Das ist der Kern des Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit, das morgen endgültig in Kraft tritt. Denn bisher galt nur der erste Teil des Gesetzes, eine großzügige Amnestie für Steuersünder. Dieses Angebot läuft heute aus, gleichzeitig greifen ab morgen die erweiterten Möglichkeiten zur Kontenkontrolle. Für die Kritiker des Gesetzes ein schwarzer Tag, denn faktisch werde damit das deutsche Bankgeheimnis endgültig zu Grabe getragen.
Doch das Bundesfinanzministerium argumentiert mit der Steuergerechtigkeit und verweist dabei auch auf das Bundesverfassungsgericht. Denn vor gut drei Jahren hatten die Karlsruher Richter geurteilt, dass der Staat letztlich zu wenig über die Konten seiner Bürger informiert sei, um gerecht Steuern erheben zu können. Dies aber müsse geändert werden, mahnte das Bundesverfassungsgericht. Insofern kann auch Finanzstaatssekretärin Barbara Hendricks die aktuelle Aufregung über das neue Gesetz nicht nachvollziehen:
"Es gibt mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts, die uns eindeutig aufgegeben haben dafür zu sorgen, dass die Finanzverwaltung handhabbare Möglichkeiten hat, die Gesetze auch wirklich anzuwenden. Also handhabbar mit möglichem zumutbaren Aufwand auch. Und das Bundesverfassungsgericht hat deswegen das Verifikationsprinzip, also die Möglichkeit der Nachprüfung mit Verfassungsrang ausgestattet."
Ähnlich argumentieren auch die Fachabgeordneten der rot-grünen Koalition: der Steuerehrliche dürfe nicht länger der Dumme sein, erklärt etwa die Finanzexpertin der Grünen, Christine Scheel:
"So nach dem Motto: wer die Steuern hinterzieht, der kommt fein raus. Und wer die Steuern bezahlt, der hat zwar irgendwie seinen Beitrag Zum Allgemeinwohl geleistet, fühlt sich aber letztlich als der Depp. Also, das kann es nicht sein. Deswegen muss auch bei Kapitaleinkünften die Möglichkeit gegeben werden, dass auch die Finanzbehörden wissen: stimmen die Angaben oder stimmen sie nicht."
Deshalb wird den Finanzämtern ab dem 1. April ein erleichterter Zugriff auf die bestehenden 500 Millionen Konten eingeräumt. Konnte bislang nur im Zuge eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens auf die Bankverbindungen zurückgegriffen werden, kann die Kontrolle der so genannten Stammdaten künftig auch ohne konkreten Verdacht erfolgen.
Diese Datensätze umfassen die Nummern der Konten und Wertpapierdepots bei inländischen Kreditinstituten, den Namen, das Geburtsdatum und die Anschrift des Inhabers oder Bevollmächtigten sowie das Kontoeröffnungs- und Schließungsdatum, rückwirkend auf drei Jahre begrenzt. In der Praxis aber, so Staatssekretärin Hendricks, werde der Steuerpflichtige über jeden einzelnen Schritt informiert:
"Zunächst wird der Bürger gefragt: sind ihre Angaben auch vollständig, haben sie mir über ihre Zinseinkünfte ihre Angaben gemacht und wenn der Finanzbeamte einen Anhaltspunkt dafür hat, dass möglicherweise die Angaben nicht vollständig sind. Dann wird er dem Bürger sagen: sind das wirklich alle Angaben – wollen sie nicht noch etwas ergänzen. Sie wissen, ich habe die Möglichkeit herauszufinden, ob sie über mehrere Konten verfügen, deren Erträge sie möglicherweise mir nicht mitgeteilt haben."
Erst wenn bestehende Zweifel nicht ausgeräumt werden können, erfolgt die Kontrolle der Kontenstammdaten, die die rund 2400 Banken und Sparkassen in Deutschland seit 2003 im Zuge der Terroristenfahndung ohnehin zur Verfügung stellen müssen. Bislang hat auf diese so genannten Kontenevidenzzentralen allerdings nur die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Zugriff, künftig sollen aber auch die Finanzämter über das Bundesamt für Finanzen den Datenstrom anzapfen können. Und damit dem Fiskus auch keinerlei Einnahmen verborgen bleiben, müssen auch Versicherungsunternehmen, Rentenversicherungsträger und Pensionskassen die gewünschten Informationen zur Verfügung stellen.
"Wenn dann der Bürger aber hartnäckig sagt, dass ist ein Konto – das hat meine Großmutter vor 30 Jahren eingerichtet. Da sind damals fünf Mark eingezahlt worden und dann ist da nie etwas passiert. Der Finanzbeamte ist aber der Auffassung, dass kann eigentlich keine zutreffende Auskunft sein. Dann kann er in der Tat in einem weiteren Schritt auch tatsächlich eruieren: was ist denn auf dem Konto drauf? Jetzt aber muss er direkt die Bank fragen. Aber er kann auch jetzt erst direkt die Bank fragen, weil er jetzt erst weiß, bei welcher Bank sich das Konto befindet."
