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"Steuersenkungen wichtige Säule im zweiten Konjunkturprogramm"

CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg rechnet mit einer Einigung zwischen den Unionsparteien über Steuersenkungen im Rahmen des zweiten Konjunkturpakets. Gleichzeitig bekräftigte er vor den Koalitionsgesprächen die CSU-Forderung nach Steuersenkungen: Ob die Unionsparteien "mit einer gemeinsamen Kanzlerkandidatur in die Wahlen gehen", hänge vom Ausgang der Gespräche ab. Steuersenkungen "spielen da sicher auch eine gewisse Rolle".

Karl-Theodor zu Guttenberg im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Herr zu Guttenberg, das Jahr ist noch jung, deshalb dem Privatmann - Ihnen persönlich - erst mal alles Gute zum Jahreswechsel.

    Karl-Theodor zu Guttenberg: Das wünsche ich Ihnen auch, herzlichen Dank.

    Heinemann: Danke. Was muss denn geschehen, damit 2009 auch für die CSU ein frohes neues Jahr wird?

    zu Guttenberg: Froh wird dieses neue Jahr dann, wenn wir jedenfalls bessere Wahlergebnisse erzielen als bei der letzten Landtagswahl, auch in Teilen bei der Kommunalwahl, und wenn es uns gelingt, ein hohes Maß an Vertrauen zurückzugewinnen und wenn der Stil greift, den wir uns vorgenommen haben, nämlich mit Dialog und Zuhören an der Basis entsprechend wieder zu Erfolgen zu kommen.

    Heinemann: Das war das, was im letzten Jahr danebengegangen ist?

    zu Guttenberg: Ja, wir hatten viele Rückmeldungen jetzt bei sogenannten Regionalkonferenzen, die auch für uns eine neue Erfahrung waren, wo wir über 30 Stunden - der Parteivorsitzende und der Generalsekretär - der Basis und den Menschen, die sich für diese Partei einbringen, zugehört haben und Defizite erfahren haben, die unter anderem darin gipfelten, dass viele sagten: In den letzten Jahren wurde gelegentlich der Eindruck von Hochmut gewonnen. Und daran muss man natürlich in besonderer Weise arbeiten, und das ist das, was uns auch ganz besonders fordert.

    Heinemann: Bei welchen Themen?

    zu Guttenberg: Bei Themen, die bei der Bevölkerung das Gefühl hinterlassen haben, dass sie mit Entscheidungen lediglich konfrontiert wurden, aber diese Entscheidungen nicht mehr im Dialog entwickelt worden sind.

    Das waren Themen wie das Rauchverbot etwa, wo gelegentlich auch beklagt wurde, dass Entscheidungen revidiert wurden, die einmal getroffen wurden. Es waren Themenkomplexe, die in Zusammenhang standen mit der Konsolidierung des bayerischen Staatshaushaltes - etwas, was wir ja alle für völlig richtig halten, wo aber die Kommunikation, was die Notwendigkeiten und manchmal auch die bitteren Notwendigkeiten, die damit verbunden sind, umso nötiger gemacht hätten.

    Und da hieß es, man hätte gelegentlich das Gefühl gehabt, dass lediglich die Entscheidung von oben verkündet wurde, ohne dass Befindlichkeiten dann auch mal entsprechend gehört wurden.

    Heinemann: Eine Antwort der CSU lautet jetzt: Steuern senken! Das klingt ein bisschen nach FDP. Ist Horst Seehofer Schüler von Guido Westerwelle?

    zu Guttenberg: Nein, ganz und gar nicht. Horst Seehofer ist, wie wir alle wissen, gottlob ein kluger schneller Kopf, der mit einer Forderung nach außen tritt, die ja gar nichts Ureigentümliches von Horst Seehofer ist, sondern die bereits im letzten Jahr von Erwin Huber, aber aus der CSU heraus, erarbeitet und entwickelt wurden.

    Wir halten es ordnungspolitisch für richtig, die Steuern zu senken, und zwar gerade für jene in unserem Lande, die wir als Leistungsträger erachten, also eben auch Facharbeiter - die breite Arbeitnehmerschaft, die in den letzten Jahren alles andere als begünstigt worden sind in diesem Bereich. Und wir halten es außerdem für eine wichtige Säule im Rahmen des zweiten Konjunkturprogramms.

