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Steueramnestie und Hartz-Vorschläge

    Capellan: Dauerbrenner Hartz-Kommission. Der war auch Thema in der Presseschau. Sie haben es gerade hören können. Dabei fällt auf, dass sich kaum ein Linker zu Wort meldet. Kein Ton vom sonst so kritischen Arbeitnehmerflügel der SPD und auch die Gewerkschaften wollen die vielleicht letzte Chance der SPD nicht kaputt reden. Ich begrüße nun am Telefon Hubertus Schmoldt, den Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Chemie, Bergbau und Energie. Guten Morgen Herr Schmoldt!

    Schmoldt: Guten Morgen Herr Capellan.

    Capellan: Bloß nicht dem Kanzler in die Parade fahren. Ist das auch Ihre Devise?

    Schmoldt: Nein, das ist nicht unsere Devise, sondern wir sehen eine große Chance, dass mit den Vorschlägen auf dem Arbeitsmarkt, in der Arbeitsverwaltung und -vermittlung endlich Bewegung gebracht werden kann. Das große Kunststück der Hartz-Kommission war ja in der Tat, aus ganz verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetzt zu einem einstimmigen Votum zu kommen. Das ist ein gutes politisches Signal. Es geht um Abbau der Arbeitslosigkeit. Ich denke da muss sich jeder auch verpflichten mitzumachen.

    Capellan: Auf der anderen Seite sollen viele Dinge verwirklicht werden, gegen die sich die Gewerkschaften immer wieder gewandt haben, zum Beispiel die Förderung von Niedriglohn-Jobs. Warum können Sie auf einmal mitziehen?

    Schmoldt: Wir haben ja schon ein paar Versuche in diesem Segment mitgetragen beispielsweise das Mainzer Modell. Wir müssen leider feststellen, dass all das, was wir bisher in diesem Sektor auf den Weg gebracht haben, nicht die erwünschte Wirkung gezeigt hat. Deshalb sind wir bereit, sind die Gewerkschaften bereit, hier einen neuen Versuch zu starten, und den auf der Grundlage der von Hartz vorgelegten Überlegungen.

    Capellan: Wird das ausgeweitet werden? Bisher ist nur die Rede von Haushaltshilfen?

    Schmoldt: Wir müssen natürlich aufpassen und werden verhindern, dass dies zu einem Einfallstor wird, einen sogenannten breiten Niedriglohn-Sektor zu schaffen, indem man bisherige ordentliche und unbefristete Arbeitsverhältnisse umwandelt. Gerade im Haushaltsbereich wird ja immer gesagt gibt es einen hohen Bedarf. Deshalb ist es dort richtig und sollte man es dort auch ausprobieren.

    Capellan: Besteht denn diese Gefahr auch bei den sogenannten Ich-AGs? Die hören sich gut an im Kampf gegen die Schwarzarbeit. Wie solle man aber verhindern, dass dort reguläre Beschäftigte ihren Job verlieren durch solche Ich-AGs, dass vielleicht Unternehmen outsourcen an solche Kleinunternehmer?

    Schmoldt: Herr Capellan, das wird ja ohnehin die große Aufgabe werden zu verhindern, dass bisherige Beschäftigungsverhältnisse in solche neuen Formen umgewandelt werden und dann die Arbeitgeber dafür Investitionen oder andere Zuschüsse einkassieren. Deshalb muss in diesem Zusammenhang auch von dem Unternehmen eine so genannte Beschäftigungsbilanz verlangt werden, aus der hervorgeht, dass es hier um zusätzlich geschaffene Arbeitsplätze geht und nicht um bisherige, die man einfach umwandelt.

    Capellan: Also da müssen noch weitere Details im Hartz-Konzept einfließen?

    Schmoldt: Ich gehe davon aus, dass das in der Hartz-Kommission bedacht worden ist. Wir werden am Freitag ja nun die Endfassung des Berichtes kennen lernen. Da die Kommission in diesem Punkt sehr intensiv, zum Teil auch kontrovers diskutiert hat, unterstelle ich, dass man hierfür auch entsprechende Ausführungs- und Durchführungsbestimmungen, wie immer man das nennen will, zu Papier gebracht hat, die Missbrauch auf jeden Fall ausschließen.