Doch damit nicht genug: auch Behörden wie etwa Arbeits-, Sozial-, Bafög oder Wohngeldämter dürfen künftig die Angaben der Leistungsempfänger kontrollieren. Nur beim Arbeitslosengeld II bleibt das Bankgeheimnis weiterhin gewahrt. An dieser Stelle aber gebe es noch viele Unklarheiten, kritisiert der Finanzexperte der Union, Michael Meister:
"Aus unserer Sicht ist zunächst einmal nicht geklärt, welche Behörden im Zweifelsfall eigenständigen Zugriff haben sollen. Hier sieht die Union dringenden Handlungsbedarf, dass es zu einer Klarstellung kommt- welche Behörden Zugriff auf diese Konten, Stammdaten haben sollen. Zum zweiten sehen wir, dass eine Autorisierung stattfinden muss innerhalb der Behörden, die dann möglicherweise einen Zugriff haben – wer dort zugreifen darf und unter welchen Konditionen. Auch hier halten wir eine Klarstellung für dringend geboten."
Doch die rot-grüne Koalition weist diese Kritik zurück. Eine willkürliche Abfrage der Kontenstammdaten auch durch die Leistungsbehörden sei durch das bestehende Verfahren praktisch ausgeschlossen, betonte die Finanzexpertin der Grünen Scheel. Denn die Behörden seien nicht in der Lage, sich die notwendigen Informationen im Alleingang zu beschaffen:
"Die müssen auch über das Finanzamt gehen. Und auch nicht über jedes Finanzamt, sondern es werden die Länder in ihrer Hoheit zu entscheiden haben, ob es einen oder zwei Finanzämter pro Land gibt, die dann als Ansprechpartner für die Sozialbehörden dienen."
Doch die Kritiker geben nicht nach: zu ungenau sei das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit, heißt es etwa auch beim Bundesverband deutscher Banken, dem Zusammenschluss der privaten Kreditinstitute. Schon der Ansatz, so Hauptgeschäftsführer Manfred Weber, sei falsch:
"Wir haben ein sehr aufwendiges Verfahren. Zunächst einmal steht jeder Bürger unter Generalverdacht. "
Doch der Unmut der Banken hat auch finanzielle Ursachen. Denn sie müssen die Stammdaten zur Verfügung stellen, Kostenpunkt bislang 150 Millionen Euro. Insofern lautet die Argumentation: die bestehende Gesetzeslage reiche vollkommen aus, wonach bei einem konkreten Verdacht die entsprechenden Informationen problemlos abgerufen werden können. Manfred Weber:
"Mit anderen Worten: hier wird viel mit vorgeschobenen Argumenten gearbeitet. Und ich bleibe bei meiner Auffassung – das ist nicht nur die Erfahrung in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern, dort allerdings oft mit umgekehrten Vorzeichen – mit Kontrollen werden wir einem solchen System nicht Herr."
Freilich, die harsche Kritik kommt reichlich spät. Vor einem Gang vor das Bundesverfassungsgericht sind die großen Kreditinstitute zurückgeschreckt. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, man wolle es sich nicht mit der Politik verderben. Zudem seien bei einem Konfliktkurs weitaus strengere Gesetze zu befürchten.
So war es dem Chef einer kleinen Volksbank im Münsterland vorbehalten, gegen das Gesetz Beschwerde in Karlsruhe einzulegen. Zusammen mit einem Sozialhilfeempfänger und einer Wohngeldbezieherin beantragte Hermann Burbaum einen Eilbeschluss gegen das Vorhaben von Finanzminister Hans Eichel, unterstützt durch den bekannten Strafrechtsprofessor Gunter Widmaier. Der Einspruch sei keine Hilfe für Steuerhinterzieher, betonte der streitbare Jurist bei der Einreichung des Antrages vor einigen Monaten:
"Es ist eine Hilfe für die Staatsbürger die in einem freiheitlichen Staat leben wollen und die einen Anspruch darauf haben und nicht fürchten müssen, dass sie heimlich überwacht werden in allen möglichen Dingen, die für ihr tägliches Leben von Bedeutung sind. Die Heimlichkeit ist für mich das Wichtigste und die Voraussetzungslosigkeit und Kontrolllosigkeit. Jedweder Mitarbeiter kann das unkontrolliert anordnen und in einem Staat, der so mit seinen Bürgern umgeht, zu leben, ist kein gutes Gefühl."
Auch die Datenschützer äußerten erhebliche Bedenken – denn schließlich muss der Staat auch das private Verhältnis zwischen Bank und Kunden sowie die Daten der Bürger schützen. Peter Schaar, der Bundesdatenschutzbeauftragte der Bundesregierung:
"Die Steuerehrlichkeit ist sicherlich ein hohes Gut und auch die Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist ein wichtiger Rechtsgrundsatz, der auch Verfassungsrang hat. Insofern gibt es hier einen Grundrechte-Konflikt ein Stück: zwischen diesem Ziel der gleichmäßigen Besteuerung und gerechten Besteuerung einerseits und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung andererseits. Und da muss man zu einem Ausgleich kommen und da kommt es dann schon auf die Einzelheiten des entsprechenden Gesetzes an."
Und die wiesen in der Praxis erhebliche Schachstellen auf. Denn nach der geltenden Fassung des Gesetzes sollen die Bürger über die Kontenabfrage nicht informiert werden – die Vorgehensweise der Finanzämter hätte also stillschweigend hingenommen werden müssen. Die Verfassungswidrigkeit stehe dem Verfahren auf die Stirn geschrieben, urteilte daher auch der niedersächsische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert.
