Der Erfolg der Brüder Presnjakow in Deutschland ist auch ein Mode-Phänomen: zwar haben wir ein bisschen Angst vor Russen-Mafia, aber wir gehen gern in Russen-Disco und öffnen uns nach Osten; und die Mischung aus Seelenschwere und postsozialistischer Tabulosigkeit, die die stückeschreibenden Gebrüder darbieten, war so noch nicht da. Also hat sich nun Stuttgart eine Uraufführung an Land gezogen, die letzte Fragen trivialisiert, nämlich die biblische Erzählung von Sintflut und Apokalypse.
Ein gewisser Haon, rückwärts gelesen Noah, gewinnt in einem Chipstüten-Preisausschreiben eine Yacht, die neue Arche, und steht nun vor der Frage, wen er denn mitnehmen möchte bei seiner Rettungsaktion vor dem finalen, ökologisch bedingten Taifun. Nach Lektüre des Stücks möchte man raten: bitte niemanden! Die Galerie schräger Vögel und durchgeknallter Existenzen, die bei den Presnjakows aufmarschieren, reicht vielleicht als Ideenfundus für eine groteske Nachmittags-Soap von RTL 2, nicht aber für ein Theaterstück. Tröstlicherweise stellt sich heraus, dass die Chipsfirma, die die Rettung aus der Tüte beziehungsweise per Verlosung anbot, pleite ist - Menschheits-Erneuerung vorerst aufgeschoben.
Die Regisseurin Claudia Bauer beginnt genial und sackt dann leider ab in den hysterischen Mief deutschen Rappel-und-Zappel-Stadttheaters. Die erste Szene verlegt Bauer in eine Art Gorkisches Nachtasyl: der Supermarkt wird zur orthodoxen Kirche. Abgerissene Gestalten betrachten Chipstüten aller Geschmacksrichtungen wie Heiligenbilder an der Wand, der Supermarkt-Angestellte ist ein langbärtiger Pope mit froher Botschaft - die Szene hält eine wunderbare Schwebe zwischen russischer Erdenschwere und böser Ironie.
Dann aber geht es entschlossen ins postsozialistische Familienleben und damit in den gewollten Nonsense, der bei den Presnjakows leider so gar keine witzigen Funken schlägt. Das kann auch an der Übersetzung liegen; allein: das Typenarsenal der kleinen Gesellschafts-Rundfahrt spricht dafür, dass die Verantwortung für den biederen Schwachsinn bei den Autoren liegt. Noah beziehungsweise Haon, mit bewundernswerter Dezenz gespielt von Boris Koneczny, besucht nacheinander: seine derzeitige Ehefrau (ein zickiges Sexpüppchen), seinen von Coca-Blättern bedröhnten Sohn, dann einen zackigen Ex-KP-Bürokraten, und seine geschiedene Ehefrau (die eine überdrehte Mode-Schauspielerin ist).
Grund allen Übels ist nach den Presnjakows der kapitalistische Konsumterror; sie holen nun in Soap-Format und Schnelldurchgang nach, was bei uns die Studentenbewegung diskutierte. Mag sein, dass das Riechen an Unterhosen (zur Feststellung der sexuellen Partner-Prädestiniertheit) auf russischen Bühnen heute revolutionär ist; bei uns ist es, vierzig Jahre nach 68, eher eine Geschmacksverirrung. Mag sein, dass stoische Warteschlangen und verarmte Rentner, die ihre Ehefrau per Ausnahmegenehmigung im Garten vergraben wollen, in der Putin-Diktatur als absurde Systemkritik empfunden werden. Bei uns wirkt das, 80 Jahre nach Kafka, wie Kindertheater.
So zappelt die Inszenierung munter vor sich hin und brüllt sich an der Rampe heiser. Die Regisseurin versucht verzweifelt, klassische Topoi in die belanglose Kasperei zu integrieren: Stiefmutter und Haons Sohn, inzestuös erregt, kriechen herum wie in Pasolinis "Die 120 Tage von Sodom". Im Weltunterganglärm tauchen die Beckett-Figuren Lucky und Pozzo auf - und später zeigt Rainer Philippi in einer gebrochenen Polizisten-Rolle, was für ein famoser Schauspieler er ist. Insgesamt aber parodiert hier nur das Theater sich selbst und zieht auch den überschätzten Brüdern Presnjakow die Unterhose aus.