    Heinemann: Gleichwohl bleibt doch der Eindruck: Die FDP ist das Original, und das CSU-Programm das Generikum, also das Nachahmerprodukt.

    zu Guttenberg: Also, ich kann nur sagen, dass das Original CSU oftmals dazu geführt hat, dass die FDP verzweifelt hinterherhechelte.

    Heinemann: Aber nicht bei diesem Thema.

    zu Guttenberg: Bei diesem Thema Steuersenkungen sind wir in den letzten Jahren sehr deutlich, sehr explizit auch geworden, übrigens sowohl in Berlin als auch in München. Michael Glos war der erste, der in dieser Bundesregierung diese Forderung ganz klar erhoben hat. Und wir waren diejenigen, die es auch letztes Jahr erstmalig in Einzelheiten und in den jeweiligen Details ausgearbeitet vorgelegt haben, ohne dass es sofort auf die Romantik der Koalitionsschwester getroffen wäre.

    Heinemann: Herr zu Guttenberg, Konjunkturpaket zwei plus Steuersenkungen: Wer soll das bezahlen?

    zu Guttenberg: Konjunkturpaket "inklusive" Steuersenkungen - das ist unser Ansatz, den wir suchen. Und ein Konjunkturpaket als solches, über das wir hier gerade sprechen: Investitionspakete sind - der Außergewöhnlichkeit der Lage geschuldet - ohnehin auf Pump finanziert. Und dieser Teil "Steuersenkung" wäre einer, den wir in den nächsten Jahren ja grundsätzlich für richtig erachten, auch dort würde er Geld kosten. Wenn man etwas, was man für richtig hält, vorzieht, kostet das auch Geld, aber es ist in dieser Situation nötig.

    Heinemann: Je stärker die Steuern gesenkt werden, desto weniger Geld bleibt übrig für die Investitionen - in Bildung, Infrastruktur, Breitbandnetz und so weiter.

    zu Guttenberg: Je stärker die Steuern gesenkt werden, desto mehr - und das ist ja auch unsere Zielsetzung - haben die Menschen wiederum "netto" in ihrer Tasche. Wo auch ein Konjunkturschub entsprechend auf der Ausgabenseite, auf der Nachfrageseite, auf der bedienenden Nachfrageseite, entsprechend gestaltet werden, und dieser bildet eine Säule des Gesamtpaketes bildet, die nicht nur aus Investitionen bestehen kann.

    Heinemann: Oder die Sparquote steigt.

    zu Guttenberg: Davon gehe ich nicht aus. Wir arbeiten hier mit einem sich mehr und mehr verfestigenden Klischee in einigen Kreisen, dass - wenn man mehr netto in der Tasche hat - dann plötzlich auch mehr sparen würde oder mehr sparen müsste. Das sehe ich nicht.

    Ich sehe tatsächlich die Option gegeben, dass man dadurch auch wieder das Konsumverhalten anschieben könnte, zumindest mehr, als wenn man in anderen Bereichen versuchte, Einsparungen zu machen.

    Heinemann: Haushaltsdisziplin ade?

    zu Guttenberg: Haushaltsdisziplin ade darf nie die Marschroute sein, sondern das ist ein auch, von unserer Seite, ordnungspolitisch richtiger Ansatz, der sich allerdings mit der Zielsetzung vor der Wirtschaftskrise nur sehr schwerlich in Einklang bringen lässt. Aber auch der Ansatz Steuersenkung wurde mit dem Ziel Haushaltskonsolidierung bislang parallel gefahren. Und wenn man es jetzt vorzieht, muss es nicht bedeuten, dass man künftig auch diese Ziele aufgibt.

    Heinemann: Nur wann wären Kredite, die in sogenannten "schlechten Zeiten" aufgenommen wurden, in sogenannten "guten" jemals zurückgezahlt worden?

    zu Guttenberg: Ja, da kann man natürlich auch die Gegenfrage stellen: Welche Gesetzlichkeit gilt marktwirtschaftlicher Art beziehungsweise volkswirtschaftlicher Art in diesen Tagen noch? Und von daher sind wir zu außergewöhnlichen Schritten gezwungen. Das Investitionspaket ist ein solches, und die unterschiedlichen Säulen dieses Paketes natürlich auch.