Dem Bundesfinanzminister drohte also eine peinliche Blamage in Karlsruhe, schnell wurde daraufhin nachgebessert. In einem so genannten Anwendungserlass vom 10. März dieses Jahres, also einer Art Gebrauchsanweisung für die Finanzämter im Umgang mit dem Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit, wurden die Behörden zu einem restriktiven Umgang mit den neuen Instrumenten ermahnt. Willkürliche Abfragen der Kontendaten sollen damit ausgeschlossen werden. Finanzstaatssekretärin Hendricks:
"Eigentlich ist die Kontenabfragemöglichkeit nur dazu da festzustellen, wenn ich denn einen begründeten Anhaltspunkt habe, welche Bank kann ich denn überhaupt fragen. Und nicht ins Blaue hinein über 2000 Banken anschreibe – das ist eigentlich alles."
Zudem dürfen die Ämter ihre Anfragen nicht einfach per Knopfdruck starten – zunächst muss die Anfrage in einem Antrag begründet und dann von einem Vorgesetzten abgesegnet werden. Im Klartext: der Vorgang muss dokumentiert werden. Noch wichtiger aber: die Bürger werden in jedem Fall bei einer Abfrage informiert und haben somit die Möglichkeit, sich nachträglich gegen die Vorgehensweise der Finanzbehörden juristisch zur Wehr zu setzen, betont die Finanzexpertin der Grünen Christine Scheel.
"Konkret bedeutet dies ja, dass die Steuerpflichtigen zwei Mal informiert werden. Sie werden das erste Mal informiert darüber, dass der Finanzbeamte die Daten abfragen kann. Das bekommen sie schriftlich zur Verfügung gestellt. Und wenn er das tut, wird auch in der Steuererklärung ein Vermerk erscheinen, der da sinngemäß heißt: Kontenabfrage ist erfolgt."
Es waren letztlich diese Nachbesserungen auf dem Verwaltungswege, die das Gesetz zur Steuerehrlichkeit gerettet haben. Vor gut einer Woche wiesen die acht Richter des ersten Senats die Eilanträge zurück. Auffällig ist: der ablehnende Beschluss wird auf 29 Seiten ausführlich begründet. Und fast auf jeder Seite nehmen die Verfassungshüter Bezug auf den Anwendungserlass, der die Handhabung des Gesetzes detailliert vorgibt. Dennoch sieht sich das Finanzministerium auf ganzer Linie bestätigt, Sprecher Stefan Giffeler:
"Das ist noch einmal eine Bestätigung dafür, wie richtig es ist, gerade diese Kontennachfrage durchzuführen. Es bestätigt auch, dass alle datenschutzrechtlichen Bedenken, die es aktuell noch gibt, letztlich keine Bedenken sind, die man noch aufgreifen müsste. "
Nach Einschätzung vieler Beobachter liegt das Finanzministerium mit dieser Einschätzung falsch. Denn der Erlass dürfte lediglich für eine Übergangszeit ausreichend Rechtsschutz bieten. Über zwei anstehende Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz wird jedoch erst noch entschieden - vermutlich im Frühjahr 2006. Bis dahin, so die Empfehlung des Datenschutzbeauftragten der Bundesregierung, sollte man seine Steuerbescheide sorgfältig überprüfen:
"Das heißt, dass man schaut: ist denn da tatsächlich eine Kontendatenabfrage – es geht hier ja nur um die Stammdaten – erfolgt. Und dann wäre es sicherlich angemessen, die Behörde, die einen solchen Abruf durchgeführt hat, zu fragen, warum das geschehen ist. Und wenn man da Zweifel hat, dann kann man das entsprechend gerichtlich auch überprüfen lassen."
Nach Ansicht des Finanzexperten der FDP, Andreas Pinkwart bleibt bis zur eigentlichen Urteilsverkündung zugleich noch ausreichend Zeit, um das mit heißer Nadel gestrickte Gesetz zu überarbeiten.
"Hier müssen klare, nicht nur Verordnungsregeln hin sondern gesetzliche Regeln hin, die den Datenschutz sicherstellen. Und wir brauchen insgesamt, wie wir meinen, durch klare gesetzliche Regelungen, wie wir einerseits Steuern erheben und auf der anderen Seite Transfers zur Verfügung stellen, eine Abrüstung in Fragen des Datenmissbrauchs und der Kontrolle des Bürgers."
Auch der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung fordert eine Präzisierung des Gesetzes. Denn, so sein Argument: ein Verwaltungserlass könne jederzeit – ohne Beteiligung des Gesetzgebers - zurückgenommen werden. Weitere Änderungen, so Schaar seien unverzichtbar:
"Dabei wird es dann genau darum gehen, ob das Gesetz selbst den Kreis der abrufberechtigten Behörden genau genug definiert. Da habe ich nach wie vor ganz schwerwiegende Zweifel, denn der einzige Anknüpfungspunkt ist ja die Verwendung von Begriffen des Einkommenssteuergesetzes und das ist ein relativ langes Gesetz mit einer Vielzahl von Begriffen."
