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Steinmeier appelliert an Entführer im Irak

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat die Entführer der beiden Deutschen im Irak aufgefordert, sofort Kontakt mit den deutschen Behörden aufzunehmen. Er hoffe, dass die Geiselnehmer seine Videobotschaft vom Freitag als Gesprächsangebot verstünden, erklärte der SPD-Politiker.

Moderation: Sabine Adler |
    Adler: Herr Minister, Deutschland macht sich allergrößte Sorgen um die beiden Geiseln im Irak. Das Ultimatum der Entführer von 72 Stunden ist abgelaufen. Was ändert sich damit an der Bedrohungslage für die beiden Entführten?

    Steinmeier: Deutschland macht sich Sorgen - und die Sorgen machen wir uns auch - und zwar vom ersten Tage der Entführung an. Sie wissen, dass es ein erstes Video gab, das die beiden deutschen Staatsangehörigen zeigte. Wir haben über viele Tage versucht, Kontakt zu den Tätern aufzunehmen. Das ist uns nicht gelungen, und auch nach dem zweiten Video bisher nicht. Deshalb unser Aufruf in dieser Woche auch an die Täter, eine Information, ein Appell, die deutschen Staatsangehörigen freizulassen, jedenfalls sofort Kontakt aufzunehmen zu den bundesdeutschen Behörden.

    Adler: Der Bundespräsident Horst Köhler hat einen solchen Appell an die Täter gerichtet, Sie selbst haben es gemacht. Der Appell ist bei Al-Dschasira ausgestrahlt worden - und auch die beiden Mütter haben sich an die Entführer gewendet. Was können solche Appelle? Sind sie eine Aufforderung zu einer humanitären Geste von Seiten der Entführer - oder ist es vielmehr das Signal, was wir vielleicht von deutscher Seite aus geben können, eben Gesprächsbereitschaft über den Ablauf des Ultimatums hinaus zu signalisieren?

    Steinmeier: Appelle, Aufrufe, Mahnwachen, die wir hier im Lande machen, werden möglicherweise gehört in der Region. Sie sind jedenfalls aber auch geeignet, den Angehörigen hier, die sich Sorgen machen um die Entführten, den Rücken zu stärken, Mitgefühl zu zeigen. Das ist wichtig in solchen Situationen. Das wissen wir aus vielen Gesprächen mit den Angehörigen von Entführten. Wir sind natürlich darüber hinaus immer bemüht, in diesen Fällen auch mit Organisationen, Autoritäten in der Region selbst Kontakt aufzunehmen. Ich freue mich, dass die Arabische Liga sich in den letzten Wochen sehr kooperativ gezeigt hat, auch jetzt wieder einen Appell an die Entführer ausgesandt hat, die deutschen Staatsangehörigen so schnell wie möglich frei zu lassen. Und dazu können dann auch Appelle, wie jetzt geschehen, geeignet sein, wenn sie im arabischen Raum wahrgenommen werden.

    Adler: Rechnen Sie mit einer humanitären Geste?

    Steinmeier: Wir arbeiten darauf hin. Rechnen kann man darauf nicht, weil Sie wissen, dass erstens jeder Entführungsfall anders gestaltet ist und eine Kalkulation über die mögliche Entwicklung auch erst dann möglich wäre, wenn wir die Tätergruppe, deren politischen Hintergründe, ihre Einordnungsmöglichkeiten genauer treffen konnten. Das ist uns bisher nicht gelungen.

    Adler: Es gab drei Forderungen von den Entführern, nämlich die Botschaft in Bagdad zu schließen, die Zusammenarbeit mit dem Irak einzustellen und deutsche Firmen abzuziehen. Angesichts der Sicherheitslage jetzt, ist das nicht sozusagen schon eine Tatsache, dass man eigentlich vor Ort nicht mehr arbeiten kann?

