Mascha Drost: Unter Höhlenforschern wird sie nur noch die "Hoden- und Tittenhalle" genannt, die Höhle, die vor zehn Jahren in der Nähe von Bamberg gefunden wurde. Und tatsächlich: In den Kalkablagerungen eindeutig geformte Brüste, Hoden und primäre weibliche und männliche Geschlechtsteile zu erkennen, das erfordert keinerlei Fantasie. So eindeutig hat das seit Millionen von Jahren tropfende Wasser den Stein verwandelt. Nun sind aber weniger die naturalistischen Ablagerungen bemerkenswert, sondern einige wenige senkrechte und waagerechte Striche darauf, eingekerbt vor etwa 12.000 Jahren von steinzeitlichen Menschen, die in den Höhlen wilde Fruchtbarkeitsrituale abgehalten haben könnten.
Mit einer Doppelseite in der "Zeit" feierte die Wochenzeitung heute den Fund. Gestern schon gab es eine Vorausmeldung, in der die Gravuren mit den berühmten aus der Dordogne verglichen wurden. Vor der Sendung habe ich den bayerischen Landeskonservator Dr. Sebastian Sommer gefragt, was eine Reihe von senk- und waagerechten Strichen denn zu einer solchen Sensation macht.
Sebastian Sommer: Ja, immer die Frage, wie sensationell sieht man eine Sensation. Im Grunde sind sie, wie Sie es schon angesprochen haben, tatsächlich nur Striche, Parallelen, sich kreuzende Striche, manchmal auch im bestimmten Muster angeordnete Striche, die vielleicht, manche Leute sagen sicher, bestimmte Dinge, unter anderem auch Frauen, darstellen sollen. Das Besondere ist jetzt weniger, dass es vielleicht Frauen sind, sondern ist, dass wir überhaupt aus einer Zeit, die ganz am Ende der letzten Eiszeit liegt, dass wir aus dieser Zeit überhaupt in einer Höhle in Süddeutschland solche Darstellungen haben. Das ist bisher neu. Wir können uns zwar vorstellen, dass es sie noch an anderen Stellen gibt, aber das ist bisher die erste.
Drost: Warum gibt es solche Zeichnungen nicht in Deutschland? Es gibt sie ja in Frankreich ungefähr zur selben Zeit, diese berühmte Höhlenmalerei.
Sommer: Es ist jetzt ja keine Höhlenmalerei, das muss man schon unterscheiden. Wir haben hier keine echten Malereien mit Farben und solchen Sachen, sondern es sind tatsächlich Gravuren, also Ritzungen im Fels beziehungsweise hier in dem Kalkstein, der in der Höhlenbildung entstanden ist. Warum gibt es so was bisher hier nicht? Vielleicht, weil unsere Höhlen kleiner sind, vielleicht, weil die Menschen seinerzeit hier in unseren Regionen anders agiert haben. Aber im Grunde haben wir keine wirkliche Erklärung dafür.
Drost: Lässt sich denn aus diesen Zeichen konkret etwas herauslesen?
Sommer: Das ist Ansichtssache. Die Paleolit-Forschung hat ein gewisses Interpretationsschema, zumindest ein heute mehr oder weniger gültiges, und nach dem kann man da unter Umständen was erkennen. Skeptiker, die sagen, das sind viele Striche, und dann kann man die Fantasie laufen lassen. Für uns ist ganz wichtig, dass diese Höhle möglichst unberührt bleibt, dass wir auch in zukünftigen Jahren, Jahrzehnten mit vielleicht anderen Methoden diese Dinge auch noch einmal neu dokumentieren können, um dann auch mit anderen Interpretationsschemata, vor allem aber auch mit anderen Analysemethoden ranzugehen, um dann vielleicht auch noch andere Ideen daraus zu gewinnen, um was es sich dreht und was es bedeutet hat.
Drost: Kann man denn schon ungefähr sagen, was diese Zeichnungen über die Menschen aussagen, die sie angefertigt haben, außer dass sich an der Vorliebe für Pornografie in den letzten 12.000 Jahren nicht viel getan hat?
Sommer: Man kann insofern was aussagen, als es natürlich schon ein besonderer Vorgang ist, in eine dunkle, über weite Strecken extrem enge Höhle hineinzugehen und da zumindest eine gewisse Zeit zu verbringen und dann auch noch in dieser Zeit noch aktiv irgendwas zu tun, also eben diese Ritzungen anzufertigen und in die Steine einzubringen. Darüber hinaus halte ich mich etwas zurück über die Frage, wie weit das jetzt kultische oder gar religiöse Handlungen gewesen sein könnten.
Drost: Gibt es denn irgendwelche neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Sie sich erhoffen mit der Erforschung der Höhle?
