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Stephan Mayer (CSU) zum Asylstreit
"Druck auf die anderen EU-Länder erhöhen"

"Die Lösung ist, den Masterplan von Horst Seehofer zu verabschieden", sagte der CSU-Politiker und Stephan Mayer im Dlf zum Asylstreit in der Union. Das Abweisen an den Landesgrenzen hält er für ein geeignetes Druckmittel, um einen schnellen Asyl-Kompromiss mit den anderen EU-Ländern zu erreichen.

Stephan Mayer im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 18.06.2018
    Stephan Mayer (CSU) äußert sich am 16.01.2017 vor der Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) im Deutschen Bundestag in Berlin. Er steht vor einem Mikrofon.
    Stephan Mayer (CSU) äußert sich am 16.01.2017 vor der Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) im Deutschen Bundestag in Berlin. (dpa / picture alliance / Bernd von Jutrczenka)
    Tobias Armbrüster: Es wird spannend in den kommenden Stunden in Berlin und in München. "Showdown", "Crunchtime" – das sind die Worte, die benutzt werden, wenn es um den Asylstreit in der Union geht. Die CSU will einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik. Horst Seehofer, der Parteichef sagt, er will Flüchtlinge an der Grenze auch zurückweisen lassen. Angela Merkel ist strikt dagegen. Heute beraten die Spitzen der beiden Parteien getrennt in Berlin und in München.
    Mitgehört hat am Telefon der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer. Er ist Staatssekretär im Bundesinnenministerium bei Horst Seehofer. Schönen guten Tag, Herr Mayer.
    Stephan Mayer: Guten Morgen, Herr Armbrüster. – Grüß Gott!
    Armbrüster: Herr Mayer, welchen Kompromiss können Sie sich denn vorstellen heute?
    Mayer: Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Lösung die ist, dass man den Masterplan von Horst Seehofer in all seinen 63 Punkten verabschiedet, der dann auch der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Aber natürlich bedarf es auch gewisser logistischer und personeller Vorbereitungen, um den Kreis derer, die an der deutschen Außengrenze zurückgewiesen werden können, zu erweitern. Das geht nicht von heute auf morgen. Und vor dem Hintergrund ist es nach wie vor auch das CSU-Interesse, dass wir eine europäische Lösung finden. Wir sind genauso wie die CDU der Überzeugung, dass letzten Endes nicht an der bayerisch-österreichischen Grenze die Migrationskrise gemeistert und gelöst werden kann, sondern dass wir eine einheitliche europäische Lösung benötigen. Nur für diese wird schon seit drei Jahren gekämpft. Es wird drei Jahre verhandelt, bislang bedauerlicherweise vergeblich. Und vor dem Hintergrund muss der Druck mit Sicherheit auch auf die anderen EU-Länder erhöht werden, sich endlich einer europäischen Lösung zuzuwenden. Wir brauchen ein gemeinsames europäisches Asylsystem, aber eines, das wirklich auch krisenfest ist, und da ist man derzeit noch ein ordentliches Stuck davon entfernt.
    Armbrüster: Herr Mayer, wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, dann wollen Sie zunächst Angela Merkel noch mal zwei Wochen Zeit geben. Ist das korrekt?
    Mayer: Es geht nicht um die zwei Wochen. Die zwei Wochen sind an sich nicht das Problem. Wie gesagt, es wird seit drei Jahren über das gemeinsame europäische Asylsystem verhandelt. Da spielen zwei Wochen nicht die entscheidende Rolle. Nur mein persönlicher Eindruck ist der, auch nachdem ich selbst Horst Seehofer vertreten durfte bei einer Innenministerkonferenz, dass man derzeit unheimlich weit voneinander entfernt ist. Das liegt nicht nur an der deutschen Position; das liegt vor allem an den Positionen der osteuropäischen Länder, aber auch an den Positionen der südeuropäischen Länder. Es ist unheimlich schwer, hier zeitnah, kurzfristig zu einer Lösung zu kommen, und wir sind der Überzeugung als CSU, auf dem Weg zu einer europäischen Lösung, die wir wohl gemerkt auch wollen und favorisieren, bedarf es aber auch durchaus nationaler Maßnahmen, und es geht darum, Recht und Gesetz auch an der deutschen Außengrenze zu vollziehen. Wir wollen nicht die Grenze hermetisch schließen, sondern wir wollen den Kreis derer, die zurückgewiesen werden können, erweitern auf die Personen, die offenkundig schon in einem anderen EU-Land waren, dort registriert wurden und teilweise auch das Asylverfahren dort schon begonnen haben.