    Steinmeier: Die Möglichkeiten der Arbeit in der deutschen Botschaft sind in der Tat sehr beschränkt. Im Übrigen sind diese Forderungen allesamt aus anderen früheren Entführungsfällen zu Lasten anderer europäischer oder amerikanischer Staatsangehöriger bekannt.

    Adler: Und noch mal die Nachfrage: Ist es nicht schon eine Tatsache, dass man eigentlich zum Beispiel als deutsche Firma vor Ort nicht mehr tätig sein kann?

    Steinmeier: Die deutschen Firmen verhalten sich nach unseren Informationen üblicherweise sehr vorsichtig. Wir haben jetzt gerade nach dem Entführungsfall auch Kontakt aufgenommen zu einzelnen Firmen. Ich habe hier nichts vorzuwerfen und will mich insbesondere über das Verhalten der sächsischen Firma jetzt nicht erheben. Das werden wir nach Lösung der Geiselfrage, die hoffentlich bald in den nächsten Tagen eintritt, das Gespräch werden wir noch mal aufnehmen. Aber das ist jetzt nicht das vorrangigste. Die Unternehmen, die in der Region tätig sind, sind vorsichtig und sie sind durch die Geiselnahme jetzt noch einmal gewarnt.

    Adler: Wir erleben den Irak, der völlig in Anarchie versinkt. Was kann die Weltgemeinschaft tun, um diese Entwicklung zu stoppen?

    Steinmeier: Ich kann das Urteil in der Frage nicht gänzlich teilen. Die Entwicklung der Sicherheitslage ist unbefriedigend, das ist gar keine Frage. Natürlich hätten wir uns sehr gewünscht, dass sie insbesondere nach der erfolgreichen Durchführung von Wahlen sehr viel schneller stabilisiert wird. Das ist bisher nicht in ausreichender Weise gelungen. Aber ich glaube, die Alternativen der Weltgemeinschaft sind gar nicht so furchtbar zahlreich. Was wir jetzt tun müssen, ist, nach Wahl einer neuen Regierung dieser Regierung Anerkennung zu verschaffen, Kooperationsbereitschaft zu zeigen und nach Kräften, und dazu ist der Westen bereit, auch am wirtschaftlichen Wiederaufbau, an dem Aufbau von Zivilgesellschaft mitzuhelfen. Die Stabilisierung der Sicherheitslage muss parallel mit voranschreiten, das ist gar keine Frage.

    Adler: Sie haben im Zusammenhang mit der Entführung von Susanne Osthoff und vor allem in der Nachbetrachtung dazu die Medien gescholten. Sie haben zu mehr Zurückhaltung aufgefordert bei Entführungsfällen. Wenn man sich gerade diesen Fall Osthoff anschaut, kamen die relevanten Informationen von den Sicherheitskräften, von den so genannten Sicherheitskreisen. Wäre da ein Appell in diese Richtung nicht genau so angebracht, sich eben mit solchen Details zurückzuhalten, sie eben nicht weiter zu verkaufen oder weiter zu geben?

    Steinmeier: Sie können sich darauf verlassen, dass ich nach innen schärfer formuliere als nach außen, insofern da, wo ich den Eindruck hatte, dass Informationen auch aus unseren Bereichen, gar nicht so sehr Sicherheitsbereiche, bei all denjenigen durchgerutscht sind, die von der Entwicklung solcher Fälle wussten oder wissen konnten, haben wir sehr deutlich formuliert, was wir an Zurückhaltung gegenüber Mitteilung von Informationen gegenüber Dritten erwarten. Das ist verstanden worden.

    Was mein Verhalten gegenüber Medien angeht, bitte ich um Nachsicht insofern, als eine solche Situation einen durchaus auch ein bisschen beansprucht und wir natürlich auch vergleichen mit der Diskussion in anderen Ländern. Und mein Eindruck war, und deshalb auch die etwas heftige Diskussion, dass nach den Geiselbefreiungen, die jüngst in Italien, jüngst in Frankreich stattgefunden haben, eine vergleichbare Diskussion, wie wir sie hier hatten, jedenfalls nicht stattgefunden hat. Und sie ist aus meiner Sicht auch nicht sehr brauchbar. Da ist etwas mehr Zurückhaltung gefordert.