Noch aber, wie gesagt, mauert das Finanzministerium und auch die Kritik der Opposition wird nicht so recht ernst genommen. Schließlich, so heißt es, sei das Gesetz im Vermittlungsverfahren Ende 2003 ausdrücklich durch den unionsdominierten Bundesrat mitgetragen worden. Die Verantwortung für die schlampige Ausarbeitung aber, so der finanzpolitische Sprecher der Union, Meister liege eindeutig beim Gesetzgeber:
"Es ist handwerklich dergestalt schlecht gemacht, dass es in die Frage eines Rechtsstaates eingreift. Weil man jetzt versucht, die Dinge, die nicht ordnungsgemäß im Gesetz behandelt sind und die wir übrigens im Vermittlungsverfahren thematisiert hatten, seitens der Union, dass man diese Dinge jetzt versucht, im Rahmen von Verwaltungsanweisungen zu korrigieren. Da sehe ich den Rechtsstaatsgedanken in Frage gestellt."
Doch das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit steht nicht für sich allein. Denn mit den neuen Möglichkeiten zur Kontenabfrage am morgigen Freitag endet zugleich eine großzügige Amnestie für Steuersünder – anfangs waren lediglich 25 Prozent auf hinterzogene Steuern fällig, zuletzt 35 Prozent.
Um den Anreiz für eine Kapitalrückkehr zu erhöhen, wurde die Brücke zur Steuerehrlichkeit mit einer Verschärfung der bestehenden Regeln zur Kontenkontrolle verknüpft. Im Prinzip ein konsequenter Schritt, doch das bisherige Angebot weist mehrere Schwachstelle auf: zum einen ist nach Ansicht vieler Experten das Amnestieangebot nicht großzügig genug ausgefallen. Vielen Schwarzgeldsündern dürften die Steuersätze von 25 bzw. 35 Prozent noch immer zu hoch gewesen sein.
Ein weiteres Handicap: entgegen der ursprünglichen Absicht konnte sich die Bundesregierung nicht zu einem schlüssigen Gesamtkonzept zur Besteuerung von Kapitalanlagen durchringen. Die anfangs geplante Einführung einer Abgeltungssteuer auf Zinserträge – gedacht war an 25 Prozent – wurde nach erheblichen Widerständen der Parteilinken in der SPD fallengelassen. Mit fatalen Folgen, so der Geschäftsführer des Bankenverbandes, Weber:
"Diese so genannte Amnestieregelung für sich betrachtet war meiner Meinung nach eine gute Regelung. Als sie eingeführt wurde, war allen Beteiligten - Regierung wie Opposition – klar, dass diese Regelung alleine nicht ausreicht. Und es liegt ja auf der Hand: ein jeder, der mit nicht versteuertem Geld aus dem Ausland zurückkommt, möchte natürlich wissen, wie er morgen und übermorgen besteuert wird. Da war es alles andere als hilfreich, dass man den zweiten Teil dieses Maßnahmenpaketes, nämlich die Einführung einer Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge, nicht umgesetzt hat."
Insofern fällt der Erfolg bescheiden aus: die Mehreinnahmen belaufen sich auf rund 1,2 Milliarden Euro, ursprünglich hatte Finanzminister Eichel auf 5 Milliarden gehofft. Durch einen großen Wurf bei der Steueramnestie aber hätte man sich die erweiterten Möglichkeiten zur Kontenabfrage sparen können, meint der Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht, Herman Burbaum:
"Die Steueramnestie war richtig. Das war Zuckerbrot und was danach kommt, war Peitsche. Man hätte eine andere Lösung zum 1.4. finden sollen, müssen. Das ist eben nicht die Kontrolle, sondern die Abgeltungssteuer. Völlig anonymisiert, abgeführt durch die Kreditinstitute an der Quelle. Das wäre die richtige Kombination gewesen von Steueramnestie und Situation zum 1.4."
Auch die Einführung von Kontrollmitteilungen durch die Banken über die Zinseinnahmen ihrer Kunden, in vielen europäischen Ländern längst üblich, hätte ebenfalls zu einem effizienteren System geführt. Dieser Ansatz scheiterte jedoch am Widerstand der Union. So aber bleiben mit dem Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit viele Fragen offen.
Auch der Datenschutzbeauftrage Schaar warnt vor einer bedenklichen Entwicklung. Gerade die technischen Möglichkeiten weckten zunehmend Begehrlichkeiten – zum Nachteil des Einzelnen.
"Es ist wirklich so, dass bestimmte technische Möglichkeiten bestehen. Dann wird eine erste Befugnis eingeräumt wie jetzt in diesem Falle im Bezug auf die Terroristenbekämpfung und die Aufdeckung der illegalen Geldwäsche. Und dann wird, wenn das System erst einmal installiert ist, darüber nachgedacht, ob man nicht für andere, mehr oder weniger sinnvolle Zwecke diese Technik auch weiterhin nutzt. Dann ist die Schwelle nicht mehr so hoch."
Im konkreten Fall der Kontenabfrage haben die Finanzämter zunächst mit technischen Problemen zu kämpfen. Bislang ist der vollautomatische Zugriff über das Bundesamt für Finanzen noch nicht möglich, die Datenabfrage muss also noch per Hand erfolgen. Erst 2006 soll die Vernetzung der Behördensysteme abgeschlossen sein. Knapp 40.000 Abfragen gab es nach Angaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht insgesamt im letzten Jahr, künftig aber könnten es bis zu 50 000 pro Tag sein. Willkür ist da nicht auszuschließen, insofern stößt das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit weiter auf Unbehagen – auch beim Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes Weber:
"Ich glaube, es ist wichtig, dass klargestellt ist, dass sich hier niemand schützend vor Terroristen, sonstige Kriminelle, Steuerhinterzieher, Sozialbetrüger stellt. Die Frage ist nur, ob wir ein geeignetes Verfahren gefunden haben bisher, dass auch den rechtsstaatlichen Ansprüchen hinreichend Rechnung trägt. Und da habe ich meine Zweifel."
