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Sternenwiege im Labor

Physik. - Magnetische Kräfte sind mitverantwortlich, wenn sich Sterne aus rotierenden Staubscheiben herauskristallisieren. Jetzt konnten Dresdner Physiker erstmals einen wichtigen Effekt dabei - die so genannte Magneto-Rotations-Instabilität – nachvollziehen.

Von Mirko Smiljanic |
    Das Universum ist zwar ziemlich groß, was in ihm passiert, lässt sich aber – zumindest teilweise – auf kleinstem Raum abbilden. In einer Laborhalle des Forschungszentrums Rossendorf bei Dresden etwa, wo Physiker ein Experiment entwickelten, das die Magneto-Rotations-Instabilität nachweist. Mit teilweise erstaunlich einfachen Utensilien:

    "Hier ist ein DN 300 Millimeter Abwasserrohr, dort ist eine Ringsspule angeordnet mit 240 Windungen, die haben wir hier selbst zusammen auf dem Hof gewickelt, weil da gibt es keine normalen Wickelmaschinen."

    Innerhalb des Abwasserrohrs – erläutert Thomas Gundrum, Physiker am Institut für Sicherheitsforschung im Forschungszentrum Rossendorf – befindet sich ein zweiter Zylinder. Beide lassen sich unterschiedlich schnell drehen:

    "Zwischen den zwei Zylindern ist flüssiges Gallium-Indium-Zinn, das ist eine metallische Legierung, die bei ungefähr fünf Grad Celsius flüssig wird..."

    …und unter bestimmten Bedingungen eine gleichmäßige Strömung erzeugt: Nämlich dann, wenn die Drehzahl des Außenzylinders um mindestens ein Viertel höher ist als die Drehzahl des Innenzylinders. Mit Ultraschallsensoren lassen sich die Strömungsverhältnisse beobachten. Im Experiment sollte nun geklärt werden, ob Magnetfelder diese stabile Strömung stören können. Zunächst einmal, sagt Gunter Gerbeth, ebenfalls Physiker im Forschungszentrum Rossendorf, sei das eine eher exotische Wirkung:

    "Es ist insofern ein Widerspruch, weil in vielen angewandten Bereichen, also zum Beispiel im Metallguss und in der Kristallzüchtung, statische Magnetfelder eingesetzt werden, um Strömungen und Turbulenzen zu beruhigen, insofern ist die Magneto-Rotations-Instabilität etwas Besonderes, dass ein statisches Magnetfeld den Übergang zu Turbulenzen erst antriggert."

    Das Magnetfeld wird auf zwei Wegen erzeugt: Zunächst einmal fließt entlang der Zylinderachse mit 6.000 Ampere ein vergleichsweise hoher Strom, außerdem haben die Forscher um den äußeren Zylinder eine Spule gewickelt, durch die 75 Ampere Strom fließen. Dadurch entsteht – und das ist der eigentliche Trick des Experiments – ein schraubenförmiges Magnetfeld. Sobald es in die stabile Gallium-Indium-Zinn-Strömung zwischen den rotierenden Zylindern geschickt wird, beobachten die Dresdner Physiker Erstaunliches: Die stabile Strömung entwickelt Turbulenzen,…

    "…das heißt, in guter Übereinstimmung mit den berechneten typischen Magnetfeldstärken wurde genau das theoretisch Vorhergesagte gefunden, dass Instabilitäten der Strömungen einsetzen, die sich in unserem konkreten Fall als wandernde Welle nachweisen lassen mit unserer Messtechnik für die Strömungsgeschwindigkeit."

    Mit diesem Versuchsaufbau wiesen Wissenschaftler erstmals die Magneto-Rotations-Instabilität – kurz MRI – im Labor nach, und sie wiesen nach, dass die MRI tatsächlich dafür verantwortlich ist, dass rotierende Zentralgestirne immer mehr Masse aufsaugen. Trotz aller Euphorie gibt Frank Stefani aber zu bedenken:

    "Gerade der Aspekt, dass ein azimutales Magnetfeld das Einsetzen von Instabilitäten erleichtert, ist in der astrophysikalischen Community noch nicht vollständig angekommen und die Konsequenzen müssen dort erst noch diskutiert werden."

    Und ob die Resultate des Potsdam-Dresdener Experiments sich noch auf andere Felder anwenden lassen, ist ebenfalls unklar:

    "Man könnte vielleicht daran denken, in anderen rotierenden Strömungen, zum Beispiel in der Kristallzüchtung, wo ähnliche Drehimpulsverhältnisse vorliegen, dass man ähnliche Instabilität dort finden könnte, doch das ist Zukunftsmusik."