    Heinemann: Rechnen Sie damit, dass sich die Union jetzt an diesem Sonntag und die Koalition morgen beim Treffen und am 12. dann auf Steuersenkungen wird einigen können?

    zu Guttenberg: Wir haben unsere Vorstellungen klar zum Ausdruck gebracht. Wir gehen heute Abend in dieses Gespräch mit der klaren Zielsetzung, dass Steuersenkungen Teil dieses Paketes sind.

    Heinemann: Rechnen Sie mit einer Einigung?

    zu Guttenberg: Wir rechnen mit einer Einigung. Wir treffen uns, um uns zu einigen, um als geeinigte Union - es liegt ja tatsächlich schon im Wortsinne - dass wir als Union in den morgigen Tag dann auch in die Koalitionsgespräche gehen.

    Heinemann: Die SPD sagt aber "Nein".

    zu Guttenberg: Nun, die SPD sagt vieles in den letzten Tagen, nur wenig Kreatives, was man selbst noch mit einbringen könnte und wollte. Wenn sie Vorschläge bringt, werden wir diesen Vorschlägen selbstverständlich so zuhören, wie wir von unseren Koalitionspartnern erwarten, dass sie auch unseren Vorschlägen Gehör schenken und auch entsprechenden Argumenten den Raum geben, den sie verdienen.

    Heinemann: Nun noch mal die Frage: Heute Abend Einigung in der Union - ja oder nein? Und morgen Abend Einigung mit der Koalition - ja oder nein?

    zu Guttenberg: Heute Abend ist die Zielsetzung: Einigung in der Union. Ich bin da sehr zuversichtlich, dass uns das gelingen wird. Morgen Abend wird viel von der SPD abhängen.

    Heinemann: Nun sagen auch CDU-Politiker, zum Beispiel Roland Koch oder Wolfgang Schäuble: Steuersenkungen vor der Bundestagswahl sind nicht sinnvoll. Argument: Selbst die schnellsten Senkungen können vor 18 Monaten nicht wirken. Das wäre dann erst im Juli oder August 2010, ein bisschen spät.

    zu Guttenberg: Das Argument halte ich - bei allem Respekt gegenüber den genannten Personen - für nur bedingt stichhaltig beziehungsweise einfach für schlicht falsch. Steuersenkungen sind von einem Monat auf den anderen - in kürzester Monatsfrist, also vielleicht in zwei Monaten - aber als solches durchsetzbar und sind auf jeden Fall schneller durchsetzbar als alles andere, was derzeit an Vorschlägen noch durch die Räume wabert.

    Heinemann: Herr zu Guttenberg, zweifeln Sie an Roland Kochs Wirtschaftskompetenz?

    zu Guttenberg: Ich glaube, dass Roland Koch ein erstklassiger Wirtschaftsfachmann ist, aber in diesem Punkt haben wir eine Dissens, was die Wirksamkeit von Steuersenkungen anbelangt.

    Heinemann: Und bei diesem Thema steht die CDU der SPD näher als der CSU.

    zu Guttenberg: Und deswegen werden wir heute Abend es dazu bringen, dass die CDU und die CSU mit einer gemeinsamen Marschroute in die morgigen Gespräche gehen.

    Heinemann: Und die sieht dann wie aus?

    zu Guttenberg: Die sieht so aus nach unserer Vorstellung, dass wir von einem Gesamtpaket ausgehen müssen, dass nicht nur investive Maßnahmen beinhaltet, sondern solche, die auch den Konsum wieder anzuschieben verstehen.

    Heinemann: Zu den Zeiten einer absolut regierenden CSU war deren Selbstbewusstsein sozusagen demokratisch legitimiert. Inzwischen klingt ja diese Steuersturheit auch ein bisschen nach Angstschreien, die den Bedeutungsverlust der Partei nur noch unterstreichen. Hat die Partei das nötig?

    zu Guttenberg: Also, von Angst kann nun wirklich keine Rede sein. Solche, die Angst verströmen nach außen, verfallen schnell in Panik und sind nicht mehr zu Argumenten in der Lage. Wir versuchen gerade auf der Grundlage eines ausgearbeiteten Konzeptes argumentativ zu arbeiten und einer ungewöhnlichen Situation gerecht zu werden.

    Und von daher ist es, völlig unabhängig vom Wahlergebnis der letzten Landtagswahl in Bayern so, dass wir uns als eine gestärkte gute neue Mannschaft verstehen, die auf die Erfahrungswerte aufbauend derer, die sich in den letzten Jahrzehnten eingebracht haben - als eine selbstbewusste eigenständige Partei präsentieren.

