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Steuerföderalismus in der Schweiz

Für alle, die von ihrem Geld möglichst wenig an den Staat abgeben wollen, ist die Schweiz bekanntermaßen ein beliebter Standort. Dass die Steuern in der Schweiz so niedrig sind, liegt unter anderem am ausgeprägten Föderalismus. Jeder der 26 Kantone kann einen Großteil der Steuersätze selbst festlegen und sich auf diese Weise Standortvorteile verschaffen. Das allerdings stößt nicht nur auf Begeisterung.

    Sarnen ist ein beschauliches Fleckchen im Herzen der Schweiz. Im größten Ort des kleinen Kantons Obwalden reihen sich verzierte Fachwerkhäuser mit kleinen Geschäften aneinander, die wichtigste Dorfstraße führt geradewegs in eine malerische Bergwelt mit schneebedeckten Gipfeln - kurzum: ein Idyll. Das allerdings nicht nur für Naturliebhaber, sondern auch für die Wirtschaft: In den sieben Gemeinden des Kantons zahlen Unternehmen auf ihre Gewinne so wenig Steuern wie sonst nirgends in der Schweiz. Hans Wallimann, der Finanzvorsteher des Kantons, erklärt, wie es 2005 dazu kam:

    "Wir hatten eine Analyse gemacht, wo der Kanton Obwalden steht, nachdem wir einige Zeit als die Steuerhölle der Schweiz verschrien waren . Nach einer Stärken-Schwächen-Analyse sind wir uns dann einig geworden, dass wir in der Besteuerung etwas machen müssen."

    Beim Blick auf die Bilanz des ersten Jahres spricht Zufriedenheit aus Wallimanns Gesicht: Die nur 6,6 Prozent hohe Steuer auf Unternehmensgewinne hat ihre Lockwirkung voll entfaltet: Fast 350 in- und ausländische Unternehmen haben sich 2006 in Obwalden neu angesiedelt - gut fünf Mal mehr als im Jahr zuvor.

    "Selbstverständlich sind das jetzt im ersten Jahr Briefkastenfirmen, es zeigt sich aber jetzt bereits schon, dass, wenn wir bei diesen Steuern bleiben, wir auch Arbeitsplätze generieren können. "

    Vor allem strukturschwache, ländliche Regionen locken Unternehmen und vermögende Privatleute mit niedrigen Steuersätzen. In Obwalden, das früher mit Abwanderung und Arbeitslosigkeit zu kämpfen hatte, begrüßen die meisten Bewohner die Steuersenkung, auch wenn sie selbst davon kaum etwas merken:

    "Was man so bemerkt hat, ist, dass in unserem Amtsblatt viele neue Firmen eingetragen sind. Sonst hab ich noch nicht soviel gemerkt.

    "Nein, ich könnte nichts sagen. "

    "Bis jetzt noch nüt. Es wird schon besser, aber es wird sicher zwei, drei Jahre dauern."

    Wirklich kritisch äußert sich nur ein Passant auf dem Sarner Dorfplatz. Er sei nicht begeistert von der Idee, sagt dieser Mann. Schließlich sollten doch die die Steuern bezahlen, die viel verdienen - und nicht immer nur die kleinen Leute.

    Kritik am schweizerischen Steuersystem kommt zurzeit auch aus Brüssel. Zwar ist die Schweiz kein Mitglied, aber durch zahlreiche bilaterale Abkommen mit der EU verbunden. In den kantonalen Steuerprivilegien für die Unternehmen sieht die Kommission unzulässige Subventionen. Für Ärger sorgt in Brüssel auch noch ein anderes Schweizer Steuergesetz - die Sonderbehandlung für reiche Ausländer. Die werden von den meisten Schweizer Kantonen pauschal besteuert und zahlen oft nur einen Bruchteil dessen, was ihre Heimatländer verlangt hätten. Dass das oftmals auch viel weniger ist, als reiche Schweizer bezahlen müssen, bringt auch den einen oder anderen Passanten in Sarnen ins Grübeln.

    "Es ist natürlich den reichen Schweizern gegenüber nicht gerecht, die dann ein Vielfaches von dem zahlen, was die anderen bezahlen müssen."

    " Da würde ich etwas anderes machen, da würde ich nicht so tief gehen.""

    Kritik von außen wird dennoch nicht gern gehört. Immerhin sei auch das Steuersystem ein Ergebnis der direkten Schweizer Demokratie, meint Willi Meier von der Greater Zurich Area. Er begleitet ausländische Firmen bei der Standortsuche in der Region Zürich.

    "Das ist ein System, das über Jahre so funktioniert hat. Dieser Steuerwettbewerb hat auch dazu geführt, ob dieser demokratischen Kontrolle, dass die Steuersätze sich nicht ins Unermessliche entwickelten. Und ich glaube, dass wird auch in Zukunft ein Steuervorteil für die Schweiz bleiben.

    Nach Meiers Erfahrungen spielen für Unternehmen auch andere Faktoren bei der Standortwahl eine wichtige Rolle - die Schweiz könne mit Stabilität, einem flexiblen Arbeitsmarkt und gut ausgebildeten Bewerbern punkten. Die wiederum könnten umso wichtiger werden, wenn es der Schweizer Wirtschaft irgendwann vielleicht einmal nicht mehr so gut geht wie zurzeit. Die spannende Frage dürfte dann sein, ob sich Kantone wie Obwalden dann immer noch Rekordsätze leisten können.