    Und meine Bitte an die Medienvertreter war ja auch, selbst dann Zurückhaltung zu üben, wenn man zufällig oder gezielt in den Besitz von Informationen kommt, die zu sehr in die Einzelheiten, zu viel über den aktuellen Stand unseres Wissens mitteilen und damit auch die Täter natürlich in die Lage versetzen, genauer kalkulieren zu können. Das ist nicht hilfreich und deshalb in einer solchen Situation meine Bitte um Zurückhaltung. Und ich darf Ihnen sagen, viele Journalisten haben das auch verstanden jenseits einer dann etwas aufgeregten Diskussion, die dazu in den Medien sich niedergeschlagen hat.

    Adler: Noch mal zum aktuellen Entführungsfall und zum Osthoff-Fall. Wenn man vergleicht, was in Italien oder Frankreich an Solidarität möglich war, sind Sie erstaunt, verwundert vielleicht, dass es sich in Deutschland völlig anders darstellt?

    Steinmeier: Es hängt ein bisschen an den Personen, denke ich. Zeichen von Solidarität haben wir hier durchaus auch gespürt. In Italien handelte es sich um eine landesweit bekannte Journalistin, die entführt war. Insofern ist vielleicht nicht einmal erstaunlich, dass auch das Bedürfnis, Mitgefühl für eine relativ bekannte Person, größer war als im Fall Osthoff etwa. Und Sie sehen aber an dem aktuellen Entführungsfall der beiden jetzt zur Geisel genommenen Deutschen im Irak, dass in der Region durchaus großes Mitgefühl gezeigt wird, Mahnwachen stattfinden, Appelle der Mütter stattgefunden haben. All das, glaube ich, zeugt davon, dass es die Deutschen nicht kalt lässt, was dort im Irak passiert.

    Adler: Jetzt hat es einen vierten Fall gegeben, eine glücklicherweise nur sehr kurze Geiselnahme, nämlich in Nablus. Das war Christopher Kasten, der dort als Englischlehrer arbeitet, also im Westjordanland in Israel. Vier Entführungsfälle zeigen eines: Sie haben eine Gemeinsamkeit. Es sind im Grunde genommen verschärfte Auseinandersetzungen des Westens beziehungsweise zwischen dem Westen und der islamischen Welt. Sind wir mittendrin im Kampf der Kulturen?

    Steinmeier: Ich hoffe nicht, dass wir im Kampf der Kulturen sind, aber was ja fast ebenso schlimm ist, wir sind vom Dialog der Kulturen weiter weg, als ich es mir wünschte. Wir haben diesen Prozess vor drei bis vier Jahren ja durchaus mit jenen Ländern aufgenommen, die heute zu den schärfsten Kritikern westlicher Lebensweisen, westlichen Demokratieverständnisses gehören. Der frühere iranische Präsident Chatami war ein Partner in diesem Dialog. Solche Partner sind uns mehr und mehr verloren gegangen in den jüngsten Wochen und Monaten. Und das, in der Tat, ist bedauerlich. Und das ist ein Teil der Ursache dafür, dass die Stimmung sich im Augenblick so aufputschen lässt, wie wir das erleben.

    Adler: Das heißt, Sie sehen die Verantwortung in der islamischen Welt, dass die islamische Welt sich möglicherweise radikalisiert oder weniger mäßigend auf den Westen zuzugehen bereit ist?

