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Stille Diplomatie

Seit rund drei Wochen ringt Microsoft um die Übernahme von Yahoo, doch die umworbene Braut ziert sich, um die Mitgift in die Höhe zu treiben. Während der Suchmaschinenbetreiber auch mit anderen Firmen flirtet, setzen die Redmonder ihren Hebel an anderer Stelle an, um die Ehe zu vollziehen.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Marcus Schuler | 24.05.2008
    Manfred Kloiber: Gehen sie nun zusammen oder nicht? Kauft Microsoft Yahoo oder nicht? Vor fast genau drei Wochen hatte der Software-Riese Microsoft die Übernahmeverhandlungen mit dem kalifornischen Internet-Unternehmen abrupt beendet, nachdem Yahoo das umgerechnet mehr als 30 Milliarden Euro schwere Microsoft-Angebot ausschlug. Nun kommen sich beide Seiten doch wieder näher. Seit Anfang der Woche ist plötzlich von einer teilweisen Übernahme von Yahoo durch Microsoft die Rede. Marcus Schuler, wie kommt der plötzliche Sinneswandel?

    Marcus Schuler: Dieser Sinneswandel hat mehrere Ursachen. Fangen wir bei den pekuniären Gründen an. Die sind natürlich dominierend. Da gibt es den streitbaren und milliardenschweren Investor Carl Icahn. Der Mann besitzt einen Investment-Fond, der allein 4,3 Milliarden US-Dollar wert sein soll. Dieser Carl Icahn hat nach der gescheiterten Übernahme heftige Kritik am Yahoo-Management geübt und seine Anteile an Yahoo aufgestockt. Sein Ziel: Gemeinsam mit anderen Großaktionären, vornehmlich Hedge Fonds, will er Yahoo zu einer Wiederaufnahme der Verkaufsverhandlungen zwingen. Dazu möchte er auf dem Aktionärstreffen, das eigentlich am 3. Juli stattfinden sollte, nun aber wenige Tage nach hinten verschoben wurde, eigene Kandidaten für das Direktorium durchsetzen. Seine Chancen stehen offenbar nicht schlecht. Icahn ist der Ansicht, dass das Microsoft-Angebot Yahoo eine bessere Perspektive biete als die Unabhängigkeit.

    Kloiber: Und was sind die weiteren Ursachen?

    Schuler: Zwei andere gute Gründe, die allerdings nicht so handfest sind wie die eben genannten. Google hat nach Angaben des Marktforschungsunternehmens ComScore seinen Marktanteil in den USA weiter ausbauen können. Es kommt nach jüngsten Meldungen nun auf 61,6 Prozent. Im März waren es noch 59,8 Prozent. Yahoo dagegen hat verloren: Von 21,3 Prozent auf 20,4 Prozent verschlechterte es sich, Microsoft fiel mit seiner Suchmaschine von 9,4 auf 9,1 Prozent. Angesichts dieser Zahlen macht es also keinen Sinn, wenn Yahoo und Google zusammenarbeiten. Darüber hatten nämlich beide Unternehmen parallel zu den Verhandlungen mit Microsoft gesprochen. Yahoo wollte sich mit dieser Giftpille vor einer feindlichen Übernahme schützen. Andererseits dürften die amerikanischen Wettbewerbshüter solch eine Zusammenarbeit kaum genehmigen. Also bleibt Yahoo so gut wie keine andere Wahl als wieder mit Microsoft zu sprechen. Der Druck auf das angeschlagene Yahoo-Management wird mit jedem Tag des Taktierens und Zögerns größer.

    Kloiber: Microsoft will Yahoo nun nicht mehr in toto übernehmen, sondern nur einen Teil. Was hat es damit auf sich?

    Schuler: Microsoft will nach übereinstimmenden Medienberichten nur das Suchmaschinen-Geschäft von Yahoo übernehmen und gleichzeitig Minderheiten-Aktionär des Unternehmens werden. Damit kämen dann beide Unternehmen bei der Suche auf knapp 30 Prozent Marktanteil – das ist die Hälfte von Google. Die anderen Teile von Yahoo, also die Foto-Community Flickr, aber auch der Free-Mail-Dienst, das Instant Messaging sowie die in den USA erfolgreichen redaktionellen Angebote sollen offenbar nicht herausgelöst werden. Microsoft Chef Steve Ballmer erklärte gestern Abend zur Verwunderung vieler Beobachter, Microsoft habe sein ursprüngliches Gebot nie als strategischen Schachzug angesehen. Der Rückzug bedeutete, dass man nun rund 50 Milliarden US-Dollar für andere Zukäufe in der Kriegskasse habe. Die Übernahme des Suchmaschinen-Geschäfts macht Sinn, Microsoft würde zugleich unter Beweis stellen, dass man sich im Internet auf Kern-Komponenten konzentrieren würde.

    Kloiber: Die bisherigen Übernahmegespräche sehen sehr nach "Herumeiern" aus, sind die Chefs der beiden Unternehmen, Steve Ballmer von Microsoft und Jerry Yang von Yahoo nun beschädigt?

    Schuler: Das scheint, so kann man spekulieren, der Fall zu sein. Ballmer hat ja auch mit dem unpopulären Betriebssystem Vista zu kämpfen. Er ist aber natürlich in einer stärkeren Position als Yahoo-Chef Yang. Der hat sicherlich schwere Fehler gemacht. Vor allem seine Parallel-Gespräche mit Google waren wohl eine unnötige Provokation von Microsoft. Aber auch sein Taktieren beim Verkaufspreis legt man ihm im Nachhinein negativ aus. Er muss sogar befürchten, obwohl er vier Prozent der Yahoo-Aktien hält, auf der Aktionärsversammlung im Juli aus dem Amt gejagt zu werden.

    Kloiber: Gibt es Reaktionen von Google – immerhin haben ja Google und Yahoo Gespräche geführt mit dem Ziel Google-Anzeigen auf den Suchergebniss-Seiten von Yahoo auszuliefern?

    Schuler: Google-Mitbegründer Larry Page hat sich geäußert und die Microsoft-Pläne scharf kritisiert. Eine Kombination mit Yahoo würde zu viel Macht bündeln und den Wettbewerb behindern, sagte er am Donnerstag in Washington. Dinge, die man natürlich auch Google angesichts seiner Übermacht vorwerfen kann. Die Äußerung ist also als Rhetorik zu werten, die zum Geschäft gehört. Google kann einer Übernahme der Yahoo-Suchmaschine durch Microsoft meiner Meinung entspannt entgegensehen. Wenngleich der Marktanteil von Google in den USA "nur" - in Anführungszeichen - doppelt so groß wäre, sind die Verhältnisse für Microsoft und Yahoo in Europa noch erdrückender. Hier kommt Google nämlich auf nahezu 80 Prozent.