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Stellensuche mit Selbstanalyse

Jobsuche auf einem schlechten Arbeitsmarkt ist nicht einfach. Berufsanfänger trifft es besonders hart: Sie haben häufig kein persönliches Beziehungsgeflecht, das sie zur Jobsuche nutzen können. Das so genannte "Life Work Planning" - ein Trend aus den USA - soll das ändern und dem Suchenden helfen, seine eigenen Fähigkeiten besser einzuschätzen. Das verspricht auch ein gleichnamiges Seminar an der Uni Konstanz.

Von Thomas Wagner | 13.06.2005
    " Gleich machen wir nochmals das Explodieren, um herauszubekommen: Wo kann man hingehen, um Gespräche zu führen? "

    Im Halbkreis sitzen gut zwei Dutzend Zuhörer um die Referentin herum. Das ganze sieht aus wie ein gruppendynamisches Selbstfindungsspiel. Doch dahinter verbirgt sich mehr: "Life Work Planning" nennt Julia Gloer aus Hamburg dieses Training zur Stellensuche.

    " Auf dem öffentlichen Arbeitsmarkt, sagt das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, dass cirka ein Drittel aller Stellen öffentlich ausgeschrieben werden, also in einer Zeitung erscheinen, im Internet oder in einer anderen Datenbank. Alle anderen Stellen werden aber in Anführungsstrichen unter der Hand vergeben, also ohne öffentliche Ausschreibung."

    Wie aber rankommen an solche Jobs? Erster Schritt: Die oder der Stellensuchende muss sich erst einmal über seine eigenen beruflichen Fähigkeiten klar werden. Und hier kommt die Gruppendynamik ins Spiel.

    " Jeder musste eine positive Geschichte aus seinem Leben erzählen, sprich: Irgendein Beispiel, was halt ein Erfolgserlebnis gewesen ist. Der Herr, der neben mir sitzt, hat gesagt: Er übersetzt sehr gerne und sehr, gut. Die ganze Gruppe hat dann mitgeschrieben aus seinem Bericht heraus, was wir denn so an Fähigkeiten erkennen können. Anschließend wurde er dann von der Referentin befragt, was er sich denn selber zutrauen würde. Und das ist ganz lustig, das ist uns allen in der Gruppe so gegangen: Wir sind ja nur in der Lage, uns so drei, vier Fähigkeiten selber zuzuordnen, sich einzugestehen und sie bei sich zu erkennen. Und danach wurde dann die ganze Gruppe gefragt: Und man kam dann so locker auf 12, 13, 14 Fähigkeiten. "

    So Sonja Zander aus Konstanz, die wie alle übrigen Seminarteilnehmer erkannte: In jedem stecken viel mehr Fähigkeiten, als einem bewusst ist. Die zu erkennen und auf ihre berufliche Verwertbarkeit hin abzuklopfen, ist der erste Schritt von "Life Work Planning". Schritt Nummer zwei: Die Suche nach Personen, die etwas über Jobs sagen können, bei denen genau solche Kenntnisse gefragt sind.

    Christina Horn, Diplom –Psychologin auf Jobsuche und Carola Moxta. Ergotherapeutin mit dem Wunsch nach beruflicher Veränderung:

    " - Einfach jeden ansprechen, den man trifft, den man kennt, sagen: Ich such einfach was, ich kann das und das "

    " - Also mitbekommen habe ich, dass man sich nicht gleich outet als Stellensuchender, wenn man Kontakte knüpft, sondern sich erst mal informiert, sich die Personen raussucht, die das tun, was man gerne selber tut. "

    Das bedeutet: Die Suche nach den verborgenen Stellen führt über das Knüpfen eines intensiven Beziehungsgeflechtes mit Personen, die mit solchen Stellen was zu tun haben. So etwas lässt sich in den Life-Work-Planning-Seminaren regelrecht trainieren, so die Hamburger Referentin Julia Glöer:

    " Teilnehmer stürmen Betriebe ihrer Wahl zu einem Interessensgebiet, das sie haben. Und dabei machen alle Teilnehmer die Erfahrung, dass Menschen, auch wenn man kalt ohne vorherigen Termin in Betriebe reingeht, vorausgesetzt, man fragt höflich nach einem Gespräch, dass die allermeisten Menschen, nämlich 82 Prozent, gerne mit einem reden und Auskunft geben. "

    In einer nächsten – und letzten – Stufe sieht "Life Work Planning" vor, dass Stellensuchende nach diesen Gesprächen ausloten: Besteht im jeweiligen Unternehmen Bedarf für das, was man anbieten möchte? Wie muss man selber einen solchen Bedarf schmackhaft machen?

    " Und dann muss man mit ganz anderen Menschen reden, nämlich mit Menschen, die einstellen dürfen, mit Chefs, Abteilungsleitern. Und denen muss man diese Informationen vorstellen, die man gesammelt hat. "

    Das Ganze kommt, so Julia Gloer, einer Art Umkehrung des klassischen Bewerbungsverfahrens gleich.

    " Ich habe ein Beispiel, dass ein Mann, der Stadtplaner war, das Seminar durchlaufen hat und für sich herausgefunden hat, dass er eigentlich biologisches Essen sehr gerne mag und biologische Produkte. Er hat mit jemandem geredet, der gerade einen neuen Supermarkt aufbaut, ihm vorgeschlagen, ob nicht ein Kochstudio sinnvoll wäre. Und er ist dann der Leiter des ersten Kochstudios angeschlossen an einen deutschen Bio-Supermarkt geworden. "

    In diesem Fall hat "Life Work Planning" funktioniert. Ob das generell so reibungslos abläuft, werden die Teilnehmer des Konstanzer Seminars erst in naher Zukunft erfahren. Überraschend dabei: Die meisten Teilnehmer haben bereits einen Job, sind dort unzufrieden, wollen sich beruflich verändern. Studenten, die kurz vor ihrem Abschluss stehen, finden sich nur vereinzelt in der Runde wieder. Eigentlich schade, findet Heike Schwartz vom Career Service der Uni Konstanz:

    " Für uns an der Uni ist es natürlich auch so: Die Studenten, die abgehen, haben oftmals noch nicht so diese Kontakte, das Wissen, wie man solche Kontakte aufbaut. Und da setzt ja eigentlich auch Life-Work-Planning an: Dass man immer eine Orientierung hat über sich selbst, wo man hin will und über dieses Wissen Kontakte aufbaut und darüber eine Stelle findet. "