Die sympathischste Figur dieses höchst langweiligen Abends ist ein Gorilla, den Haon mit in seine Arche nehmen will und der - gut russisch - "mehr Seele" einfordert. Er könnte direkt aus der Anfangs-Sequenz von Stanley Kubricks "Odyssee im Weltraum" stammen. Sebastian Röhrle spielt ihn mit Bedacht - und zeigt uns, wo diese Art von Theater anzusiedeln ist: in der Steinzeit der komischen Künste.
Ein gewisser Haon, rückwärts gelesen Noah, gewinnt in einem Chipstüten-Preisausschreiben eine Yacht, die neue Arche, und steht nun vor der Frage, wen er denn mitnehmen möchte bei seiner Rettungsaktion vor dem finalen, ökologisch bedingten Taifun. Nach Lektüre des Stücks möchte man raten: bitte niemanden! Die Galerie schräger Vögel und durchgeknallter Existenzen, die bei den Presnjakows aufmarschieren, reicht vielleicht als Ideenfundus für eine groteske Nachmittags-Soap von RTL 2, nicht aber für ein Theaterstück. Tröstlicherweise stellt sich heraus, dass die Chipsfirma, die die Rettung aus der Tüte beziehungsweise per Verlosung anbot, pleite ist - Menschheits-Erneuerung vorerst aufgeschoben.
Die Regisseurin Claudia Bauer beginnt genial und sackt dann leider ab in den hysterischen Mief deutschen Rappel-und-Zappel-Stadttheaters. Die erste Szene verlegt Bauer in eine Art Gorkisches Nachtasyl: der Supermarkt wird zur orthodoxen Kirche. Abgerissene Gestalten betrachten Chipstüten aller Geschmacksrichtungen wie Heiligenbilder an der Wand, der Supermarkt-Angestellte ist ein langbärtiger Pope mit froher Botschaft - die Szene hält eine wunderbare Schwebe zwischen russischer Erdenschwere und böser Ironie.
Dann aber geht es entschlossen ins postsozialistische Familienleben und damit in den gewollten Nonsense, der bei den Presnjakows leider so gar keine witzigen Funken schlägt. Das kann auch an der Übersetzung liegen; allein: das Typenarsenal der kleinen Gesellschafts-Rundfahrt spricht dafür, dass die Verantwortung für den biederen Schwachsinn bei den Autoren liegt. Noah beziehungsweise Haon, mit bewundernswerter Dezenz gespielt von Boris Koneczny, besucht nacheinander: seine derzeitige Ehefrau (ein zickiges Sexpüppchen), seinen von Coca-Blättern bedröhnten Sohn, dann einen zackigen Ex-KP-Bürokraten, und seine geschiedene Ehefrau (die eine überdrehte Mode-Schauspielerin ist).
Grund allen Übels ist nach den Presnjakows der kapitalistische Konsumterror; sie holen nun in Soap-Format und Schnelldurchgang nach, was bei uns die Studentenbewegung diskutierte. Mag sein, dass das Riechen an Unterhosen (zur Feststellung der sexuellen Partner-Prädestiniertheit) auf russischen Bühnen heute revolutionär ist; bei uns ist es, vierzig Jahre nach 68, eher eine Geschmacksverirrung. Mag sein, dass stoische Warteschlangen und verarmte Rentner, die ihre Ehefrau per Ausnahmegenehmigung im Garten vergraben wollen, in der Putin-Diktatur als absurde Systemkritik empfunden werden. Bei uns wirkt das, 80 Jahre nach Kafka, wie Kindertheater.
So zappelt die Inszenierung munter vor sich hin und brüllt sich an der Rampe heiser. Die Regisseurin versucht verzweifelt, klassische Topoi in die belanglose Kasperei zu integrieren: Stiefmutter und Haons Sohn, inzestuös erregt, kriechen herum wie in Pasolinis "Die 120 Tage von Sodom". Im Weltunterganglärm tauchen die Beckett-Figuren Lucky und Pozzo auf - und später zeigt Rainer Philippi in einer gebrochenen Polizisten-Rolle, was für ein famoser Schauspieler er ist. Insgesamt aber parodiert hier nur das Theater sich selbst und zieht auch den überschätzten Brüdern Presnjakow die Unterhose aus.
Die sympathischste Figur dieses höchst langweiligen Abends ist ein Gorilla, den Haon mit in seine Arche nehmen will und der - gut russisch - "mehr Seele" einfordert. Er könnte direkt aus der Anfangs-Sequenz von Stanley Kubricks "Odyssee im Weltraum" stammen. Sebastian Röhrle spielt ihn mit Bedacht - und zeigt uns, wo diese Art von Theater anzusiedeln ist: in der Steinzeit der komischen Künste.