    Heinemann: Aber es bleibt dabei, Herr zu Guttenberg: Ohne Steuersenkungen wird die CSU einem weiteren Konjunkturprogramm nicht zustimmen?

    zu Guttenberg: Der Aspekt Steuersenkungen ist für uns essenzieller Bestandteil eines weiteren Konjunkturpaketes. Und dementsprechend gehen wir heute auch in die Gespräche.

    Heinemann: Wird nach dem Treffen mit der Unionsschwester jetzt an diesem Sonntag das "Gezicke" der letzten Wochen beendet?

    zu Guttenberg: Was Sie als "Gezicke" bezeichnen, bezeichne ich als eine wohltuende Debatte unter Schwestern. Und Schwestern müssen sich nicht nur schweigsam aneinander kuscheln, sondern dürfen gelegentlich auch über die Inhalte sich argumentativ austauschen. Und exakt das haben wir in den letzten Wochen getan. Das tut im übrigen sowohl einer Koalition wie auch der politischen Landschaft in diesem Lande in meinen Augen nur gut.

    Heinemann: Interview der Woche im Deutschlandfunk. Wir sprechen mit Karl-Theodor zu Guttenberg, dem Generalsekretär der CSU.

    Herr zu Guttenberg, Volker Kauder hat sich die Autoindustrie zur Brust genommen. Statt Abwrackprämien zu fordern, sollten die Konzerne rasch zukunftsträchtige Modelle anbieten, so der Unionsfraktionschef in der "Süddeutschen Zeitung". Sehen Sie das auch so?

    zu Guttenberg: Also ich persönlich stehe einer Abwrackprämie auch - das kann man ja schon kaum aussprechen, dieses Wort - auch relativ skeptisch gegenüber. Auch wenn man sich in der Bevölkerung umhört und fragt, ob das nun unmittelbar zu einem Autokauf führen würde, hält sich die Romantik doch in messbaren Grenzen. Ich glaube auch, dass es nicht falsch ist, auch die Automobilhersteller immer wieder sanft aber auch klar mit aufzufordern, alle Kreativitätsreserven zu mobilisieren.

    Ich habe allerdings den Eindruck, dass die deutschen Automobilhersteller auch im internationalen Wettbewerb das auch tun. Und von daher ist es wichtig, dass wir jetzt nicht nur in Schelte verfallen, sondern dass wir gemeinsam nach Unterstützungsmöglichkeiten durch die Politik suchen. Es geht um Arbeitsplätze in unserem Land, und es geht darum, dass die Menschen auch wieder Autos kaufen am Ende des Tages und nicht nur am Ende des nächsten Jahrzehnts. Und demzufolge glaube ich, dass der Ansatz richtiger ist, die Automobilindustrie zu unterstützen und nicht zu schelten.

    Heinemann: Aber wenn man sich die Politik - jetzt mal aufs Große und Ganze gesehen - der Banken oder die Modellpolitik der großen Autounternehmen anschaut: Sitzen da in den Aufsichtsräten zu viele Schlafmützen und unfähige Spitzenverdiener?

    zu Guttenberg: Auch das wäre eine Pauschalschelte, zu der ich grundsätzlich nicht neige. Aber wenn ich von Kreativität und von Kreativitätsreserven vorhin gesprochen habe, so gilt das für alle, die Verantwortung in einem Unternehmen tragen. Und das ist etwas, was man natürlich in der Breite ersetzen kann.

    Heinemann: Was heißt das genau?

    zu Guttenberg: Das heißt, wenn wir beispielsweise darüber reden, welche Möglichkeiten Automobilhersteller haben, um etwa energiesparende Modelle herzustellen, dass man sich da wirklich an die Spitze einer weltweiten Branche setzt - einer weltweit vernetzten Branche setzt. Aber ich habe das vorhin bereits gesagt: Ich hab den Eindruck, dass die deutschen Automobilunternehmen hier bereits marktführend in vielerlei Hinsicht sind, aber natürlich jeden Tag aufs Neue sich überprüfen müssen: Schöpfen wir alles aus?

    Heinemann : Da hat Volker Kauder gesagt, er verstehe nicht, warum VW zum Beispiel den umweltfreundlichen Golf Blue Motion erst im Oktober auf den Markt bringt.

    zu Guttenberg : Also, ich selbst sitze nicht im Aufsichtsrat von VW und bin auch ganz froh drum. Und ich selbst bin auch kein operativ Tätiger bei VW und bin darüber auch nicht ganz unglücklich. Ich schätze, dass auch VW darüber nicht ganz unglücklich ist. Und von daher erlaube ich mir dieses Urteil schlechterdings nicht.