    Steinmeier: Sicherlich gehört dazu, dass die Gesetzmäßigkeiten des islamischen Lebens, oder sagen wir besser in den islamischen Staaten, andere sind als bei uns. Wir haben ja in der jüngeren Vergangenheit erfolgreich dafür geworben, dass unsere Staaten verfasst sind, um die Anerkennung eines Freiraumes, in dem Meinungsfreiheit, in dem Informationsfreiheit, in dem Kunstfreiheit, in dem auch Berichterstattungsfreiheit herrscht. Und dieser verfassungsrechtlich konstituierte Raum besagt eben, dass man in diesem Raum geschützter Freiheit Richtiges sagen kann, Falsches sagen kann, dass man Geschmackvolles und weniger Geschmackvolles zeigen kann, und dass dieses ein Freiraum ist, in den staatliche Reglementierung nicht eingreifen darf. Dieses Verständnis von Freiheit ist den meisten islamischen Staaten fremd und wir haben trotzdem in den vergangenen Jahren einen Dialog darüber zustande gebracht. Und meine Sorge und meine Mühe wird es in den nächsten Wochen sein, meinen Beitrag, den deutschen Beitrag, dazu zu leisten, dass dieses Gespräch darüber wieder in Gang kommt.

    Adler: Die aktuellen Mohammed-Karikaturen, die ja nun wirklich für viel Aufregung sorgen, vor allem in der islamischen Welt, wie schätzen Sie sie ein? Ist das im Grunde genommen unnötiges Öl ins Feuer? Sollte sich der Westen tatsächlich vielleicht eben auch eine Mäßigung auferlegen? Spricht daraus auch eine Arroganz des Westens, wie es jetzt in den vergangenen Tagen ja formuliert worden ist, oder muss man ganz klar konzertieren: Wir verteidigen Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, überhaupt die demokratischen Grundwerte?

    Steinmeier: Ich glaube, auf letzteres kommt es an. Wir müssen darauf bestehen, dass der grundrechtlich geschützte Raum von Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit auch hier gewährleistet bleibt. Aber man vergibt sich nichts, daneben zu sagen, dass Karikaturen wie diese natürlich wenig Rücksicht nehmen auf die religiöse Vorstellung in der islamischen Welt und sicherlich ihren Beitrag dazu leisten, in einer Situation, in der nach Instrumentalisierung auch gesucht wird, als ein solches Instrument nutzbar gemacht zu werden. Trotzdem, man darf nicht versuchen, sich selbst zurückzunehmen und zu sagen, deshalb darf Berichterstattung, darf Satire, darf Karikatur nicht sein, sondern mein Anspruch ist es, dafür einzutreten, dass wir uns wieder verständlich machen, dass dies zur Konstituierung der westlichen Demokratie gehört und wir uns auch in der islamischen Welt wieder verständlich machen.

    Adler: Herr Steinmeier, in diese Auseinandersetzung zwischen der demokratischen Welt und den islamischen Ländern fällt auch der Atomstreit mit dem Iran. Da leugnet ein islamisches Land den Holocaust, droht, Israel von der Landkarte zu radieren, wie es der iranische Präsident Ahmadinedschad gesagt hat. Nach diesem zähen Ringen in Wien kam es nun zu dieser doch recht eindeutigen einheitlichen Lösung, nämlich dem gemeinsamen Verweis an den Weltsicherheitsrat. Aber es gab auch die allererste Reaktion des Iran, nämlich das zu tun, was man angedroht hat, die Urananreicherung wieder aufzunehmen. Also beginnt jetzt wieder das Spielchen von vorne beziehungsweise wird es darauf hinauslaufen, dass es nicht nur zu einer Befassung des Falls Iran im Weltsicherheitsrat kommt, sondern zu schärferen Reaktionen im Weltsicherheitsrat?