    Capellan: Herr Schmoldt, inwieweit sehen Sie denn den Kündigungsschutz gesichert, für den ja die Gewerkschaften immer so sehr gekämpft haben, wenn nun Beschäftigte bei Zeitagenturen eingestellt werden?

    Schmoldt: Die sollen ja bei diesen Zeitagenturen - das ist zumindest mein Kenntnisstand - ein unbefristetes Arbeitsverhältnis eingehen. Sie werden dann nur von der Zeitagentur an andere befristet weitervermittelt. Insoweit bleibt der Kündigungsschutz für den einzelnen Betroffenen erhalten. Nur der Entleiher, wenn man das so sagen will, ist nicht an den Kündigungsschutz gebunden, aber das hätte ja keine Konsequenzen für den Betroffenen.

    Capellan: Allerdings bei Neueinstellungen von über 50jährigen soll es auch zu befristeten Arbeitsverhältnissen kommen können. Also doch eine Einschränkung beim Kündigungsschutz, oder?

    Schmoldt: Wenn man so will ja, Herr Capellan, aber wir haben in den letzten Jahren leider zur Kenntnis nehmen müssen, dass gerade die über 50jährigen ein großes Problem haben, wieder in Beschäftigung zu kommen. Wenn mit einer solchen zumindest am Rande der Aufweichung des Kündigungsschutzes befindlichen Regelung hier mehr Zugang für diesen Personenkreis möglich ist, werden wir das mittragen. Die ganzen Vorschläge sind ja zunächst ohnehin befristet. Es soll ja eine Bestandsaufnahme gemacht werden und dann wird man auch sehen, welches Instrument wie gewirkt hat und welche Konsequenzen damit verbunden waren.

    Capellan: Herr Schmoldt, lassen Sie uns noch reden über das so genannte Job-Floater-Programm. Da sollen Bürger dem Staat steuerbegünstigt Geld für den Aufbau Ost leihen. Welchen Unternehmen könnte damit im Osten geholfen werden?

    Schmoldt: Es besteht ja zurecht die Hoffnung, dass man damit neue Unternehmungen auf den Weg bringt, also Existenzgründungen erleichtern kann, und mit Sicherheit auch in bestehenden Unternehmen die Bereitschaft weckt, hier zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Insoweit ist das gerade für den ja sehr gebeutelten Osten unseres Landes eine gute Möglichkeit und ich verstehe deshalb auch die Kritik der Opposition an diesem Programm nicht.

    Capellan: Fehlt es denn wirklich an Geld, Herr Schmoldt?

    Schmoldt: Am Geld wird es mit Sicherheit nicht fehlen. Die Frage ist, wer bringt es zu welchen Kosten auf. Wir haben ja Begünstigungen gerade im Zusammenhang der deutschen Einheit mit großen Steuervergünstigungen für Investoren kennen gelernt. Warum soll das nicht auch für den Arbeitsmarkt möglich sein.

    Capellan: Was halten Sie davon, wenn Steuersünder nun straffrei ausgehen sollen, wenn sie in diesen Topf für den Aufbau Ost einzahlen?

    Schmoldt: Damit ist mit Sicherheit ein Gerechtigkeitsproblem verbunden, wenn diejenigen, die brav und korrekt - und das sind ja im wesentlichen die Arbeitnehmer - jeden Monat ihre Steuern zahlen, jetzt erleben, dass die, die im großen Stile Geld am deutschen Fiskus vorbeigemogelt haben, nun ohne jegliche Strafe davonkommen sollen. Ich glaube, darüber muss man noch mal nachdenken. Wenn man Wege findet, die beides ermöglichen, also Gerechtigkeit zu erhalten, auf der anderen Seite das Geld wieder zurückzuholen, das wäre mit Sicherheit eine Überlegung wert.

    Capellan: Hubertus Schmoldt war das, Vorsitzender der IG Chemie, Bergbau und Energie. - Ich danke Ihnen und auf Wiederhören!



    Capellan: Am Telefon begrüße ich nun Dieter Ondracek, Vorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. Guten Morgen!

    Ondracek: Guten Morgen!

    Capellan: Herr Ondracek, der Kanzler sagte gestern, besser Arbeit in Leipzig als Geld in Liechtenstein. Wie muss man sich das vorstellen? Ist Ihnen klar geworden, wie er das Schwarzgeld aus Liechtenstein zurückholen will?