    "Heute intensiv über den Masterplan von Horst Seehofer debattieren"
    Armbrüster: Herr Mayer, entschuldigen Sie, wenn ich Sie da unterbreche. Ich glaube, diese Sicht der CSU, die haben wir verstanden. Es geht allerdings ja heute um diese grundsätzliche Einigung und um mögliche Kompromisse. Da stehen sich Ihre Partei und Ihre Schwesterpartei CDU ja nach wie vor gegenüber. Deshalb ist meine Frage, noch mal auf einen Kompromiss zu kommen: Geben Sie Angela Merkel noch etwas Zeit, oder soll das tatsächlich alles heute durchgewunken werden?
    Mayer: Es steht ja heute nicht an, dass jetzt die Zurückweisungen erweitert werden an der deutschen Grenze, sondern es stehen heute Gremiumssitzungen an, sowohl bei der CDU als auch bei der CSU. Ich gehe davon aus, wir werden heute im CSU-Parteivorstand sehr intensiv über den Masterplan von Horst Seehofer debattieren. Ich bin aber auch sehr guter Hoffnung, dass es auch eine einmütige Unterstützung, eine einhellige Unterstützung auch für Horst Seehofer geben wird. Und dann wird man sehen, wie es weitergeht.
    Um dies auch noch mal klarzumachen: Die CSU will nicht Angela Merkel als Kanzlerin stürzen. Die CSU will auch nicht die Fraktionsgemeinschaft zwischen der CDU und der CSU auflösen und zur Disposition stellen.
    Armbrüster: Das heißt, Sie wollen heute keinen Druck auf sie ausüben?
    Mayer: Wir wollen mit Sicherheit keinen Druck auf Angela Merkel ausüben. Das ist nicht das Interesse der CSU. Es geht hier auch nicht um die Person Angela Merkel, um dies auch noch mal klar zu sagen, sondern es geht darum, in der Sache richtige Entscheidungen zu treffen. Ich habe persönlich schon den Eindruck, dass die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land erwarten, dass sich im Bereich der Asylpolitik einiges ändert, und zwar deutlich zum Besseren, dass wir effektiver werden, was den Schutz unserer Außengrenze anbelangt, was auch die Abschiebung von ausweisepflichtigen Personen anbelangt, insbesondere derer, die kriminell geworden sind. Wir wollen hier schon deutlich besser werden und deswegen hat ja Bundesinnenminister Horst Seehofer seinen Masterplan erarbeitet – nicht nur mit einem Punkt. Es geht ja nicht nur um den einen Punkt, Zurückweisungen an der Grenze, sondern es geht um 63 Punkte. Dieser Masterplan ist die richtige Antwort darauf, dass unsere Asyl- und Migrationspolitik noch nicht so gut ist, wie sie sein sollte.
    Armbrüster: Jetzt haben wir hier vor etwa einer Stunde Ihren Regierungsfraktionskollegen Elmar Brok gehört, den CDU-Europapolitiker. Dr hat gesagt, es hat sich eigentlich schon eine Menge gebessert in den vergangenen Jahren. Die Flüchtlingszahlen zum Beispiel sind ja deutlich runtergegangen. Das ist kein Vergleich mehr zu dem Stand aus dem Jahr 2015. Außerdem wird kontinuierlich gearbeitet an der Verbesserung des Schutzes der EU-Außengrenzen. Warum macht die CSU eigentlich jetzt auf einmal diesen Druck?
    Mayer: Es ist ja nicht so, dass die CSU jetzt auf einmal diesen Druck macht. Sie haben ja in den letzten Jahren mitbekommen, dass es sehr wohl des Öfteren intensive Diskussionen zwischen der CDU und der CSU gab. Es ist ja nicht so, dass wir plötzlich wie aus heiterem Himmel jetzt hier eine unterschiedliche Auffassung bei manchen Punkten haben.