    Steinmeier: Ja, zunächst einmal sind wir in einem Verfahren, dass wir erst in dieser Woche miteinander verabredet haben. Ich habe natürlich gerade Notiz genommen von den ersten Ankündigungen der Teheraner Regierung. Ich kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt der iranischen Regierung nur raten, keine übereilten Reaktionen zu beschließen, sondern zu sehen, dass die internationale Staatengemeinschaft hier sehr verantwortungsvoll umgeht, die Tür zu Verhandlungen nicht endgültig zugeschlagen hat, betont hat, dass sie weiterhin Interesse an einer Lösung auf dem Verhandlungswege hat. Das schließt allerdings zum gegenwärtigen Zeitpunkt, nachdem der Iran nicht bereit ist, seine Anreicherungsaktivitäten zu suspendieren, nicht aus, den Weg zum Sicherheitsrat zu gehen. Dies haben wir jetzt in einer ersten Stufe beschlossen. Es wird ein Bericht an den Sicherheitsrat gehen. Und über weitere Stufen und deren Inhalt muss man im Augenblick, glaube ich, nicht spekulieren.

    Adler: Aus der Erfahrung mit dem Irak, als der Fall Irak vor drei Jahren im Weltsicherheitsrat landete, wie sehr muss man den Informationen der Geheimdienste, der Nachrichtendienste misstrauen, was den Iran angeht?

    Steinmeier: Frau Adler, ich denke, wir sind hier in einer gänzlich anderen Situation gegenüber den damaligen Entscheidungen, die in den Jahren 2002 und 2003 zum Thema Irak vorgelegen haben. Hier ist ja die Internationale Atomenergiebehörde in einem schon sehr langjährigen Aufklärungsprozess, mit dem wir nicht zufrieden sind, aber der in den letzten Jahren doch mehr und mehr verdichtet hat, was das gemeinsame Wissen über den Stand der iranischen Nuklearprogramme tatsächlich ist. Insofern sind wir im Augenblick weniger in dem Zustand, dass wir uns auf die Informationen der Nachrichtendienste verlassen müssten, sondern wir haben natürlich durch die Anwesenheit der Inspekteure im Iran in den dortigen Anlagen ein viel größeres Mehr an Wissen gegenüber den Ausgangsinformationen der Nachrichtendienste vor jetzt schon drei Jahren, und insofern auf der Basis dieses Wissens der internationalen Atomenergiebehörde bauen wir auf. Und El Baradei hat ja in seinen jüngsten öffentlichen Erklärungen gegenüber der iranischen Regierung noch einmal dringend angemahnt, auch im eigenen, auch im iranischen Interesse die offenen Fragen, die die Atomenergiebehörde gegenüber der Regierung hat, zu beantworten.

    Adler: Kommen wir auf die Wahlen in den palästinensischen Gebieten, auch wieder eine Auseinandersetzung letzten Endes zwischen demokratischer Welt und islamischer Welt. Die Vereinigten Staaten und die Europäische Union als größte Geldzahler für die palästinensischen Gebiete stehen vor der schwierigen Frage, jetzt zu entscheiden, ob sie ihre Finanzhilfe für die Hamas, die große Wahlsiegerin, fortsetzen werden. Wie würde man erklären können, wenn man das tut, wenn man diese Finanzhilfe fortsetzt, dass man im Grunde genommen Terroristen, die die Vernichtung Israels wollen, finanziert?

    Steinmeier: Vor dieser Frage stehen wir Gott sei Dank nicht, Frau Adler. Es geht nicht darum, die Hamas zu finanzieren. Aber ich verstehe Ihre Frage natürlich richtig. Sie geht dahin, ob wir eine von der Hamas mehrheitlich beherrschte Regierung in den palästinensischen Gebieten finanzieren würden, mindestens mittelbar über die Finanzierung der palästinensischen Autonomiebehörde. Wir haben das sehr ausführlich mit den europäischen Partnern diskutiert, eine Diskussion, die nach meiner Ansicht alle Aspekte, die gegenwärtig die Bedingungen eines Friedensprozesses im Nahen Osten berücksichtigt hat. Und wir haben gesagt, es hängt von den bekannten vier Voraussetzungen ab: Gewaltverzicht, Niederlegung der Waffen, Anerkennung der bisherigen Vereinbarungen mit Israel und Anerkennung des Existenzrechtes.