Doch das Bundesfinanzministerium argumentiert mit der Steuergerechtigkeit und verweist dabei auch auf das Bundesverfassungsgericht. Denn vor gut drei Jahren hatten die Karlsruher Richter geurteilt, dass der Staat letztlich zu wenig über die Konten seiner Bürger informiert sei, um gerecht Steuern erheben zu können. Dies aber müsse geändert werden, mahnte das Bundesverfassungsgericht. Insofern kann auch Finanzstaatssekretärin Barbara Hendricks die aktuelle Aufregung über das neue Gesetz nicht nachvollziehen:
"Es gibt mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts, die uns eindeutig aufgegeben haben dafür zu sorgen, dass die Finanzverwaltung handhabbare Möglichkeiten hat, die Gesetze auch wirklich anzuwenden. Also handhabbar mit möglichem zumutbaren Aufwand auch. Und das Bundesverfassungsgericht hat deswegen das Verifikationsprinzip, also die Möglichkeit der Nachprüfung mit Verfassungsrang ausgestattet."
Ähnlich argumentieren auch die Fachabgeordneten der rot-grünen Koalition: der Steuerehrliche dürfe nicht länger der Dumme sein, erklärt etwa die Finanzexpertin der Grünen, Christine Scheel:
"So nach dem Motto: wer die Steuern hinterzieht, der kommt fein raus. Und wer die Steuern bezahlt, der hat zwar irgendwie seinen Beitrag Zum Allgemeinwohl geleistet, fühlt sich aber letztlich als der Depp. Also, das kann es nicht sein. Deswegen muss auch bei Kapitaleinkünften die Möglichkeit gegeben werden, dass auch die Finanzbehörden wissen: stimmen die Angaben oder stimmen sie nicht."
Deshalb wird den Finanzämtern ab dem 1. April ein erleichterter Zugriff auf die bestehenden 500 Millionen Konten eingeräumt. Konnte bislang nur im Zuge eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens auf die Bankverbindungen zurückgegriffen werden, kann die Kontrolle der so genannten Stammdaten künftig auch ohne konkreten Verdacht erfolgen.
Diese Datensätze umfassen die Nummern der Konten und Wertpapierdepots bei inländischen Kreditinstituten, den Namen, das Geburtsdatum und die Anschrift des Inhabers oder Bevollmächtigten sowie das Kontoeröffnungs- und Schließungsdatum, rückwirkend auf drei Jahre begrenzt. In der Praxis aber, so Staatssekretärin Hendricks, werde der Steuerpflichtige über jeden einzelnen Schritt informiert:
"Zunächst wird der Bürger gefragt: sind ihre Angaben auch vollständig, haben sie mir über ihre Zinseinkünfte ihre Angaben gemacht und wenn der Finanzbeamte einen Anhaltspunkt dafür hat, dass möglicherweise die Angaben nicht vollständig sind. Dann wird er dem Bürger sagen: sind das wirklich alle Angaben – wollen sie nicht noch etwas ergänzen. Sie wissen, ich habe die Möglichkeit herauszufinden, ob sie über mehrere Konten verfügen, deren Erträge sie möglicherweise mir nicht mitgeteilt haben."
Erst wenn bestehende Zweifel nicht ausgeräumt werden können, erfolgt die Kontrolle der Kontenstammdaten, die die rund 2400 Banken und Sparkassen in Deutschland seit 2003 im Zuge der Terroristenfahndung ohnehin zur Verfügung stellen müssen. Bislang hat auf diese so genannten Kontenevidenzzentralen allerdings nur die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Zugriff, künftig sollen aber auch die Finanzämter über das Bundesamt für Finanzen den Datenstrom anzapfen können. Und damit dem Fiskus auch keinerlei Einnahmen verborgen bleiben, müssen auch Versicherungsunternehmen, Rentenversicherungsträger und Pensionskassen die gewünschten Informationen zur Verfügung stellen.
"Wenn dann der Bürger aber hartnäckig sagt, dass ist ein Konto – das hat meine Großmutter vor 30 Jahren eingerichtet. Da sind damals fünf Mark eingezahlt worden und dann ist da nie etwas passiert. Der Finanzbeamte ist aber der Auffassung, dass kann eigentlich keine zutreffende Auskunft sein. Dann kann er in der Tat in einem weiteren Schritt auch tatsächlich eruieren: was ist denn auf dem Konto drauf? Jetzt aber muss er direkt die Bank fragen. Aber er kann auch jetzt erst direkt die Bank fragen, weil er jetzt erst weiß, bei welcher Bank sich das Konto befindet."
Doch damit nicht genug: auch Behörden wie etwa Arbeits-, Sozial-, Bafög oder Wohngeldämter dürfen künftig die Angaben der Leistungsempfänger kontrollieren. Nur beim Arbeitslosengeld II bleibt das Bankgeheimnis weiterhin gewahrt. An dieser Stelle aber gebe es noch viele Unklarheiten, kritisiert der Finanzexperte der Union, Michael Meister:
"Aus unserer Sicht ist zunächst einmal nicht geklärt, welche Behörden im Zweifelsfall eigenständigen Zugriff haben sollen. Hier sieht die Union dringenden Handlungsbedarf, dass es zu einer Klarstellung kommt- welche Behörden Zugriff auf diese Konten, Stammdaten haben sollen. Zum zweiten sehen wir, dass eine Autorisierung stattfinden muss innerhalb der Behörden, die dann möglicherweise einen Zugriff haben – wer dort zugreifen darf und unter welchen Konditionen. Auch hier halten wir eine Klarstellung für dringend geboten."
