezielt im Rahmen des Konjunkturpaketes I ein 100-Milliarden-Programm beim Bundeswirtschaftsminister geplant, um genau auf solche Fälle einer drohenden Illiquidität oder einer drohenden Solvenz reagieren zu können. Das ist alles im Rahmen von Konjunkturpaket II debattiert und von vielen ja auch erwartet, gefordert worden. Und jetzt geht es darum, mit diesem Instrument vorsichtig umzugehen, so dass man möglichst Brücken baut und wenn man Brücken baut weiß, wo das gegenüberliegende Ufer ist. Das heißt, es kommt nicht jedes Unternehmen in Frage, aber eine Fall-zu-Fall-Prüfung ist doch im Sinne der Arbeitsplätze, der Aufrechterhaltung solcher Unternehmen in Deutschland und auch der Tatsache, dass wir über diese Krise nicht unsere industrielle Basis verlieren wollen.
Engels: Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Vielen Dank für das Gespräch heute Früh.
