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Sterbehilfe
"Dr. Tod" vor Gericht

Der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch ist Vorsitzender des Vereins "Sterbehilfe Deutschland". Als er 2008 öffentlich erklärt, einer 79-Jährigen beim Sterben assistiert zu haben, macht er bundesweit als "Dr. Tod" Schlagzeilen. Jetzt klagt ihn die Hamburger Staatsanwaltschaft erneut wegen Totschlags an.

Von Dirk Schneider | 13.05.2014
    Roger Kusch, Vorsitzender von Sterbehilfe Deutschland e. V., spricht vor Journalisten.
    Roger Kusch: Vorsitzender von Sterbehilfe Deutschland e. V. (dpa/Malte Christians)
    "Wir nehmen die Anklage ernst. Es ist nicht ein Papier, über das man einfach hinwegschaut, sondern es ist die Anklage einer rechtsstaatlich gut strukturierten Behörde, der Staatsanwaltschaft Hamburg, und was da drin steht, muss jeden, der es liest, betroffen stimmen."
    Er gibt sich demütig, Roger Kusch, der als ehemaliger Hamburger Justizsenator jetzt des Totschlags angeklagt ist, gemeinsam mit dem Arzt Johann Friedrich Spittler. Zwei Frauen von 81 und 85 Jahren, die Kuschs Verein "Sterbehilfe Deutschland" beigetreten waren, hatten sich im November 2012 im Beisein von Spittler das Leben genommen. Der Arzt, der Gutachten Suizidwilliger für den Verein erstellt, hatte laut Staatsanwaltschaft den beiden attestiert, "dass der Grund für ihren Wunsch allein ihre Angst vor dem Altern und dessen Folgen war", wie es in der Pressemitteilung heißt. Über Alternativen oder Beratungsmöglichkeiten seien die Frauen nicht aufgeklärt worden, obwohl dies in der Vereinssatzung vorgesehen ist. Ohne Unterstützung der Angeklagten, sagt die Staatsanwaltschaft, hätten sie die Selbsttötung nicht durchgeführt. Der Verein, so der Vorwurf, hätte damit einen Präzedenzfall schaffen wollen.
    Die Pressekonferenz zeugt von wenig Pietät. Roger Kusch gibt sich, wie gewohnt, kämpferisch:
    "Wir werden ohne Wenn und Aber weitermachen. Es wird überhaupt keine Abstriche geben. Wir haben eine Satzung, die verfassungskonform und gesetzeskonform ist. Wir haben ethische Grundsätze, die der Struktur unserer gesellschaftlichen freiheitlichen Ordnung entsprechen, und wir sehen aus der Anklage keinerlei Anlass, irgendetwas zu ändern."
    Und auch Spittler sieht offenbar das Vertrauen suizidwilliger Vereinsmitglieder in seine ärztliche Tätigkeit nicht erschüttert:
    "Um dieser Menschen willen, Sie mögen mir das glauben oder nicht, um dieser Menschen willen werde ich weitermachen. So schwer wie das ist."
    Beihilfe zum Suizid ist in Deutschland nicht strafbar. In diesem Fall handelt es sich nach Argumentation der Staatsanwaltschaft aber um Totschlag, weil die Beschuldigten, so der juristische Ausdruck, die Tatherrschaft übernommen hätten. Das Landgericht Hamburg muss nun entscheiden, ob es den Fall zur Verhandlung zulässt. Der Anwalt der beiden, Walter Wellinghausen, gibt sich optimistisch, dass dies aufgrund von Mängeln der Anklageschrift nicht geschehen werde, und spricht von einer politischen Motivation der Staatsanwaltschaft:
    Aber allein in der Tatsachendarstellung und in den Maßstabsdarstellungen, die die Staatsanwaltschaft in dieser Anklage vornimmt, ist sie offensichtlich mit großem Eifer vorgegangen. So kann man nicht arbeiten. Und wenn man so arbeitet, muss man sich den Vorwurf gefallen lassen, dass man auch politisch arbeitet.