Doch die rot-grüne Koalition weist diese Kritik zurück. Eine willkürliche Abfrage der Kontenstammdaten auch durch die Leistungsbehörden sei durch das bestehende Verfahren praktisch ausgeschlossen, betonte die Finanzexpertin der Grünen Scheel. Denn die Behörden seien nicht in der Lage, sich die notwendigen Informationen im Alleingang zu beschaffen:
"Die müssen auch über das Finanzamt gehen. Und auch nicht über jedes Finanzamt, sondern es werden die Länder in ihrer Hoheit zu entscheiden haben, ob es einen oder zwei Finanzämter pro Land gibt, die dann als Ansprechpartner für die Sozialbehörden dienen."
Doch die Kritiker geben nicht nach: zu ungenau sei das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit, heißt es etwa auch beim Bundesverband deutscher Banken, dem Zusammenschluss der privaten Kreditinstitute. Schon der Ansatz, so Hauptgeschäftsführer Manfred Weber, sei falsch:
"Wir haben ein sehr aufwendiges Verfahren. Zunächst einmal steht jeder Bürger unter Generalverdacht. "
Doch der Unmut der Banken hat auch finanzielle Ursachen. Denn sie müssen die Stammdaten zur Verfügung stellen, Kostenpunkt bislang 150 Millionen Euro. Insofern lautet die Argumentation: die bestehende Gesetzeslage reiche vollkommen aus, wonach bei einem konkreten Verdacht die entsprechenden Informationen problemlos abgerufen werden können. Manfred Weber:
"Mit anderen Worten: hier wird viel mit vorgeschobenen Argumenten gearbeitet. Und ich bleibe bei meiner Auffassung – das ist nicht nur die Erfahrung in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern, dort allerdings oft mit umgekehrten Vorzeichen – mit Kontrollen werden wir einem solchen System nicht Herr."
Freilich, die harsche Kritik kommt reichlich spät. Vor einem Gang vor das Bundesverfassungsgericht sind die großen Kreditinstitute zurückgeschreckt. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, man wolle es sich nicht mit der Politik verderben. Zudem seien bei einem Konfliktkurs weitaus strengere Gesetze zu befürchten.
So war es dem Chef einer kleinen Volksbank im Münsterland vorbehalten, gegen das Gesetz Beschwerde in Karlsruhe einzulegen. Zusammen mit einem Sozialhilfeempfänger und einer Wohngeldbezieherin beantragte Hermann Burbaum einen Eilbeschluss gegen das Vorhaben von Finanzminister Hans Eichel, unterstützt durch den bekannten Strafrechtsprofessor Gunter Widmaier. Der Einspruch sei keine Hilfe für Steuerhinterzieher, betonte der streitbare Jurist bei der Einreichung des Antrages vor einigen Monaten:
"Es ist eine Hilfe für die Staatsbürger die in einem freiheitlichen Staat leben wollen und die einen Anspruch darauf haben und nicht fürchten müssen, dass sie heimlich überwacht werden in allen möglichen Dingen, die für ihr tägliches Leben von Bedeutung sind. Die Heimlichkeit ist für mich das Wichtigste und die Voraussetzungslosigkeit und Kontrolllosigkeit. Jedweder Mitarbeiter kann das unkontrolliert anordnen und in einem Staat, der so mit seinen Bürgern umgeht, zu leben, ist kein gutes Gefühl."
Auch die Datenschützer äußerten erhebliche Bedenken – denn schließlich muss der Staat auch das private Verhältnis zwischen Bank und Kunden sowie die Daten der Bürger schützen. Peter Schaar, der Bundesdatenschutzbeauftragte der Bundesregierung:
"Die Steuerehrlichkeit ist sicherlich ein hohes Gut und auch die Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist ein wichtiger Rechtsgrundsatz, der auch Verfassungsrang hat. Insofern gibt es hier einen Grundrechte-Konflikt ein Stück: zwischen diesem Ziel der gleichmäßigen Besteuerung und gerechten Besteuerung einerseits und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung andererseits. Und da muss man zu einem Ausgleich kommen und da kommt es dann schon auf die Einzelheiten des entsprechenden Gesetzes an."
Und die wiesen in der Praxis erhebliche Schachstellen auf. Denn nach der geltenden Fassung des Gesetzes sollen die Bürger über die Kontenabfrage nicht informiert werden – die Vorgehensweise der Finanzämter hätte also stillschweigend hingenommen werden müssen. Die Verfassungswidrigkeit stehe dem Verfahren auf die Stirn geschrieben, urteilte daher auch der niedersächsische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert.