    "Die CSU will nicht, dass die Fraktionsgemeinschaft auseinanderbricht"
    Armbrüster: Herr Mayer, Moment! Vor einer Woche hat noch niemand in Deutschland gesprochen über ein mögliches Auseinanderbrechen von CDU und CSU, und auf einmal sind diese ganzen Spekulationen da. Da hat sich ja irgendetwas ereignet in der vergangenen Woche.
    Mayer: Aber, Herr Armbrüster, auch wir sprechen nicht von dem Auseinanderbrechen der Fraktionsgemeinschaft. Die CSU will nicht, dass die Fraktionsgemeinschaft auseinanderbricht. Wir wollen in der Sache richtige Entscheidungen treffen. Und natürlich hat Elmar Brok recht, dass sich in den letzten drei Jahren vieles verbessert hat, dass die Verfahren verkürzt wurden, dass die Verfahren professionalisiert wurden. Aber wir sehen auch wiederum anhand des BAMF-Skandals, dass es durchaus auch hier noch Verbesserungsbedarf gibt. Natürlich sind die Zahlen zurückgegangen, auch das stimmt. Wir haben jetzt deutlich niedrigere Zugangszahlen als noch im Herbst 2015. Aber – auch das, glaube ich, gehört zur Wahrheit – es kommen nach wie vor trotzdem zu viele Illegale ins Land, vor allem auch mit keiner Bleibeperspektive, vor allem jetzt auch aus afrikanischen Ländern mit sehr geringen Schutzquoten. Elmar Brok hat auf der einen Seite recht, dass sich in den letzten Jahren vieles verbessert hat, insbesondere auch auf Betreiben und auf Druck der CDU und der CSU. Aber es ist noch nicht alles so, wie es sein sollte, und wir müssen noch deutlich besser werden, und dazu gehört der Masterplan Migration von Horst Seehofer, der dann auch entsprechend in seinen Punkten umzusetzen ist.
    Armbrüster: Aber Sie bringen damit ja die Bundeskanzlerin, Ihre Kanzlerin Angela Merkel in eine sehr unangenehme Position, wenn Sie ihr jetzt in dieser Frage die Pistole auf die Brust setzen.
    Mayer: Niemand setzt irgendjemandem die Pistole auf die Brust. Es geht darum, dass der Bundesinnenminister als zuständiger Ressortminister einen Masterplan entwickelt hat. Das ist auch sein gutes Recht und Horst Seehofer hat ja auch schon vor der Bundestagswahl angekündigt, dass wir deutliche Veränderungen in der Asylpolitik benötigen. Es darf jetzt auch keiner überrascht sein, dass Horst Seehofer sehr schnell, noch vor Ablauf der ersten 100 Tage seiner Amtszeit seine Ankündigungen in die Tat umsetzt. Dieser Masterplan findet offenbar größtenteils auch Zustimmung in den Reihen der CDU und auch insbesondere bei der Bundeskanzlerin. Ich verstehe nicht den Vorwurf, dass hier irgendjemand der Bundeskanzlerin die Pistole auf die Brust setzt. Es ist die Aufgabe, die Verantwortung des zuständigen, des verantwortlichen Ressortministers, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.
    Armbrüster: Aber, Herr Mayer, ist das etwas völlig Normales, dass ein Minister etwas durchsetzt, von dem die Kanzlerin sagt, sie will es nicht?
    Mayer: Offenkundig gibt es aber auch bei der Kanzlerin bei 62 der 63 Punkte überhaupt keinen Widerspruch.
    Armbrüster: Aber in diesem einen Punkt, Zurückweisung an der Grenze, gibt es ganz entscheidenden Widerspruch.