    Wir sollten gar nicht so tun, als läge die Entscheidung im Augenblick wesentlich in Deutschland oder in Europa, sondern der Schlüssel für die weitere Entwicklung, das heißt Zusammenarbeit mit der Europäischen Union einschließlich aller Finanzierungsfragen, der Schlüssel liegt in der Region. Innerhalb der palästinensischen Gebiete muss entschieden werden, ob man diese Kooperation will. Und das geht nur auf Basis der mitgeteilten Voraussetzungen. Eine andere Frage ist es, und das ist eine Frage, die ja gegenwärtig auch die israelische Regierung bewegt, ob wir bis zum Zustandekommen einer Regierung in den palästinensischen Gebieten die Autonomiebehörde und damit den Präsidenten Abbas dem Verfall preisgeben. Dies wollen wir ausdrücklich nicht und das scheint auch in Israel so gesehen zu werden.

    Adler: Wenn man sich anschaut, wer im Moment die Außenpolitik macht, dann steht im Mittelpunkt CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel, die viel Erfolg einheimst für ihre Auftritte, zum Beispiel in München bei der Sicherheitskonferenz an diesem Wochenende oder auch die Antrittsbesuche in Israel, in Moskau, in Washington sind einfach erfolgreich gewesen. Ihrem Generalsekretär Hubertus Heil geht das - Zitat - "Wunderkind Angela Merkel" allmählich auf die Nerven. Er sagt: Sie steht lächelnd auf dem Sonnendeck, während die anderen im Maschinenraum schuften. Wo stehen Sie? Früher hieß das Ganze ja mal Koch und Kellner.

    Steinmeier: Nein, ich habe diese Äußerung von Hubertus Heil natürlich auch gesehen und gehört. Sie war bezogen auf die Alterssicherungspolitik. Was die Außenpolitik angeht, ich bin erfahren genug, um zu wissen, es kann nur eine Außenpolitik des Kabinetts geben und deshalb sorgen wir auch im Gespräch dafür, dass das nicht auseinander läuft.

    Adler: Wenn man sich den Besuch in Amerika zum Beispiel anguckt, dann war das Lob, was Angela Merkel bekommen hat, eigentlich genau genommen dafür, dass sie ein freundschaftliches Verhältnis mit dem Anbringen von Kritik verbunden hat. In Moskau war es ein bisschen umgekehrt. Da ist Frau Merkel auf Distanz gegangen zu dem früheren sehr engen Freund im Kreml, also Präsident Putin. Sie spricht in diesem Fall von einer strategischen Partnerschaft, nicht mehr von Freundschaft. Das heißt, was im Grunde genommen applaudiert wird, sind die Korrekturen. Wie müssen Sie sich fühlen als derjenige, der ja schließlich bekannt dafür ist, dass er hinter den Kulissen die Strippen der Außenpolitik gezogen hat in der alten Regierung?

    Steinmeier: Es gibt einen Begriff, Frau Adler, den ich ganz ungern höre, und das ist der des Strippenziehers . . .

    Adler: … dann nennen wir es anders: Des Vordenkers, des Strategen …

    Steinmeier: Nein, ich glaube, was jeder anerkennen muss, dass mit dem Auftreten von neuen Personen auch neue persönliche Konstellationen gelten. Und im Verhältnis zu Russland ist es doch ganz natürlich, dass das über Jahre gewachsene enge, freundschaftliche Verhältnis im Augenblick nicht prägend sein kann für das Verhältnis zwischen Frau Merkel und dem russischen Präsidenten. Was doch wichtig ist, und deshalb bin ich mit der Entwicklung ja hoch zufrieden, dass sich doch zeigt, dass ganz unabhängig von den Persönlichkeiten an der Spitze im Verlaufe der Jahre so viel Tragfähiges an gemeinsamer Politik zustande gekommen ist, dass wir die gewachsene strategische Partnerschaft fortsetzen können und nach Maßgabe der Koalitionsvereinbarung, von allen Beteiligten dieser Regierung unterschrieben, auch fortsetzen wollen. Das ist das, was wichtig ist.