    Heinemann: Die Politik könnte höchstens der Industrie Beine machen.

    zu Guttenberg: Die Politik kann unterstützend tätig werden und kann immer wieder auch einmal kritisch das mit einbringen, was man aus dem eigenen Arbeitsumfeld nicht nur erfährt, sondern natürlich letztlich auch an Rückkopplungen bekommt. Und von daher darf die Politik auch der Unternehmerschaft das mitteilen, was man an Erfahrungswerten etwa aus der Bevölkerung zieht.

    Heinemann: Herr zu Guttenberg, Stichwort Rückkopplung. Ist die Eile, mit der die Bundesregierung jetzt dieses zweite Konjunkturpaket dann doch noch auf den Weg bringen möchte, den Aktivitäten eines Gordon Brown oder der Hyperaktivität des Nicolas Sarkozy geschuldet?

    zu Guttenberg: Mit dem Wort Hyperaktivität umschreiben Sie ja bereits etwas, was man möglicherweise auch nicht nur mit Euphorie begleiten muss. Ich halte es nicht für falsch, dass man zunächst einmal erst gründlich nachdenkt, bevor man handelt. Allerdings muss man nicht monatelang nachdenken, sondern man muss insgesamt Handlungsfähigkeit beweisen, auch im internationalen Kontext.

    Wir sind zu sehr miteinander verflochten, als dass wir warten könnten, dass ein europäischer Partner handelt, und dann glauben, dass man sechs Monate später dann das Pulver neu erfindet.

    Ich glaube, insgesamt ist es so, wenn wir jetzt Anfang Januar uns auf ein zweites Konjunkturpaket einigen, und das sollte die Zielsetzung sein, dass wir uns im Rahmen dessen bewegen, was für ein abgestimmtes und auch international kohärentes Verhalten dann geboten ist.

    Heinemann: Karl-Theodor zu Guttenberg, Sie sind seit zwei Monaten CSU-Generalsekretär. Welche Erfahrungen hat Ihnen Ihr neues Amt bislang beschert?

    zu Guttenberg: Zahlreiche.

    Heinemann: Nämlich?

    zu Guttenberg: Solche, die durch den täglichen Umgang mit den unterschiedlichsten Menschen zusammenhängen. Das ist etwas, was mir sehr viel Freude gemacht hat, nämlich Erfahrungswerte, die vielleicht nicht dem üblichen Klischee des Generalsekretärs entsprechen. Nur, was ich jetzt gerade mache, aber auch mit Freuden mache, weil es ein substanzielles Gespräch ist, sich nur mit den Medien zu unterhalten… sondern sich eben mit den Menschen eines Freistaates zu unterhalten, eines Landes zu unterhalten, für die man mit Verantwortung trägt und damit aus der Unterhaltung, aus dem Dialog, aus dem Gespräch auch Grundlagen zu schöpfen für politisches Handeln. Also nicht nur ein Handeln von oben nach unten, sondern auch das Miteinander wieder in den Mittelpunkt zu stellen, waren Erfahrungswerte, die gut waren.

    Es gibt andere Erfahrungswerte, wo man natürlich auch einen gewissen Gewöhnungsprozess durchgeht. Ich durfte in den letzten Jahren im Wesentlichen außenpolitisch tätig sein. Und im Wahlkreis muss man natürlich die gesamte Palette dessen abdecken, was tagespolitisch auch gefordert ist, auch darüber hinaus geht.

    Aber man muss jetzt natürlich sehr viel mehr Generalist sein und sich gleichzeitig aber den Anspruch bewahren, nicht nur den Rahm oben abzuschöpfen, sondern weiterhin substanziell tätig zu sein und über Dinge zu sprechen, von denen man im Zweifel auch etwas versteht. Da ist der Erfahrungswert nun der, dass man nicht mehr die Zeit hat, die man davor hatte, um sich in manches Thema in der Tiefe einzuarbeiten, und dass man dann gelegentlich auch mal schweigt, wenn man von etwas nichts versteht.

