75 Jahre Grundgesetz
Steinmeier äußert sich besorgt über Verrohung politischer Umgangsformen

Beim Demokratiefest anlässlich des 75-jährigen Bestehens des Grundgesetzes in Bonn hat sich Bundespräsident Steinmeier mit Blick auf die rassistischen Gesänge von Partygästen auf Sylt besorgt über eine Verrohung politischer Umgangsformen in Deutschland gezeigt. Bundestagspräsidentin Bas (SPD) erklärte in Berlin, sie wünsche sich Zivilcourage.

26.05.2024
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einer Ansprache in Bonn.
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält an der Villa Hammerschmidt eine Ansprache. (Thomas Banneyer / dpa / Thomas Banneyer)
    Diese Ereignisse verstärkten diese Beunruhigung, weil es nicht nur die Randständigen und Abgehängten seien, die sich radikalisierten, erklärte Steinmeier in der Villa Hammerschmidt in Bonn. Vielmehr handele es sich um eine Radikalisierung, die in Teilen der Mitte der Gesellschaft stattfinde. Umso mehr komme es jetzt darauf an, für die Demokratie einzustehen, forderte Steinmeier.

    Steinmeier: Demokraten dürfen Gemeinsamkeiten nicht vergessen

    Zuvor hatte der Bundespräsident in der Villa Hammerschmidt betont,
    Demokraten dürften ihre Gemeinsamkeiten nicht vergessen. In Bonn hatte der Parlamentarische Rat das Grundgesetz ausgearbeitet und verkündet. Auch in den frühen Jahren der Bundesrepublik Deutschland seien harte politische Auseinandersetzungen ausgetragen worden, erklärte Steinmeier. Man sei jedoch bei aller sachlichen und auch ideellen Gegnerschaft nie miteinander verfeindet gewesen. Dieser Geist sei gerade in diesen Zeiten eine bleibende Verpflichtung.

    Bas: "Wünsche mir viel Zivilcourage"

    Bundestagspräsidentin Bas rief dazu auf, in solchen Situationen wie auf Sylt Zivilcourage zu zeigen und dagegenzuhalten. "Wenn man solche unappetitlichen Auftritte sieht, fragt man sich wirklich, was in den Köpfen dieser jungen Menschen vorgeht. Ich wünsche mir viel Zivilcourage und dass andere dagegenhalten", sagte die SPD-Politikerin dem Sender phoenix am Rande der Feierlichkeiten zum 75-jährigen Bestehen des Grundgesetzes in Berlin. Die Reaktionen auf das kurze Video zeigten aber auch, dass viele sich dagegen positionieren. "Das zeigt mir, dass es viele gibt, die die Demokratie auf der anderen Seite verteidigen", lobte Bas.

    Feierlichkeiten in Bonn und Berlin

    Bundespräsident Steinmeier hatte zu einem Tag der offenen Tür in die Villa Hammerschmidt eingeladen, dem Bonner Amtssitz des Bundespräsidenten. Anlässlich der Feier im ehemaligen Regierungsviertel sind auch der frühere Plenarsaal des Bundestags, das ehemalige Bundeskanzleramt und der Kanzlerbungalow in Bonn geöffnet.
    In Berlin hatte das Bürgerfest zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes bereits gestern begonnen. Zum Auftakt stellte sich Bundeskanzler Scholz den Fragen der Bürger. Neben den Ständen der Bundesregierung sind zwischen Bundeskanzleramt und Bundestag zahlreiche Zelte aufgebaut. Dort stellen Hilfsorganisationen, Gewerkschaften und gemeinnützige Einrichtungen ihre Arbeit vor.
    Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Harbarth, äußerte sich besorgt über das gesellschaftliche Klima in Deutschland. Er sagte bei einer Diskussionsrunde mit Bürgern in Berlin, politischer Streit sei zwar nötig, aber die Tonlage, in der das geschehe, und viele Begrifflichkeiten seien inakzeptabel. Dies beeinträchtige den Diskurs.

    Teuteberg wirbt für stärkere Debattenkultur

    Die FDP-Politikerin Teuteberg warb für die Wertschätzung des Grundgesetzes. Teuteberg ist in der DDR aufgewachsen und schilderte im Deutschlandfunk, dass Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und Reisefreiheit Teil einer Gesellschaftsordnung gewesen seien, nach der sie sich damals gesehnt habe. Teuteberg mahnte aber an, die Debattenkultur in Deutschland zu stärken. Das Grundgesetz setze auch auf Meinungsstreit, der zu wenig praktiziert werde.

    Grundgesetz für West- und Ostdeutschland

    Das Grundgesetz wurde am 23. Mai 1949 vom damaligen Vorsitzenden des Parlamentarischen Rates, Adenauer, verkündet. Bis 1990 galt die neue Verfassung nur für den Westen, später für Ost und West.
    Diese Nachricht wurde am 25.05.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.