    Mayer: Na ja, und man muss dann bei Lichte betrachtet sich auch mal ansehen, um welchen Personenkreis es geht. Es geht um die, die in anderen EU-Ländern schon registriert wurden. Es geht ja nicht darum, dass wir hermetisch die Grenze dichtmachen wollen und jeden an der Grenze zurückweisen wollen, sondern es geht "nur" darum, dass an den drei Grenzübergängen an der bayerisch-österreichischen Grenze, an denen derzeit kontrolliert wird oder dauerhaft, 24 Stunden rund um die Uhr kontrolliert wird, die Personen zurückgewiesen werden, die nach dem Dublin-System an sich ihr Verfahren in einem anderen EU-Land durchführen müssten. Und mit Verlaub: Da geht es um die Durchsetzung von Recht und Gesetz!
    "Seehofer trägt ja auch die Verantwortung"
    Mayer: Und Sie sagen, das durchzusetzen, das muss für Horst Seehofer möglich sein, auch wenn die Kanzlerin es nicht will?
    Mayer: Ja, es ist in der Verantwortung des zuständigen Ressortministers. Er trägt ja auch die Verantwortung, wenn etwas schiefgeht. Vor dem Hintergrund habe ich persönlich sehr viel Verständnis für die Position unseres Bundesinnenministers, dass er natürlich als zuständiger, verantwortlicher Ressortminister in seinem Bereich die Dinge so regeln will und auch aus meiner Sicht muss, wie er sie für richtig erachtet.
    Armbrüster: Und Angela Merkel soll dem einfach zusehen?
    Mayer: Es gibt ja nach wie vor gute und intensive und auch vertrauensvolle Gespräche zwischen der CDU und der CSU und auch insbesondere innerhalb der Bundesregierung. Ich bin der Überzeugung, dass man hier zu einer einheitlichen Position kommen kann. Wir wollen wie gesagt als CSU hier auch eine europäische Lösung. Wir sind auf dem Weg zu einer europäischen Lösung. Unsere Einschätzung ist vielleicht etwas anders als an anderer Stelle, was die Erfolgsaussichten der Verhandlungen insbesondere in kurzfristiger Hinsicht anbelangt, aber wir wollen natürlich auch, dass wir eine einheitliche europäische Lösung finden, wenn es darum geht, zum einen die europäische Außengrenze noch effektiver zu sichern, und dann auch eine faire und solidarische Lastenverteilung innerhalb der Europäischen Union hinzubekommen. Es kann auf die Dauer nicht so weitergehen, dass Deutschland allein mehr Asylbewerber aufnimmt als alle anderen 27 EU-Länder zusammen.
    "Den Druck auf die EU-Länder erhöhen"
    Armbrüster: Das heißt, Sie sehen das durchaus auch, dass es da eine gemeinsame europäische Lösung geben kann. Warum können Sie dann nicht einfach sagen, dann gehen wir den normalen politischen Weg, treten in Verhandlungen auch, auch mit unseren Partnern von der CDU, und verschieben alle weiteren Maßnahmen erst mal, sagen wir mal, um ein paar Monate?
    Mayer: Es geht darum, dass wir nicht mehr ein Verschieben von Monaten zu Monaten hier wollen, sondern wir wollen durchaus auch Signale setzen und auch den Druck erhöhen auf die anderen EU-Länder. Und wir sind der Überzeugung als CSU, dass der Druck erhöht wird, wenn man konsequenter Personen an der deutschen Außengrenze zurückweist, die an sich in einem anderen EU-Land verbleiben müssten. Wir sind da gar nicht voneinander entfernt zwischen CDU und CSU, was die europäische Lösung anbelangt. Nur ich bin der Auffassung, dass es kurz- und mittelfristig zu dieser europäischen Lösung nur sehr schwer kommen wird, und ich glaube, dass die Erfolgsaussichten sich erhöhen, wenn man den Druck erhöht auf die anderen EU-Länder. Deswegen sind wir der Auffassung, man sollte den Kreis derer, die an der deutschen Außengrenze zurückgewiesen werden können, erweitern. Man kann dies dann ja wieder einstellen, wenn es wirkungsgleiche Lösungen gibt.
    Armbrüster: Live hier bei uns in den "Informationen am Morgen" war das der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer zum aktuellen Asylstreit. Ich danke Ihnen vielmals, Herr Mayer, für Ihre Zeit an diesem Montagmorgen.
    Mayer: Bitte schön!
    Armbrüster: Danke schön!
    Mayer: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.