    Heinemann: Sie müssen jetzt unter anderem auch Bierzelte zum schäumen bringen. Können Sie das?

    zu Guttenberg: Das muss ich gar nicht jetzt, das musste ich auch davor. Ein bayerischer Abgeordneter, zumal ein fränkischer, würde nicht eine Legislaturperiode unbeschadet "überleben", in Anführungszeichen, wenn er nicht in der Lage wäre, ein Bierzelt auch entsprechend zum Kochen zu bringen. Und das ist eine meiner größten Leidenschaften, auch wenn sie möglicherweise nicht von jedem sofort mit mir in Verbindung gebracht wird.

    Heinemann: Das bringt mich zu der Frage: Was benötigt die CSU dringender, Laptop oder Lederhose?

    zu Guttenberg: Sie bedarf zumindest eines Umstandes, nämlich nicht immer nur Klischees zu bedienen, sondern selber auch kreativ zu bleiben. Und Kreativität kann sich darin auch schon mal beweisen, dass man an so kleinen Laptops arbeitet, dass sie in eine Lederhose passen und dann auch entsprechend darin herumgetragen werden und auch gelegentlich benutzt werden, oder dass man vielleicht auch mal ein Lederhosenfutteral für den Laptop schafft oder Ähnliches.

    Also, wir haben hier alle Möglichkeiten, aber wir sollten nicht in hehrer Romantik und nur in Nostalgie schwelgen.

    Heinemann: Und zur Kreativität gehört auch die Personalpolitik. Im Machtkampf um die Spitzenkandidatur der CSU bei der Europawahl hat sich jetzt Markus Ferber gegen Monika Hohlmeier durchgesetzt, die Horst Seehofer gerne als Nummer eins gesehen hätte - bitter für Frau Hohlmeier, aber vor allem eine Niederlage für Horst Seehofer.

    zu Guttenberg: Da darf ich jetzt schon einen Einspruch wagen, und zwar einen sehr deutlichen. Es gab nicht ansatzweise und auch nicht einmal eine geäußerte Präferenz, Monika Hohlmeier als Listenführerin in diesen Europawahlkampf zu schicken.

    Wir wollten Monika Hohlmeier, das darf ich jetzt auch als oberfränkischer Bezirksvorsitzender sagen, als eine Kandidatin für diesen Europawahlkampf, und zwar als Oberfranke jetzt auch als eine abgesicherte Kandidatin für diesen Europawahlkampf, aber es war nie die Rede davon, sie auf Nummer eins zu platzieren. Hier hatte Markus Färber als Landesgruppenvorsitzender durchaus das Prä, und das haben wir ihm am Freitag auch ausgesprochen.

    Heinemann: Horst Seehofer hat sie nie als Nummer eins haben wollen?

    zu Guttenberg: Nein, weder mir gegenüber noch Monika Hohlmeier gegenüber. Also, das ist tatsächlich eine zwar dann munter kommunizierte, aber echte Ente.

    Heinemann: Die CSU hält es sich offen, ob sie mit der CDU mit einem gemeinsamen Wahlprogramm in die Europawahl und auch in die Bundestagswahl ziehen will. Wird es dazu kommen?

    zu Guttenberg: Was die Europawahl anbelangt, wird die CSU ein eigenes Wahlprogramm schreiben, weil wir erstens natürlich eine eigenständige Partei sind und uns nicht nur als Fortsatz einer anderen Partei sehen, und weil wir auch eine Besonderheit haben, was die Europawahl anbelangt, nämlich dass die bayerischen Abgeordneten, die ins Europaparlament gewählt werden, tatsächlich auch bayerische Interessen vertreten können, was für andere bundesweit antretende Parteien als solches nicht gilt.

    Was die Bundestagswahlen anbelangt ist es nicht unüblich, mit einer gemeinsamen Kanzlerkandidatur auch programmatisch geschlossen in die Wahlen zu gehen. Das hängt natürlich alles auch ein bisschen davon ab, wie wir uns heute Abend auf einige Kernpunkte einigen werden. Das hängt sicherlich auch davon ab, wie geschlossen wir uns bei den politisch notwendigen Punkten uns verhalten. Steuersenkungen spielen da sicher auch eine gewisse Rolle. Und dann werden wir sehen, wie das Jahr sich entwickelt.

