
"Wir sind natürlich besonders stolz, dass unsere kleine Kultusministerkonferenz heute Mittag auf dem Wagen stattfindet, passend zum Thema."
Jutta Born gehört als Mitarbeiterin zur 30-köpfigen Fußtruppe der Stiftung Lesen, die mit fast mannshohen bunten Buchstaben unterm Arm vorm Motivwagen ein Wörterballett tanzt. Oben auf dem Motivwagen die "kleine Kultusministerkonferenz": die beiden Bildungsministerinnen aus Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sowie der Parlamentarische Staatssekretär aus dem Bundesbildungsministerium. Sylvia Löhrmann, die stellvertretende Ministerpräsidentin von NRW, heute nicht in Köln oder Düsseldorf - das geht doch gar nicht?
"Ja doch, für diesen Zweck geht das. Die Stiftung Lesen hat hier eine ganz tolle Aktion auf die Beine gesellt, und da bin ich gern dabei, weil wir ja bundesweit für besseres und mehr Lesen werben. Das zeigt: Lesen verbindet, Lesen baut Brücken, Lesen öffnet Türen."
"Man muss immer dahin gehen, wo die Not am größten ist," wirft die Vertreterin eines der Unternehmen ein, die den Wagen sponsern. Thomas Rachel, Staatssekretär im Bundesbildungsministerium lacht mit. Doch dabei ist er, weil ihm die Sache ernst ist: Zu viele Kinder und Jugendliche lesen nicht ausreichend, meint er. Die Polit-Premiere auf dem Rosenmontagszug kommentiert er so:
"Normalerweise sind die Minister und Staatssekretäre aus Pappmaschee im Rosenmontagszug. Heute sind sie live dabei, weil wir gemeinsam Werbung machen möchten fürs Lesen, denn Lesen eröffnet Zukunftschancen, Lesen ist der Schlüssel, um in unserer Gesellschaft Erfolg zu haben, sich zu qualifizieren damit stehen alle Türen offen, und das wollen wir mit unserem Wagen, der sagt "Lesen öffnet Türen" sichtbar und deutlich machen."
Auf dem riesigen Motivwagen öffnet sich tatsächlich eine drei Meter hohe Tür und gibt den Blick frei auf einen Himmel, in dem die Schriftzüge "Ausbildung", "Arbeit" und "Karriere" hängen. Rund herum Figuren von Zeitungslesern, Architekten, die Baupläne studieren, Schülern mit Tablet Computern - Lesen in all seiner Vielfalt eben. Frei nach der Erkenntnis, so Jörg Maas, Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen:
"Bücher sind nach wie vor wichtig, aber für die Lesefreude sind Zeitungen und Zeitschriften und zunehmend mehr die digitalen Formate in den Augen von natürlich auch wichtig. Uns geht's nicht um das Medium, in dem gelesen wird, sondern darum, dass Kinder Lesefreude entwickeln."
Spontane Sympathie für's Lesen wecken
Und weil es um den Spaß geht, hat sich auch die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann einen weißen Maleranzug übergestreift und einen Reif mit Helau aus Moosgummi-Buchstaben aufs Haar gesetzt, kurz:
"Hat sich zielgruppenorientiert verkleidet."
Die Mainzer Bildungsministerin Vera Reiß trägt eine farbige Perücke unterm Haarreif und weiß natürlich, wie Botschaften an Fastnacht zu verpacken sind:
- "Sylvia soll ich dir mal meinen Vers aufsagen?"
- "Deinen Vers!"
- "Als Bildungsministerin weiß ich gewiss/wie wichtig doch das Lesen iss/ drum sind wir mit der Stiftung Lesen Jecke/ und wollen Interesse wecke."
- "Helau."
- "Deinen Vers!"
- "Als Bildungsministerin weiß ich gewiss/wie wichtig doch das Lesen iss/ drum sind wir mit der Stiftung Lesen Jecke/ und wollen Interesse wecke."
- "Helau."
Bilal, Peter und Oskar, Jungen drei verschiedener Muttersprachen zwischen drei und zwölf Jahren, gehören zu den ersten, die sich am Straßenrand über eines der 20.000 Pixi-Bücher freuen, die der Carlsen-Verlag für die närrische Leseförderung gestiftet hat. Buchstabensuppe und Bücher in Miniformat verteilt die Fußtruppe - die Beschenkten sind begeistert von der Idee.
- "Wir finden die toll ja, ich freu mich sehr, was Gutes zu bekommen.
- "Ich hab schon zwei. Ich les allein."
- "Ich hab schon zwei. Ich les allein."
Er liest allein, aber nur manchmal, verrät der 12-jährige Bilal, der mit seinem 11-jährigen Bruder Jalal Brausetütchen aus Ministerinnenhand gefangen hat. Der Vater fotografiert das Ganze und strahlt. Wie nachhaltig die närrische Aktion wirkt, bleibt ungewiss, spontane Sympathie fürs Lesen weckt sie auf jeden Fall. Eine halbe Million Menschen am Straßenrad und drei Millionen vor der Mattscheibe - die Narren der Stiftung Lesen sind sich sicher: Bei Zielpublikum ist noch Luft nach oben.