Sommer: Ja natürlich grundsätzlich erst einmal die Frage, in welchem Umfang sind solche Gravierungen und Ritzungen vorhanden - also das ist eine primäre Dokumentationsaufgabe -, und dann wird die Hauptfrage natürlich sein, wie alt sind die Dinge tatsächlich, und das ist nicht ganz einfach zu beantworten, weil im Grunde reden wir hier von Stein in Stein. Aber es gibt bei solchen Sinterablagerungen und Tropfsteinen eine gewisse Methodik, wo man mit radioaktiven Zerfallsprodukten auch eine zumindest vage Datierung kriegt, und die kann natürlich auch über die Jahrzehnte in die Zukunft hinein gesehen auch noch exakter werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mit einer Doppelseite in der "Zeit" feierte die Wochenzeitung heute den Fund. Gestern schon gab es eine Vorausmeldung, in der die Gravuren mit den berühmten aus der Dordogne verglichen wurden. Vor der Sendung habe ich den bayerischen Landeskonservator Dr. Sebastian Sommer gefragt, was eine Reihe von senk- und waagerechten Strichen denn zu einer solchen Sensation macht.
Sebastian Sommer: Ja, immer die Frage, wie sensationell sieht man eine Sensation. Im Grunde sind sie, wie Sie es schon angesprochen haben, tatsächlich nur Striche, Parallelen, sich kreuzende Striche, manchmal auch im bestimmten Muster angeordnete Striche, die vielleicht, manche Leute sagen sicher, bestimmte Dinge, unter anderem auch Frauen, darstellen sollen. Das Besondere ist jetzt weniger, dass es vielleicht Frauen sind, sondern ist, dass wir überhaupt aus einer Zeit, die ganz am Ende der letzten Eiszeit liegt, dass wir aus dieser Zeit überhaupt in einer Höhle in Süddeutschland solche Darstellungen haben. Das ist bisher neu. Wir können uns zwar vorstellen, dass es sie noch an anderen Stellen gibt, aber das ist bisher die erste.
Drost: Warum gibt es solche Zeichnungen nicht in Deutschland? Es gibt sie ja in Frankreich ungefähr zur selben Zeit, diese berühmte Höhlenmalerei.
Sommer: Es ist jetzt ja keine Höhlenmalerei, das muss man schon unterscheiden. Wir haben hier keine echten Malereien mit Farben und solchen Sachen, sondern es sind tatsächlich Gravuren, also Ritzungen im Fels beziehungsweise hier in dem Kalkstein, der in der Höhlenbildung entstanden ist. Warum gibt es so was bisher hier nicht? Vielleicht, weil unsere Höhlen kleiner sind, vielleicht, weil die Menschen seinerzeit hier in unseren Regionen anders agiert haben. Aber im Grunde haben wir keine wirkliche Erklärung dafür.
Drost: Lässt sich denn aus diesen Zeichen konkret etwas herauslesen?
Sommer: Das ist Ansichtssache. Die Paleolit-Forschung hat ein gewisses Interpretationsschema, zumindest ein heute mehr oder weniger gültiges, und nach dem kann man da unter Umständen was erkennen. Skeptiker, die sagen, das sind viele Striche, und dann kann man die Fantasie laufen lassen. Für uns ist ganz wichtig, dass diese Höhle möglichst unberührt bleibt, dass wir auch in zukünftigen Jahren, Jahrzehnten mit vielleicht anderen Methoden diese Dinge auch noch einmal neu dokumentieren können, um dann auch mit anderen Interpretationsschemata, vor allem aber auch mit anderen Analysemethoden ranzugehen, um dann vielleicht auch noch andere Ideen daraus zu gewinnen, um was es sich dreht und was es bedeutet hat.
Drost: Kann man denn schon ungefähr sagen, was diese Zeichnungen über die Menschen aussagen, die sie angefertigt haben, außer dass sich an der Vorliebe für Pornografie in den letzten 12.000 Jahren nicht viel getan hat?
Sommer: Man kann insofern was aussagen, als es natürlich schon ein besonderer Vorgang ist, in eine dunkle, über weite Strecken extrem enge Höhle hineinzugehen und da zumindest eine gewisse Zeit zu verbringen und dann auch noch in dieser Zeit noch aktiv irgendwas zu tun, also eben diese Ritzungen anzufertigen und in die Steine einzubringen. Darüber hinaus halte ich mich etwas zurück über die Frage, wie weit das jetzt kultische oder gar religiöse Handlungen gewesen sein könnten.
Drost: Gibt es denn irgendwelche neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Sie sich erhoffen mit der Erforschung der Höhle?
Sommer: Ja natürlich grundsätzlich erst einmal die Frage, in welchem Umfang sind solche Gravierungen und Ritzungen vorhanden - also das ist eine primäre Dokumentationsaufgabe -, und dann wird die Hauptfrage natürlich sein, wie alt sind die Dinge tatsächlich, und das ist nicht ganz einfach zu beantworten, weil im Grunde reden wir hier von Stein in Stein. Aber es gibt bei solchen Sinterablagerungen und Tropfsteinen eine gewisse Methodik, wo man mit radioaktiven Zerfallsprodukten auch eine zumindest vage Datierung kriegt, und die kann natürlich auch über die Jahrzehnte in die Zukunft hinein gesehen auch noch exakter werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.