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Steuerung durch Gedankenkraft

Neurobiologie. – In Göttingen haben drei Forschungsinstitute, Wissenschaftler der Universität und ein Prothesenhersteller das "Bernstein-Zentrum für computergestützte Neurowissenschaften" gegründet. Auf einer Neurobiologen-Tagung wurden jetzt jüngste Entwicklungen aus dem Bereich der Neuroprothetik diskutiert.

    Die Firma Otto Bock in Duderstadt ist Partner des Bernstein-Zentrums. Hier werden Armprothesen hergestellt, die über Elektroden gesteuert werden können. Der Armstumpf des Patienten leitet die Bewegungsimpulse an die Elektroden in der Prothese weiter. Dabei sehen diese Bewegungen der prothetischen Hand fast natürlich aus, meint Eric Andres. Allerdings muss der Patient dafür lange und intensiv trainieren. Andres: "Wir nutzen das so genannte Phantomgefühl des Patienten. Er bewegt diese imaginäre Hand durch Muskelanspannung." Die Signale der Nerven werden durch Elektroden aufgenommen, um ein halbes Volt verstärkt und bewegen dann die Elektrohand. Im selben Forschungszentrum erkunden Wissenschaftler die direkte Steuerung von Prothesen durch das Gehirn. Dafür suchen Forscher des Deutschen Primatenzentrums in Göttingen die verantwortlichen Bewegungszellen in Affengehirnen. Professor Stefan Treue setzt Stefan Treue dafür den siebenjährigen, graubraunen Rhesusaffen Carlos ins Spielzimmer des Primatenzentrums. Auf einem Fernsehbildschirm erscheinen zwei Punkte, die sich schnell über die Bildfläche bewegen. Während der Affe diese Punkte mit seinen Augen verfolgt, werden Zellen in seinem Gehirn aktiv. Und genau nach diesen Zellen forscht Stefan Treue: "Dieses Knacken, was man jetzt ab und zu hört, ist die Aktivierung einzelner Zellen, die wir dann dadurch herausheben, das wir sie elektronisch verstärken und mit diesem kleinen Knackston auch gut hörbar machen." Immer wieder bekommt der Affe neue Bilder zu sehen. Die Reaktion im Affenhirn schreibt der Computer als Diagramm auf Papier. Diese aufgezeichneten Daten aus dem Affenhirn leiten die Primatenforscher weiter an ihren Kollegen Michael Hermann. Er arbeitet am Max Planck Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen. Der versucht, darin Muster zu finden und sie mit Verhaltensweisen und Bewegungen in Beziehung zu setzen.

    Damit knüpft Hermann die Verbindung zu den Prothesen, denn er sucht nach einer lernfähigen Prothese. In seinem Labor experimentiert er mit einer lernfähigen Prothese, die mit neuronalen Netzen ausgestattet ist. Am Ende der Prothese gibt es Kontakte, die Signale, die das Gehirn abgeschickt hat. Sie leiten diese Signale an die Prothese weiter, die dann das Signal in Bewegung umsetzt. Der Patient muss allerdings noch lernen, welche Signale welche Bewegung hervorrufen. Die Göttinger Ergebnisse werden an der US-Ostküste eingesetzt. Professor Miguel Nicolelis von der Duke University in North Carolina pflanzte seinem Versuchsaffen winzige Chips unter die Hirndecke, die die Nervenzellen nachempfinden. Nicolelis: "Die grundlegende Idee ist, das wir die Signale aus den Hirnregionen zusammenführen, die für die Motorik zuständig sind. Zum Beispiel bei Querschnittgelähmten würden wir diese Signale auf Neuronenchips zentralisieren. Die Bewegungsimpulse auf den Neuronenchips werden dann an die Prothese, also den Roboter weitergegeben." Die Versuchsaffen konnten bereits einen prothetischen Arm zu bewegen. Dafür wurde ein Bewegungsempfänger in den künstlichen Arm eingebaut. Mit Hilfe eine Computers stellt Miguel Nicolelis eine Rückkopplung her. Die Prothese lernt vom Affen und der Affe von der Prothese.

    [Quelle: Carolin Hoffrogge]