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Steine hinter Gittern

Wenn das Geld nicht reicht, dann muss man eben jeden Pfennig doppelt herumdrehen, meint der Thüringer Finanzminister. In Landessäckel reicht das Geld: 400 Millionen Euro werden in diesem Jahr weniger eingenommen als erwartet. Das bedeutet: Baustop für den Straßenbau, Stop von Wirtschaftsinvestitionen - und auch die Universitäten müssen Konsequenzen ziehen.

    Verschlossene Türen am Naturalienkabinett in Jena. Wer mit Kind und Kegel in den Ferien ein paar schöne Steine sehen wollte, hat Pech. Auch Studierende der Geografie müssen sich die Mineralien nun im Lehrbuch anschauen. Denn: Die Sammlung ist geschlossen. Kein Geld vom Land, kein Aufsichtspersonal, sagt der Geografieprofessor und Prorektor der Uni Jena, Roland Mäusbacher:

    Die mineralogische Sammlung ist bereits von Goethe eingerichtet worden. Sie enthält natürlich auch Stücke, die sehr interessant sind, Meteoriten und solche Dinge. Zurzeit ist sie damit eben nicht mehr zugänglich, weil wir keine Möglichkeit mehr haben, entsprechendes Personal für die Öffnungszeiten zur Verfügung zu stellen.

    Was war geschehen? Der Thüringer Finanzminister Andreas Trautvetter hat das Steueraufkommen schätzen lassen und eine Lücke von 400 Millionen Euro festgestellt. Daraufhin verhängte er Anfang des Jahres eine Haushaltssperre. Alle Ausgaben unterliegen seinem Vorbehalt. Und zwar so lange, bis alle Ressorts Pläne darüber vorgelegt haben, wie und wo sie sparen wollen. Auch das Wissenschaftsministerium, das in den Vorjahren vergleichsweise vom Rotstift verschont wurde, muss nun kürzen. Doch, so hieß es aus dem Ministerium, man sei mit dem Finanzminister im Gespräch. Der sagt:

    Die Gespräche sind weitestgehend abgeschlossen, die Ressorts haben ihre Hausaufgaben zu machen, und ich schätze, das wird noch 14 Tage, drei Wochen so gehen.

    Bis dahin bleibt das Naturalienkabinett der Uni Jena geschlossen. Ob danach Geld für Aufsichtspersonal bleibt, weiß man noch nicht. Und es trifft nicht nur dieses Museum. Auch Tutorien werden eingeschränkt, ein Tutor bekommt dann entsprechend mehr Studierende. Im Vergleich zu 1991 musste die Uni Jena bereits 110 Stellen im Mittelbau einsparen. Prorektor Mäusbacher:

    Zum zweiten wird im Wintersemester greifen, dass wir Praktika in den Naturwissenschaften - zum Beispiel in den Nebenfächern der Medizin, in der naturwissenschaftlichen Grundausbildung Physik, Mathematik und Chemie - nicht mehr anbieten können oder aber mit deutlich größeren Gruppen

    Zum dritten müssten eigentlich viele Seminarräume renoviert werden, man brauche auch neue Geräte und Bücher. Aber das müsse nun warten. In seinem Fachbereich, der Geografie, sei der Sparzwang bereits in den Semesterferien spürbar.

    Das betraf zum Beispiel auch Exkursionen. Wir mussten den Studierenden dann mitteilen, dass sie dann entweder selber bezahlen müssen - alles - oder aber die Exkursionen abgesagt werden müssen.

    Also keine geologischen Erkundungen in Frankreich, keine Recherche zur Bodenerosion in Gebieten industrieller Landwirtschaft. Mäusbacher hofft, dass die Berufungen für das Wintersemester nicht in Gefahr sind. Immerhin werden voraussichtlich statt 16.500 Studenten dann 18.000 in Jena studieren. An der Uni Erfurt fehlt sogar Geld, um die freien Professoren-Stellen auszuschreiben. Der Finanzminister bleibt hart. Das Geld fehlt dem Land, also kann es nicht ausgegeben werden. Und über Kürzungen klagten alle, nicht nur die Hochschulen. Finanzminister Trautvetter:

    Ich kriege ja auch alle Briefe. Und jeder ist der Meinung, wenn er den Finanzminister anschreibt, dann sei das letztlich derjenige, der die Entscheidungen wieder aufhebt.

    Damit ist also eher nicht zu rechnen. Dass das Steueraufkommen Thüringens im Juni wieder leicht gestiegen ist, erzählt der Minister nicht so laut. Das könnte falsche Hoffungen wecken, da vom Bund wegen geringerer Körperschaftssteuer etwas weniger zu erwarten sei. So bleiben Goethes Steine vorerst ungesehen und in der "Denkfabrik Thüringen" ist wohl demnächst Kurzarbeit angesagt.

    Autorin: Ulrike Greim