Archiv


Steirischer Herbst

Die Trauben sind reif: genau der richtige Zeitpunkt für eine Tour durch die Steiermark. Denn auf dem "Weinweg der Sinne" bei Sankt Anna können Wanderer nicht nur die bunte Herbstlandschaft bewundern, sondern auch einige gute Tropfen probieren.

Von Marion Trutter |
    "Ja, ein herzliches Grüßgott, da in Sankt Anna. Ich bin der Harrer Peter, bin ein Weinbauer. Wir haben daheim so viereinhalb Hektar Rebfläche, so quer durch die Steirische Sortenvielfalt. Wir sind jetzt auf der Gesamtsteirischen Vinothek, und wenn Sie da nach Osten schauen: Wir liegen direkt an der Slowenischen Grenze. Alles, was Ihr da hinter dem Wald da seht, in der Talmulde unten, ist der Grenzverlauf: Was Wald ist, ist Österreich, und wo die Ackerflächen sind, ist Slowenien. Das ist auch schon das Burgenland dann. Also wir sind da so in dem kleinen Dreiländereck daheim."

    In Sankt Anna am Aigen stehen wir auf einer futuristischen Aussichtsplattform. Rundum Wiesen und Weingärten, die sind heute unser Terrain. Nach einem Begrüßungsschluck geht es los - 14 Kilometer auf dem "Weinweg der Sinne". Der Name ist Programm: Wir sollen nicht nur wandern, sondern auch sehen und hören, riechen, schmecken und spüren.
    Augen und Nase sind von Anfang an beschäftigt - gerade jetzt im Herbst: Die Buchenkronen färben sich golden, das Weinlaub rot. Es riecht nach Erde und Kastanien. Peter Harrer wird uns führen und sein Weinland erklären:

    Da knapp vor uns das ist der Königsberg, genau dahinter liegt Klöch. Klöch zählt zu den besten Traminer-Gebieten der Welt, reines Vulkangebiet, sehr saftige tiefgründige Typen. So, und jetzt marschieren wir mal ein bisschen los.

    Die Weinbauern rund um St. Anna haben den Weinweg der Sinne gemeinsam entwickelt - und eigenhändig beschildert. Als Wegweiser hat man Weinflaschen auf Pfeiler montiert. Der Flaschenhals zeigt die Richtung an - zu einer Jausenstation oder zum nächsten Ort. Dazwischen deuten sie immer wieder auf Stellen, die man ohne Hilfe kaum finden würde: hier ein Jägerstand, dort eine alte Sägemühle oder im Dickicht ein schöner Ausblick.

    "Wir sind hier in der Riede Forst und wir stehen da jetzt am Oberhang eines sehr schönen Weingartens. Im oberen Bereich ein Chardonnay, der eher noch ins Grünliche geht, aber schon so bräunliche Einfärbungen zeigt. Und unterhalb ist der Blaue Zweigelt. Und dieser Blaue Zweigelt färbt jetzt irrsinnig schön ein - vom Goldgelb bis hin zum leuchtenden Dunkelrot. Der Blaue Zweigelt ist ja die Hauptrotweinsorte der Steiermark, ein sehr samtiger, tiefgründiger Rotwein, der in der Nase so Kirscharomen bringt und am Gaumen dann sehr tiefgründig ist mit einer sehr angenehmen Tanninstruktur - ein wunderbarer Wein zum Wild und zum kräftigen Essen."

    Die Augen können sich kaum sattsehen an den Farben des Weinlaubs und vielen von uns läuft schon das Wasser im Mund zusammen. Aber jetzt sind erstmal die Ohren dran - bei einer Wiese am Waldrand:

    "Wir haben so Hörtrichter aufgestellt, wo man ins Land hineinlauschen kann. Man glaubt gar nicht, was man da alles hört - vom Vogelgezwitscher über das Traktorgeräusch, der Wind selber macht unterschiedliche Geräusche. Man spricht einfach alle Sinne an."

    Sogar der Tastsinn kommt zu seinem Recht: An einer Keramiksäule - vom örtlichen Töpfer gebaut - können wir mit geschlossenen Augen verschiedene Strukturen ertasten.

    Und natürlich gibt es am Weinweg der Sinne auch Stationen für den Gaumen - vom Weinbauern über den typischen Buschenschank bis zum Gasthaus.

    "Wenn jemand Durst hat, braucht er einfach bei den Häusern hineinschreien - was zu trinken gibt es überall. Da zum Beispiel, der hat da einen Zettel: Bitte im Haus melden. Wenn jemand in unserer Gegend verdurstet, ist er selber schuld."

    Wir also melden uns bei einem Obstbauern. Der tischt gleich hausgemachte Säfte auf, einen Schnaps aus eigener Brennerei - und Hefekuchen von der Oma mit Quark und Nüssen. Frisch gestärkt geht es weiter.

    "So Leute, und jetzt gehen wir hier die Treppe rauf über den Steg über den Reben. Über den Reben können wir direkt von oben auf den Weingarten draufschauen und dadurch auch die unterschiedlichen Bodengegebenheiten in der Verfärbung des Laubes eben sehen. Wenn Sie jetzt da wieder schauen: Vor uns der Zweigelt mit dieser bräunlich-rötlichen Einfärbung, unten der Welschriesling mit der grünlichen Farbe noch, drüben dort ist Burgunder, wo schon ein bisschen ins Bräunliche hineingeht. Und dann, wenn wir weitergehen, gehen wir dann unter den Reben durch, da hat man praktisch den Blick hinauf, wo wir die Reben dann eben von unten beobachten."

    Noch einmal richtig schnaufen müssen wir auf dem letzten Kilometer. Es geht aus dem Tal steil wieder hoch nach St. Anna. Dort schließt sich der Kreis des Weinwegs in der Gesamtsteirischen Vinothek. Und zum Schluss ist natürlich der Geschmackssinn gefragt: bei einer rustikalen Jause mit Weinprobe.

    "Wir beginnen mit der Steirischen Hauptweißweinsorte, mit dem Welschriesling. Und jetzt riechen Sie in dieses Glas hinein: Der Welschriesling ist eher dieser leichte feinwürzige Typ. Hier werden Sie so zarte Apfelaromen wahrnehmen, bisschen so in die Zitronenmelisse auch hinein. Ein fruchtiger, leichter Wein, der einfach einlädt zum Trinken. Und vor allem beim Anstoßen in die Augen schauen, das ist sehr wichtig!"

    Informationen über den Weinweg der Sinne: www.st-anna.at