Dem Bundesfinanzminister drohte also eine peinliche Blamage in Karlsruhe, schnell wurde daraufhin nachgebessert. In einem so genannten Anwendungserlass vom 10. März dieses Jahres, also einer Art Gebrauchsanweisung für die Finanzämter im Umgang mit dem Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit, wurden die Behörden zu einem restriktiven Umgang mit den neuen Instrumenten ermahnt. Willkürliche Abfragen der Kontendaten sollen damit ausgeschlossen werden. Finanzstaatssekretärin Hendricks:
"Eigentlich ist die Kontenabfragemöglichkeit nur dazu da festzustellen, wenn ich denn einen begründeten Anhaltspunkt habe, welche Bank kann ich denn überhaupt fragen. Und nicht ins Blaue hinein über 2000 Banken anschreibe – das ist eigentlich alles."
Zudem dürfen die Ämter ihre Anfragen nicht einfach per Knopfdruck starten – zunächst muss die Anfrage in einem Antrag begründet und dann von einem Vorgesetzten abgesegnet werden. Im Klartext: der Vorgang muss dokumentiert werden. Noch wichtiger aber: die Bürger werden in jedem Fall bei einer Abfrage informiert und haben somit die Möglichkeit, sich nachträglich gegen die Vorgehensweise der Finanzbehörden juristisch zur Wehr zu setzen, betont die Finanzexpertin der Grünen Christine Scheel.
"Konkret bedeutet dies ja, dass die Steuerpflichtigen zwei Mal informiert werden. Sie werden das erste Mal informiert darüber, dass der Finanzbeamte die Daten abfragen kann. Das bekommen sie schriftlich zur Verfügung gestellt. Und wenn er das tut, wird auch in der Steuererklärung ein Vermerk erscheinen, der da sinngemäß heißt: Kontenabfrage ist erfolgt."
Es waren letztlich diese Nachbesserungen auf dem Verwaltungswege, die das Gesetz zur Steuerehrlichkeit gerettet haben. Vor gut einer Woche wiesen die acht Richter des ersten Senats die Eilanträge zurück. Auffällig ist: der ablehnende Beschluss wird auf 29 Seiten ausführlich begründet. Und fast auf jeder Seite nehmen die Verfassungshüter Bezug auf den Anwendungserlass, der die Handhabung des Gesetzes detailliert vorgibt. Dennoch sieht sich das Finanzministerium auf ganzer Linie bestätigt, Sprecher Stefan Giffeler:
"Das ist noch einmal eine Bestätigung dafür, wie richtig es ist, gerade diese Kontennachfrage durchzuführen. Es bestätigt auch, dass alle datenschutzrechtlichen Bedenken, die es aktuell noch gibt, letztlich keine Bedenken sind, die man noch aufgreifen müsste. "
Nach Einschätzung vieler Beobachter liegt das Finanzministerium mit dieser Einschätzung falsch. Denn der Erlass dürfte lediglich für eine Übergangszeit ausreichend Rechtsschutz bieten. Über zwei anstehende Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz wird jedoch erst noch entschieden - vermutlich im Frühjahr 2006. Bis dahin, so die Empfehlung des Datenschutzbeauftragten der Bundesregierung, sollte man seine Steuerbescheide sorgfältig überprüfen:
"Das heißt, dass man schaut: ist denn da tatsächlich eine Kontendatenabfrage – es geht hier ja nur um die Stammdaten – erfolgt. Und dann wäre es sicherlich angemessen, die Behörde, die einen solchen Abruf durchgeführt hat, zu fragen, warum das geschehen ist. Und wenn man da Zweifel hat, dann kann man das entsprechend gerichtlich auch überprüfen lassen."
Nach Ansicht des Finanzexperten der FDP, Andreas Pinkwart bleibt bis zur eigentlichen Urteilsverkündung zugleich noch ausreichend Zeit, um das mit heißer Nadel gestrickte Gesetz zu überarbeiten.
"Hier müssen klare, nicht nur Verordnungsregeln hin sondern gesetzliche Regeln hin, die den Datenschutz sicherstellen. Und wir brauchen insgesamt, wie wir meinen, durch klare gesetzliche Regelungen, wie wir einerseits Steuern erheben und auf der anderen Seite Transfers zur Verfügung stellen, eine Abrüstung in Fragen des Datenmissbrauchs und der Kontrolle des Bürgers."
Auch der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung fordert eine Präzisierung des Gesetzes. Denn, so sein Argument: ein Verwaltungserlass könne jederzeit – ohne Beteiligung des Gesetzgebers - zurückgenommen werden. Weitere Änderungen, so Schaar seien unverzichtbar:
"Dabei wird es dann genau darum gehen, ob das Gesetz selbst den Kreis der abrufberechtigten Behörden genau genug definiert. Da habe ich nach wie vor ganz schwerwiegende Zweifel, denn der einzige Anknüpfungspunkt ist ja die Verwendung von Begriffen des Einkommenssteuergesetzes und das ist ein relativ langes Gesetz mit einer Vielzahl von Begriffen."
Noch aber, wie gesagt, mauert das Finanzministerium und auch die Kritik der Opposition wird nicht so recht ernst genommen. Schließlich, so heißt es, sei das Gesetz im Vermittlungsverfahren Ende 2003 ausdrücklich durch den unionsdominierten Bundesrat mitgetragen worden. Die Verantwortung für die schlampige Ausarbeitung aber, so der finanzpolitische Sprecher der Union, Meister liege eindeutig beim Gesetzgeber:
"Es ist handwerklich dergestalt schlecht gemacht, dass es in die Frage eines Rechtsstaates eingreift. Weil man jetzt versucht, die Dinge, die nicht ordnungsgemäß im Gesetz behandelt sind und die wir übrigens im Vermittlungsverfahren thematisiert hatten, seitens der Union, dass man diese Dinge jetzt versucht, im Rahmen von Verwaltungsanweisungen zu korrigieren. Da sehe ich den Rechtsstaatsgedanken in Frage gestellt."