    Heinemann: Welche Bedingungen stellen Sie?

    zu Guttenberg: Wir stellen keine Bedingungen, sondern wir versuchen, unsere Handschrift jeweils erkennbar zu lassen. Und wenn sich Handschriften annähern, dann ist es gut, dann kann man die Dinge zusammen führen. Wenn man in einigen Punkten sich in einem klaren Dissens befindet, was ich nicht annehme, dann muss man das durch ein entsprechend klares eigenständiges Auftreten auch deutlich machen.

    Heinemann: Können Sie das inhaltlich vielleicht ein bisschen genauer fassen?

    zu Guttenberg: Ich gebe Ihnen das Beispiel dieser Tage, das der Steuersenkungen. Das war zumindest in den letzten Monaten nicht immer mit aller Trennschärfe erkennbar, dass die geschätzte Schwesterpartei uns bei der Frage Steuersenkung jubelnd folgen würde.

    Das ist für uns ein so essenziell wichtiger Punkt, dass, wenn der tatsächlich nicht gelöst werden sollte und auch das Prozedere Steuersenkung und in einer solchen Phase, wie man sich da verhält, dass wir hier einen solchen Dissens möglicherweise hätten. Aber ich gehe davon nicht aus.

    Ich glaube, dass wir uns einigen werden. Wir haben einen Prozess in den letzten Wochen ja auch gesehen, wo wir viel Unterstützung auch aus den Reihen der CDU bekommen haben, und ich gehe wirklich zuversichtlich in den heutigen Abend.

    Heinemann: Politiker der geschätzten Schwesterpartei, nämlich Roland Koch, Christian Wulff und jetzt auch Jürgen Rüttgers fordern, die Union solle mit einer klaren Koalitionsaussage zu Gunsten der FDP in die Bundestagswahl ziehen. Zieht die CSU mit?

    zu Guttenberg: Die FDP ist für uns der Wunschpartner, weil wir eine bürgerliche Mehrheit erreichen wollen, für diese auch kämpfen und nicht für eine Fortsetzung der großen Koalition. Es ist aber für uns auch völlig klar und steht außer Frage, dass jede Partei ihren eigenen Wahlkampf macht und dass wir uns hier nicht passgenau aneinander anpassen, sondern dass man auch noch erkennbar bleibt. Und das wird für die CSU ein wichtiger Bestandteil in diesem Jahr sein.

    Heinemann: Was heißt das für die Koalitionsaussage?

    zu Guttenberg: Wenn ich sage, die FDP ist unser Wunschpartner, glaube ich ist das eine sehr deutliche Aussage.

    Heinemann: Also Sie sind für eine solche Koalitionsaussage?

    zu Guttenberg: Ich bin für eine bürgerliche Mehrheit ab dem Herbst 2009. Und das ist zumindest mit der SPD außerordentlich schwierig zu bewerkstelligen.

    Heinemann : Also ein Eheversprechen ante festum für die FDP, ganz klar?

    zu Guttenberg: Ich halte von Eheversprechen, selbst wenn möglicherweise meine Herkunft und mein Name auf eine entsprechende Romantik hinweisen mag, überhaupt nichts, sondern ich halte etwas davon, dass man in diesem Jahr beweist, dass man zu einander passt. Und wir haben da auch gewisse Erwartungen was die FDP anbelangt. Also wir werden sehen, wie weit man sich da die Dinge offen hält.

    Und wenn man zu einander passt und wir sagen, bürgerliche Mehrheit ist mit gewissen Inhalten zu machen und darzustellen, dann ist das für uns die Wunschvorstellung.

    Heinemann: Das heißt also jetzt, Koalitionsaussage ganz klar: Ja. Habe ich das jetzt richtig verstanden?

    zu Guttenberg: Wunschpartner FDP.

    Heinemann: Gut. Könnten Sie sich auch Jamaika vorstellen, also Union, FDP und Grüne?

    zu Guttenberg: Ich will es mir nicht vorstellen, sondern ich will mir eine Konstellation vorstellen, wo die Union auch wieder so stark ist, dass man mit einem kleineren Partner eine Koalition bilden kann. Und noch einmal: Hier wünschen wir uns die FDP.

    Heinemann: Wünsche sind wunderbar. Aber es muss auch am Schluss reichen. Sagen Sie ganz klar vor der Wahl Nein zu Jamaika?

    zu Guttenberg: Wir sagen, wir wollen die bürgerliche Mehrheit. Und das ist für uns nicht Jamaika.

