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Steinzeitliches Musikinstrument

Archäologie. - Bei Ausgrabungen auf der Schwäbischen Alb haben Tübinger Forscher eine 35.000 Jahre alte Flöte entdeckt. Sie besteht aus Mammutelfenbein und ist aus 31 Teilen zusammengesetzt. Im Deutschlandfunk erklärt der Leiter der Ausgrabungsgruppe, Professor Nicholas Conard von der Universität Tübingen die Bedeutung des Fundes. Die Fragen stellte Ralf Krauter.

    Krauter: Herr Professor Conard, wie sieht denn die Flöte aus?

    Conard: Sie ist 18,7 Zentimeter lang, ursprünglich wahrscheinlich etwas länger, glatt an der Oberfläche und glänzt ein bisschen. Sie ist sicherlich ein sehr hochwertiges Stück, fragmentarisch aus 31 einzelnen kleinen Stücken zusammengeklebt.

    Krauter: Was verrät uns das über denjenigen, der diese Flöte gebastelt hat?

    Conard: Er ist auf jeden Fall ein Prachtstück. Es ist eine sehr aufwändige Herstellungstechnik. Sie können sich vorstellen, eine Flöte aus einem Hohlobjekt herzustellen, wie einem Vogelknochen, ist eine ganz andere als eine Herstellung aus massivem Elfenbein.

    Krauter: Und aus Vogelknochen waren andere Flöten, die sie schon vor einigen Jahren entdeckt haben?

    Conard: Alle drei Funde kommen aus dem Geißenklösterle, die ersten zwei Stücke sind 1995 veröffentlicht worden. Eines ist sehr fragmentarisch, das andere Stück ist einigermaßen gut erhalten, ungefähr zehn Zentimeter lang. Der gleiche Fundplatz Geißenklösterle bei Blaubeuren auf der Schwäbischen Alb hat die dritte Flöte geliefert, jetzt haben wir die Situation, dass die drei älteste Musikinstrumente, die überhaupt weltweit bekannt sind, alle von diesem Fundplatz stammen.

    Krauter: Würden Sie sagen, dass diese neue Flöte etwas qualitativ anderes ist, weil sie so viel größer, so viel komplexer ist?

    Conard: Ja, auf jeden Fall, für Fachleute schon, weil ein Artefakt in dieser Form bislang völlig unbekannt ist. Wir haben aus dieser Zeit die ältesten figürlichen Darstellungen aus Elfenbein, die bekannt sind, zum Beispiel das berühmte Vogelherd-Pferd oder der Löwenmensch aus Hohlenstein-Stadel auch. Beide sind aus der selben Region. Aber ein Objekt, das man mit so viel Aufwand herstellen musste, ist unbekannt. Vielleicht ganz kurz zur Technik. Erst einmal hat man die Hohlform hergestellt, nämlich gebogen, weil Elfenbein an sich spiralförmig ist. Es ist sehr aufwändig dieses Hohlstück herzustellen. Das wurde aufgespalten und mit Steinwerkzeuge ausgehöhlt, die Grifflöcher und die beiden Enden mussten geschnitzt werden, und dann steht man von dem Problem, wie man die Teile wieder zusammen und auch luftdicht bekommt. Es gibt ganz viele Kerben, mehr als 60 an beiden Seiten. Die beiden Hälften wurden mit Sehnen oder Fasern in irgendeiner Form zusammengebunden und wahrscheinlich mit Birkenpech geklebt, um sie luftdicht zu bekommen.

    Krauter: Kann man denn mit diesem Instrument auch wirklich richtige Musik machen?

    Conard: Ja, unbedingt. Die ersten Aufnahmen wurden gestern gemacht, am Bodensee von Friedrich Seeberger, ich habe sie heute morgen zum ersten Mal gehört. Sie hat einen Supersound, klingt eigentlich besser, als ich erwartet habe.

    Krauter: Liegt denn jetzt die Wiege der Kultur im Schwabenland?

    Conard: Natürlich. Aber auch da muss man betonen, das ist ein bisschen Auslegungssache. Wenn die Frage lautet, wo haben wir die älteste figürliche Kunst und Musikinstrumente weltweit, dann ist die Antwort: Laut jetzigem Kenntnisstand auf der Schwäbischen Alb. Und dieser Fundplatz Geißenklösterle spielt eine große Rolle in der Forschung. Dennoch würde ich nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass Musik und Kunst an sich aus dieser Region stammen. Wir haben eine lange Forschungstradition hier, herrliche Funde und auch einfach Glück gehabt. Es gab wahrscheinlich Musik und Kunst auch anderswo, wir haben sie aber noch nicht entdeckt.