    Ondracek: Das ist leider nicht klar geworden. Die pauschale Aussage von einer Amnestie ist eher verwirrend und führt in die Irre und macht gar nichts klar. Es zeigt offenbar, dass über die heutige Rechtslage nicht überall Kenntnis besteht.

    Capellan: Von einer Amnestie ist auch gestern gar nicht mehr so deutlich die Rede gewesen, oder haben Sie das anders gehört?

    Ondracek: Das ist auch dann gut so, denn Amnestie heißt ja immer Straferlass im normalen Wortsinne. Den permanenten Straferlass gibt es bei Steuerdelikten. Es kann sich jeder jeden Tag beim Finanzamt melden und sagen, ich habe in der Vergangenheit falsche Steuererklärungen abgegeben, ich möchte diese berichtigen. Dann muss er die Steuern nachzahlen, aber er geht straffrei aus.

    Capellan: Aber das reicht ja offenbar nicht aus. Anscheinend muss man größere Anreize für Steuersünder schaffen oder?

    Ondracek: Alle anderen größeren Anreize haben natürlich das Gerechtigkeitsproblem. All jene, die gesetzestreu waren, die treu und brav und richtig ihre Steuererklärungen ausgefüllt haben, müssen sich als die letzten Dummen vorkommen, wenn nun denen, die den Staat betrogen haben, irgendwie goldene Brücken gebaut werden in der Gestalt, dass sie weniger Steuern zahlen müssen, dass ihnen Steuern teilweise geschenkt werden oder vollkommen geschenkt werden, wenn sie denn in diesen Job-Floater investieren.

    Capellan: Auf der anderen Seite, Herr Ondracek, muss man doch sagen, der Aufbau Ost muss ohnehin von Steuergeldern bezahlt werden. Ist es da nicht legitim, wenn man versucht, neue Ausgaben zu minimieren und sich etwas von Steuersündern für diesen Topf zurückzuholen?

    Ondracek: Solche Überlegungen sind natürlich legitim. Wie bekommt man das Schwarzgeld wieder in den eigenen Kreislauf, wie bekommt man die Steuern. Aber damit sind die anderen Wege angezeigt.

    Capellan: Welche?

    Ondracek: Einmal müsste der Fahndungsdruck verstärkt werden und dann könnte man so als einzig denkbares Lockmittel vielleicht befristet auf die Hinterziehungszinsen verzichten. Wie gesagt bei einer Selbstanzeige ist die Straffreiheit ohnehin gegeben. Es muss die Steuer nachbezahlt werden und pro Jahr sechs Prozent Hinterziehungszinsen. Über diese Hinterziehungszinsen könnte man im Zusammenhang mit dem Job-Floater allenfalls reden, obwohl auch hier schon die Grenze der Gerechtigkeit sehr genau zu prüfen ist, denn der, der sein Schwarzgeld gehortet hat, konnte mit dem Geld arbeiten, konnte damit neues Geld verdienen, das er wiederum nicht versteuert hat, und der andere, der ehrlich versteuert hat, der hat dieses Geld gar nicht mehr zur Verfügung.

    Capellan: Über welche Summen reden wir da ungefähr? Was könnte sich der Staat zurückholen?

    Ondracek: Es sind in etwa 300 Milliarden € von Deutschen im Ausland angelegt, und die Zinsen sind entsprechend nicht erklärt. Zum Großteil handelt es sich bei diesen 300 Milliarden auch um echtes Schwarzgeld. Das heißt also auch der Ursprung des Geldes war gar nicht besteuert, so dass hier gewaltige Summen natürlich zur Disposition stehen. Aber man muss eines sehen: Wenn es nicht gelingt, international den Druck zu verschärfen, dass europaweit Kontrollmitteilungsverfahren organisiert werden, dann wird alleine jetzt der Job-Floater niemanden dazu bewegen, nun sein Geld plötzlich zu versteuern. Wer daran gewohnt war, gefahrlos null Steuern zu zahlen, wird auch morgen nicht Sondertarife von 20 oder 25 Prozent akzeptieren. Das würde er nur akzeptieren, wenn der Fahndungsdruck verstärkt wird. Wenn ihm die Geschichte zu heiß wird, dann bewegt er sich in Richtung Ehrlichkeit.

    Capellan: Dieter Ondracek war das heute Morgen hier im Deutschlandfunk, Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. - Ich danke Ihnen und auf Wiederhören!

    Link: Interview als RealAudio