    Adler: Noch mal zu der Frage zurück. Die Korrekturen werden beklatscht. Wie fühlen Sie sich da? Als jemand, der die Korrekturen selber wieder korrigieren muss, wenn er dann weiter Außenpolitik macht, oder im Grunde genommen schon zur Kenntnis nehmen, dass jetzt die Kanzlerin sozusagen die Vorgesetzte ist und sie die Richtung bestimmt?

    Steinmeier: Sie müssen verstehen, dass mich nicht dieselben Gegenstände beschäftigen, die Journalisten beschäftigen, sondern meine Tagesordnung ist von anderen Herausforderungen bestimmt, als die Schlagzeilen dafür zu liefern, dass der Außenminister sich über bestimmte Dinge freut oder nicht freut. Es ist ja im Augenblick, und wir haben ja ein paar der Dinge in diesem Gespräch berührt, weiß Gott nicht so, dass uns die ganze Kür der Außenpolitik zur Verfügung stände, sondern wir haben eine Krisenlage, in der man sich im Augenblick intensiv um Konflikte im Nahen Osten, im Mittleren Osten, um Entführungsfälle zu kümmern hat. Und insofern verstehen Sie bitte, dass Fragen wie diese für mich etwas nachrangiger sind.

    Adler: Sie haben nun wahrlich genug um die Ohren mit diesen Geiselaffären, dem schwierigen, schwierigen Krisenmanagement in diesen ja wirklich zwischen Leben und Tod entscheidenden Fragen. Dennoch droht Ungemach schon wieder aus der Innenpolitik, schon wieder aus den Oppositionsreihen. Stichwort BND-Untersuchungsausschuss, Stichwort Aufklärung der El Masri-, der Kurnaz- und Zammar-Affären. Die Opposition bindet ihre Einsetzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses daran, dass die Bundesregierung aufklärt. Erstens: Wie weit sind Sie bereit zu liefern in dieser Aufklärung? Zweitens: Man sah Sie in dieser Affäre ja schon schwanken und mancher hat den Rücktritt schon gefordert oder sah Sie auch schon fast zurücktreten…

    Steinmeier: Ich habe Einzelne gefragt, die meinen Rücktritt gefordert haben sollen, die es dann für sich selbst bestritten haben. Aber natürlich werden wir das, was die entsprechenden Ausschüsse des Deutschen Bundestages fordern, liefern. Wir werden natürlich mit möglichst vielen Informationen die Notwendigkeit, einen solchen Untersuchungsausschuss zu beschließen, gering halten. Und dann müssen wir sehen, wie sich das Parlament entscheidet. Ich rechne damit, dass ich selbst auch noch mal in die zuständige Parlamentarische Kontrollkommission gehe und da Auskunft gebe.

    Adler: Herr Außenminister Steinmeier, einhundert Tage sind fast vorüber. Wenn Sie die Revue passieren lassen, hatten Sie sich den Start so anstrengend vorgestellt?

    Steinmeier: Ich hatte mir den Start mit deutlich anderen Themen vorgestellt, das ist wahr. Ob das Leben eines Außenministers jemals weniger anstrengend war, wage ich zu bezweifeln. Ich hatte jedenfalls Gespräche mit einer ganzen Reihe meiner Vorgänger und weiß, dass das Planbare in der Außenpolitik immer der weniger anstrengende Teil ist. Anstrengend ist das, was unvorhergesehen hinzukommt. Und so ist es wohl auch bei mir.

    Adler: Herr Außenminister, ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Steinmeier: Bitte sehr.