    Heinemann: Und wie sieht es dann mit der großen Koalition aus?

    zu Guttenberg: Es ist nicht so, dass wir die große Koalition in diesen Tagen nur als Übel begreifen würden, sondern wir müssen jetzt die nächsten Monate nutzen, um die Handlungsfähigkeit an den Tag zu legen, die auch eine Bevölkerung mit der großen Koalition verbindet.

    Man hört oft die Aussage derzeit auch draußen: Nun habt ihr Mehrheiten, wie noch nie zuvor oder wie zumindest seit 66/69 nicht mehr, nun handelt auch entsprechend. Diese Chance hat die große Koalition jetzt, aber ich glaube, dass wir trotzdem besser bedient sind und auch die Menschen in diesem Lande besser dran sind, wenn man zuverlässiger als bürgerliche Mehrheit wieder Politik gestalten kann.

    Heinemann: Karl-Theodor zu Guttenberg, Sie sind 37 Jahre jung, seit zwei Monaten CSU-Generalsekretär. Was wollen sie langfristig noch werden?

    zu Guttenberg: Ich habe eine außergewöhnlich herausfordernde Aufgabe jetzt in diesem Jahr, und die möchte ich erst mal anständig machen. Und ich will mir eines bewahren, nämlich auch immer mal wieder den Blick über die Politik hinaus und sich da auch im Tagesgeschäft eines nicht zu verderben, nämlich dass es Interessensfelder geben kann, die neben der Politik auch noch Raum haben oder sich gegenseitig ergänzen können. Das reicht mir als Zielsetzung.

    Heinemann: Sie wollen aber jetzt nicht mit Blick auf die Rente mit 67 dreißig Jahre lang CSU-Generalsekretär bleiben?

    zu Guttenberg: Ich glaube, da hätte auch die CSU irgendwann erhebliche Schwierigkeiten damit.

    Heinemann: Frage mal anders formuliert: Ihr Vater ist Dirigent. Die französische Bezeichnung dafür lautet chef d'orchestre. Möchten sie vielleicht auch einmal Chef werden, Parteichef oder Regierungschef?

    zu Guttenberg: Diese Frage stellt sich überhaupt nicht. Ich sehe bei einem Dirigenten, mit was das alles verbunden ist. Und ich sehe bei einem Generalsekretär, wie vielfältig die Aufgaben hier sind. Und noch einmal, man muss sich auch selbst überprüfen am Ende des Tages, hat man die Aufgabe gut gemacht, die einem gegeben wurde. Und das kann ich jetzt vorausblickend noch gar nicht sagen.

    Es ist mein Ziel, es so zu machen. Und alles andere ergibt sich daraus oder eben nicht daraus. Und von daher bin ich jemand, der sehr offen in jedes Jahr hinein geht, ohne jetzt festgezurrte Ziele zu haben, die die Willkür dieses Geschäftes ohnehin nicht zulässt am Ende des Tages.

    Heinemann: Man wird sich selbst überprüfen müssen, sagten Sie gerade. Sind Sie eher der Mann mit dem Taktstock oder der zweite Geiger?

    zu Guttenberg: Ich bin jemand, der versucht, das Instrument, das ihm an die Hand gegeben wird, irgendwann so gut zu spielen, dass es auch so wahrgenommen wird.

    Heinemann: So, und was heißt das jetzt für die Harmonie oder Disharmonie in der Koalition? Noch einmal ganz konkret die Frage zum Schluss: Was wird am Montagabend nach dem Koalitionsgespräch herauskommen? Wird man sich geeinigt haben?

    zu Guttenberg: Ich hoffe auf Harmonie und ich hoffe auf ein insgesamt hörbares Orchester, wo nicht eine Pauke hervor sticht und ein Kontrabass irgendwann mal schrummt, sondern wo man das Gefühl hat, dass hier eine koalitionäre Mannschaft, die den Rest dieser Legislaturperiode in einer ganz wichtigen Aufgabenstellung auch entsprechend gestalten will. Darauf hoffe ich und das hängt viel mit der Disziplin, aber auch mit der Kreativität, auch mit dem Willen der SPD zusammen.

    Heinemann: Wetten drauf können Sie nicht, dass es eine Einigung geben wird?

    zu Guttenberg: Ich habe in meinem Leben noch nicht gewettet, und ich werde es auch künftig nicht machen.

    Heinemann: Herr zu Guttenberg, danke schön für das Gespräch.

    zu Guttenberg: Sehr gerne.