Doch das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit steht nicht für sich allein. Denn mit den neuen Möglichkeiten zur Kontenabfrage am morgigen Freitag endet zugleich eine großzügige Amnestie für Steuersünder – anfangs waren lediglich 25 Prozent auf hinterzogene Steuern fällig, zuletzt 35 Prozent.
Um den Anreiz für eine Kapitalrückkehr zu erhöhen, wurde die Brücke zur Steuerehrlichkeit mit einer Verschärfung der bestehenden Regeln zur Kontenkontrolle verknüpft. Im Prinzip ein konsequenter Schritt, doch das bisherige Angebot weist mehrere Schwachstelle auf: zum einen ist nach Ansicht vieler Experten das Amnestieangebot nicht großzügig genug ausgefallen. Vielen Schwarzgeldsündern dürften die Steuersätze von 25 bzw. 35 Prozent noch immer zu hoch gewesen sein.
Ein weiteres Handicap: entgegen der ursprünglichen Absicht konnte sich die Bundesregierung nicht zu einem schlüssigen Gesamtkonzept zur Besteuerung von Kapitalanlagen durchringen. Die anfangs geplante Einführung einer Abgeltungssteuer auf Zinserträge – gedacht war an 25 Prozent – wurde nach erheblichen Widerständen der Parteilinken in der SPD fallengelassen. Mit fatalen Folgen, so der Geschäftsführer des Bankenverbandes, Weber:
"Diese so genannte Amnestieregelung für sich betrachtet war meiner Meinung nach eine gute Regelung. Als sie eingeführt wurde, war allen Beteiligten - Regierung wie Opposition – klar, dass diese Regelung alleine nicht ausreicht. Und es liegt ja auf der Hand: ein jeder, der mit nicht versteuertem Geld aus dem Ausland zurückkommt, möchte natürlich wissen, wie er morgen und übermorgen besteuert wird. Da war es alles andere als hilfreich, dass man den zweiten Teil dieses Maßnahmenpaketes, nämlich die Einführung einer Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge, nicht umgesetzt hat."
Insofern fällt der Erfolg bescheiden aus: die Mehreinnahmen belaufen sich auf rund 1,2 Milliarden Euro, ursprünglich hatte Finanzminister Eichel auf 5 Milliarden gehofft. Durch einen großen Wurf bei der Steueramnestie aber hätte man sich die erweiterten Möglichkeiten zur Kontenabfrage sparen können, meint der Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht, Herman Burbaum:
"Die Steueramnestie war richtig. Das war Zuckerbrot und was danach kommt, war Peitsche. Man hätte eine andere Lösung zum 1.4. finden sollen, müssen. Das ist eben nicht die Kontrolle, sondern die Abgeltungssteuer. Völlig anonymisiert, abgeführt durch die Kreditinstitute an der Quelle. Das wäre die richtige Kombination gewesen von Steueramnestie und Situation zum 1.4."
Auch die Einführung von Kontrollmitteilungen durch die Banken über die Zinseinnahmen ihrer Kunden, in vielen europäischen Ländern längst üblich, hätte ebenfalls zu einem effizienteren System geführt. Dieser Ansatz scheiterte jedoch am Widerstand der Union. So aber bleiben mit dem Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit viele Fragen offen.
Auch der Datenschutzbeauftrage Schaar warnt vor einer bedenklichen Entwicklung. Gerade die technischen Möglichkeiten weckten zunehmend Begehrlichkeiten – zum Nachteil des Einzelnen.
"Es ist wirklich so, dass bestimmte technische Möglichkeiten bestehen. Dann wird eine erste Befugnis eingeräumt wie jetzt in diesem Falle im Bezug auf die Terroristenbekämpfung und die Aufdeckung der illegalen Geldwäsche. Und dann wird, wenn das System erst einmal installiert ist, darüber nachgedacht, ob man nicht für andere, mehr oder weniger sinnvolle Zwecke diese Technik auch weiterhin nutzt. Dann ist die Schwelle nicht mehr so hoch."
Im konkreten Fall der Kontenabfrage haben die Finanzämter zunächst mit technischen Problemen zu kämpfen. Bislang ist der vollautomatische Zugriff über das Bundesamt für Finanzen noch nicht möglich, die Datenabfrage muss also noch per Hand erfolgen. Erst 2006 soll die Vernetzung der Behördensysteme abgeschlossen sein. Knapp 40.000 Abfragen gab es nach Angaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht insgesamt im letzten Jahr, künftig aber könnten es bis zu 50 000 pro Tag sein. Willkür ist da nicht auszuschließen, insofern stößt das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit weiter auf Unbehagen – auch beim Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes Weber:
"Ich glaube, es ist wichtig, dass klargestellt ist, dass sich hier niemand schützend vor Terroristen, sonstige Kriminelle, Steuerhinterzieher, Sozialbetrüger stellt. Die Frage ist nur, ob wir ein geeignetes Verfahren gefunden haben bisher, dass auch den rechtsstaatlichen Ansprüchen hinreichend Rechnung trägt. Und da habe ich meine Zweifel."